Kein Friede den Toten – Starke spanische Thrillerserie. Review Miniserie

Hinter dem sperrigen deutschen Titel „Kein Friede den Toten” verbirgt sich eine spanische Thriller-Serie von Oriol Paulo der für die spanischen Suspense-Thriller „The Body“, „Der unsichtbare Gast“, „Parallelwelten” bekannt und angesehen ist. Auch in der vielleicht aktuell besten Harlan Coben Verfilmung beweist der Schöpfer in der 8-teiligen Miniserie sein Gespür für gute Thriller.

9 Jahre vor der Haupthandlung änderte sich das Leben von Mateo (Mario Casas) für immer. Bei einer nächtlichen Schlägerei vor einer Bar, fiel sein Kontrahent so unglücklich, dass für ihn jede Hilfe zu spät kam. Mateo wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und verbrachte seine Zwanziger fast komplett hinter Gittern. Nach seiner Entlassung beginnt er sich ein neues Leben aufzubauen, bekommt einen Job von seinem Bruder und trifft erneut auf Olivia (Aura Garrido), die bald darauf schwanger wird. Mateo wähnt sich endlich auf der Sonnenseite des Lebens, doch natürlich holt die Vergangenheit Mateo und seine Frau schnell wieder ein. Zunächst gibt es Probleme beim Hauskauf, da die Nachbarschaft die Neuen ablehnt, dann erhält Mateo verstörende Bilder vom Smartphone seiner Frau. Darüber hinaus wird er verfolgt und die Eskalationsspirale gen Abgrund dreht sich weiter. Dabei trifft Mateo auf zahlreiche Figuren, die alle ihre eigenen Geheimnisse verbergen und eventuell irgendwie mit seiner Vergangenheit zu tun haben. Im Verlauf der Serie nimmt auch die Polizei eine stärkere Rolle ein. Über die Haupthandlung möchte ich nicht mehr verraten, denn Spoiler nehmen diesem Thriller, der vor allem auf zahlreichen Twists aufgebaut ist und daraus seine Spannung zieht, viel von seiner Kraft und Sogwirkung.

„El Inocente” ist eine düstere, atmosphärische und stilistisch stimmige Miniserie, die neben der Hauptfigur durch einen Kunstgriff viele Figuren in die Hauptgeschichte aufnimmt und die Handlung dadurch aus verschiedenen Blickwinkeln vorantreibt. Denn jede Episode beginnt mit einem Anfangsmonolog eines Charakters, der zunächst die Geschichte aus seiner Perspektive vorantreibt. Dabei berichtet die Figur kurz, wie sie an den aktuellen Punkt der Erzählung gekommen ist und geht dann ihre eigenen Wege – bis sie sich kreuzen. Durch diese Machart beginnen die jeweiligen Folgen temporeich, man muss viele Informationen verarbeiten. Ich hätte nicht gedacht, dass sie Serie soweit in die Unterwelt eintaucht und am Ende inhaltlich so bitterböse wird, aber Handlung, Stil und Atmosphäre der Serie bilden eine starke Einheit, die auch durch einen stimmigen Soundtrack untermalt wird, der mich sehr an L.A.Noire erinnerte.

Die größte Stärke der Serie, die sie von den zahlreichen anderen Harlan Coben Verfilmungen abhebt, ist ihre gekonnte Thriller-Regie. Denn Oriol Paulo baut eine intensive Spannungskulisse auf, die durch die zahlreichen Wendungen in der Geschichte stets für neue Spannungsherde sorgt. Was die Serie etwas abschwächt, sind wiederum die typischen Harlan Coben Probleme des Drehbuchs. Einige Twists sind nicht ganz logisch, zum Teil trüben schwer nachvollziehbare Charakterentscheidungen das Bild und auch die zu häufig genutzten Zufälle, um die Handlung voranzubringen, lassen die Miniserie nicht ganz rund erscheinen. Leider braucht die Geschichte ihre Zufälle, damit die sehr verstrickte und komplett konstruiert wirkende Haupthandlung wie gewünscht funktionieren kann. Wenn man über diese Probleme hinwegsehen kann, erhält man eine großartige Thriller-Serie mit einem hohen Grad an kompromissloser und authentischer Brutalität sowie am Ende sehr fiesen Themen.

Insgesamt weiß „El Inocente” von vorne bis hinten durch seine Spannung zu fesseln, wenn man sich von den genannten Makeln nicht allzu sehr stören lässt. Naturgemäß ist das Tempo der Handlung bis zur Mitte noch etwas langsamer, die letzten Episoden können allerdings durchweg überzeugen. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, wie allgemeingültig mein Urteil ist, weil ich auch die anfangs genannten Filme des Regisseurs sehr mag und das Thrillergenre eines meiner Lieblingsgenres darstellt. Ganz das Niveau von „Antidisturbios“ erreicht die Serie für mich allerdings leider nicht.

82/100
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