„Your Honor” ist eine hochwertige Showtime-Produktion mit Bryan Cranston in der Hauptrolle. Die Mischung aus Familiendrama, (Psycho-)Thriller, Gerichtsdrama und kriminellen Organisationen mit hervorragender Prämisse steht exemplarisch für Shows mit großartigem Beginn und starkem Leistungsabfall danach. Deshalb blieb es für mich auch bei Staffel 1, obwohl 2023 noch eine zweite Staffel nachgeschoben wurde.
Die Serie basiert auf einem israelischen Original und mittlerweile gibt es auch ein deutsches Remake, beide sah ich nicht. Die großartige Ausgangssituation von „Your Honor” muss ich leider kurz spoilern, damit man überhaupt weiß, worum es in der Serie geht: Nach einem tragischen Autounfall des Sohnes versucht sein einflussreicher Vater alles, um ihn zu schützen. Wem das schon reicht, der kann den nächsten Abschnitt überspringen, in dem ich die Handlung etwas mehr aufdrösele, allerdings auch mehr Spoiler für die erste Folge preisgeben muss, die man eigentlich dort wunderbar präsentiert bekommt.
Adam Desiato (Hunter Doohan) lebt nach dem Tod seiner Mutter allein mit seinem Vater Michael (Bryan Cranston, großartig), einem angesehenen Richter. In Folge eines Autounfalls am Jahrestag des Todestags seiner Mutter überfährt er versehentlich einen Menschen, aufgrund seines Asthmas bekommt er beim Notruf wenig heraus und begeht Fahrerflucht. Es erzählt seinem Vater alles, sein geschockter Vater möchte zunächst das Richtige tun und somit begleitet er seinen Sohn am Abend aufs Polizeirevier. Doch dort bemerkt er, dass es sich bei dem Getöteten um den Sohn einer einflussreichen, mächtigen Mafiafamilie handelt. Aus Angst vor Selbstjustiz und Repressionen der Gangster entscheidet der ehemals angesehene Richter sein Rechtsverständnis komplett über den Haufen zu werfen und versucht durch seinen Einfluss die Fahrerflucht bestmöglich zu vertuschen.
Vor allem die ersten beiden Episoden sind im Serienkosmos außergewöhnlich gut. Die Produktion ist stark, die Darsteller liefern komplett ab, das Drama, die Emotionalität und die Frage, wie man selbst handeln würde, runden das positive Gesamtbild hervorragend ab, ich war regelrecht eingenommen von diesem Start. Doch leider weiß die Serie danach nicht, wohin innerhalb ihrer 10 Folgen. Das, was anfangs als sorgsam gefertigtes Konstrukt erscheint, wird mit der Zeit häufig von Zufällen und vor allem unglaublicher Dummheit der handelnden Personen vorangetrieben. Bereits ab Folge 3 wird die Handlung wenig nachvollziehbar, die Erklärung „der ist halt 17 und dumm“ für die Aktionen von Adam reichen mir nicht aus. Insgesamt wird der gute Aufbau schnell immer wirrer und fragmentierter.
Offenbar kam der Produktion auch Covid in die Quere, was der Serie nicht hilft. So fühlt sich die Geschichte, die schnell ins Mafiamilieu abdriftet, bisweilen nach einem riesigen Puzzle an. Dieses Puzzle wird aber nicht sorgsam zusammengesetzt, stattdessen werden immer wieder Teile herausgerissen und am Ende drückt man die Teile mit Gewalt in Ecken, in die die Teile gar nicht hineinpassen. Bei einigen Handlungssträngen fehlen einfach wichtige Teile, andere brechen unvermittelt ab, wieder andere Handlungssträngen fordern ein, dass man gezeigte Dinge vergisst, denn sonst ergeben sie keinen Sinn mehr. Das empfand ich im Verlauf der Geschichte nur noch als anstrengend. Ob diese Probleme an Covid lagen, ist ohne Kenntnis der Vorlage schwer zu beurteilen, aber vor allem am Ende, wenn sich die „dummen Zufälle“ überschlagen, war ich genervt. Das Ende ist leider auch eine Farce.
Insgesamt ist „Your Honor” eine Serie, die mich anfangs emotional abholte und mich auch deswegen danach sehr stark enttäuschte. Eine Serie mit großartigem Start und vielen guten Momenten in der Mitte, die durch die Dummheit (gerade des Sohns), die zunehmende Fragmentierung und Logikprobleme im Verlauf aber stark an Qualität einbüßt, so dass am Ende nur Ernüchterung bleibt.



