Uncivilized – „Postmigrantische“ Geschichten über Alltagsrassismus. Review Miniserie

„Uncivilized” ist eine deutsche Miniserie, die deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Die Anthologie-Miniserie erzählt in 5 Kurzfilmen und einer Doku aus dem Leben von „Personen mit Migrationshintergrund” in der 3. oder 4. Generation in Deutschland. „Postmigrantisch” nennt die ZDF-Beschreibung dies treffend. Zusätzlich werden die Episoden mal lose, mal überdeutlich mit gesellschaftlich wichtigen Ereignissen verbunden, indem sie zeitlich kurz danach angesiedelt und die direkten Auswirkungen noch spürbar sind. Die Miniserie ist ein Geheimtipp, weil sie eine in den Medien zutiefst unterrepräsentierte Perspektive gekonnt darstellt.

Die großen und schrecklichen Ereignisse, an der sich die Serie entlang hangelt, sind der rechtsextreme und rassistische Anschlag in Hanau 2020, die Wirrungen der Flüchtlingsaufnahme und political correctness nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine, die Terroranschläge vom 11. September, der Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo 2015 und die Stuttgarter Krawallnacht 2020. Nach diesen Ereignissen ändert sich das Leben der Protagonisten der jeweiligen Folge schlagartig und der Alltagsrassismus wird zum Thema.

Die erste und wohl auch beste Episode streift das Thema Hanau allerdings nur am Rande, im Kern wird die Nacht einer Freundesgruppe in Köln präsentiert, die anfangs nicht zusammen in einen Club hineinkommt und deren Nacht danach immer weiter in Richtung Abgrund und Rassismus kaskadiert. Weitgehend authentisch gespielt, stellenweise überraschend lustig und emotional gelingt so ein treffendes Portrait. Die zweite, ausnehmend groteske und fremdschämige, Episode kann daran nicht anknüpfen, sie fällt auch thematisch leicht heraus. Episode 3 ist für mich persönlich die stärkste Episode, weil mich das Schulthema mit dem Dilemma der Lehrerin mit Kopftuch überzeugte und ich auch das Ende sehr gelungen fand. Die 4. Folge rund um Charlie Hebdo versucht viele Themen zu verbinden und verliert sich darin etwas, die 5. Episode behandelt die Stuttgarter Krawallnacht nur am Rande und stellt stattdessen schikanierende Polizisten in den Vordergrund. Auch diese Folge fällt dadurch etwas heraus, das Thema des Racial Profiling ist aber natürlich dennoch relevant und wichtig hervorzuheben. Die abschließende Doku-Folge hätte ich nicht zwingend gebraucht, weil die Prämisse der Miniserie auch ohne sehr deutlich wird, aber dennoch sind viele der dort getätigten Aussagen natürlich auch richtig und wichtig – und viele Leute müssen diese Botschaften noch viel deutlicher hören. 

„Uncivilized” ist eine gut produzierte, sehr ungewöhnliche Anthologie-Dramaserie, die in ihren besten Momenten glaubwürdig aus der Sicht der Diskriminierten in Deutschland erzählt und so selten gesehene Blickwinkel in der Film- und Medienlandschaft darstellt. Jetzt fehlt nur noch die größere Aufmerksamkeit, die sowohl das Team hinter der Kamera als auch die Geschichten und die Darsteller verdient haben. Die Atmosphäre ist durchweg gelungen, vor allem in Folge 1 musste ich über den hervorragenden Musikgeschmack schmunzeln, als “J’ai perdu mon corpse” aus dem gleichnamigen Film erklang. 

Zusammenfassend gibt es eine Empfehlung mit leichten Abstrichen, weil nicht jede Episode durchgehend brilliert (ab und an wirkt es etwas zu konstruiert), aber vor allem die Folgen 1 und 3 lohnen sich sehr. Gebt der Serie eine Chance. Mit einer Gesamtlaufzeit von nicht einmal 2 ½ Stunden ist auch der Zeitaufwand nicht riesig.

79/100
Total Score
Nach oben scrollen