„Time” ist eine britische Knast-Anthologie-Serie, die neben den (mutmaßlichen) Tätern auch die Rolle und das Leben von Wärtern, Seelsorgern und Co. in den Vordergrund stellt. Beide Staffeln kann man schnell schauen, sie umfassen lediglich jeweils 3 Episoden. Die erste Staffel bleibt noch relativ gezielt bei zwei Fällen, Staffel 2 stellt drei Frauen in den Mittelpunkt. Die Serie thematisiert die unterschiedlichen Gründen, warum Menschen ins Gefängnis kommen – denn es ist nicht immer Mord. „Time” zeichnet ein deutlich facettenreicheres Bild des Haftsystems und wirft Fragen auf.
Sean Bean („Game of Thrones”) übernimmt in Staffel 1 die Hauptrolle des Marc Cobden, der wegen fahrlässiger Tötung eine Strafe von 4 Jahren absitzen soll. Die genauen Umstände der Tat werden erst im weiteren Verlauf erläutert und sorgen für eine gewisse Spannung, weil man vermutet, dass dahinter mehr steckt. Marc selbst möchte die ganze Zeit über nur möglichst gut durchkommen und akzeptiert seine Strafe vollends, er glaubt sie verdient zu haben. Die anderen Insassen, tätliche Angreifer und die Denker und Lenker – kurzum die Gefängnis-Hierarchie – erschweren ihm seine Zeit in Haft. In der großen Nebenrolle und einem weiteren Handlungsstrang steht Wärter Eric McNally (Stephen Graham, „Adolescence”) vor dem großen Problem der Korruption zu widerstehen, weil er erpresst wird. Sein Sohn sitzt in einem anderen Gefängnis ein, daraufhin bedrohen ihn die Insassen seines Gefängnisses, dass sie Gewalt gegen seinen Sohn veranlassen werden, wenn er nicht gewisse Dienste für sie erledigt. Zunächst versucht er innerhalb des Systems dagegen anzugehen, doch irgendwann funktioniert das nicht mehr…
Zusammenfassend präsentiert „Time“ keine zwingend neuen Ideen, jedoch werden sie anders verpackt, als man es kennt. Ungewöhnlich ist die Hauptfigur des Mittfünfzigers, der seine Strafe komplett akzeptiert, aber dennoch seinen Platz finden muss, weil er mit den kriminellen Dynamiken des Knasts konfrontiert wird. Darüber hinaus sorgen die erpresserischen Versuche, einen bis dahin tadellosen Wärter umzustimmen, für den Thriller-Aspekt der Serie. Dabei lauert immer wieder die Frage nach Vergebung und dem moralischen „Richtig oder Falsch?” hinter der nächsten Ecke. Die starken Darsteller sind das große Faustpfand dieser Miniserie, die zwar auf bekannten Spuren wandelt, aber immer wieder krasse, fiese, starke Momente einfügt und damit auch emotional zuschlagen kann. Natürlich ist die Handlung manchmal etwas einfach, klischeehaft oder vorhersehbar, aber das verzeiht man dieser BBC-Miniserie.
Staffel 2 fokussiert sich auf ein Frauengefängnis und begleitet drei Hauptfiguren, die aus unterschiedlichen Gründen im Knast gelandet sind. Die einzig verbliebene Schauspielerin aus Staffel 1 ist Siobhan Finneran als katholische Seelsorgerin (die ich erneut nicht zwingend brauchte), der restliche Cast ist neu besetzt. Im Mittelpunkt stehen drei tragische Fälle. Zunächst einmal Abi Cochrane (Tamara Lawrance), die lebenslänglich einsitzt, weil sie ihr Baby getötet hat und dafür massiv schikaniert wird, dann Orla O’Riordan (Jodie Whittaker, „Toxic Town”, „Broadchurch”), die offenbar an der Armutsgrenze lebt, sodass sie Strom für ihre 3 Kinder und sich klauen musste und die junge Drogenabhängige Kelsey Morgan, die im Knast von ihrer Schwangerschaft erfährt. Letztere wird von Bella Ramsay („The Last of Us”) sehr überzeugend porträtiert. Ich fand Staffel 2 etwas sprunghafter durch die Aufteilung in drei Hauptgeschichten. Leider konnte mich die Geschichte um die eigentliche Hauptfigur nicht vollständig packen, die beiden anderen Handlungsstränge empfand ich allerdings als ziemlich gelungen. Dennoch ist Staffel 2 leicht schwächer als die erste Staffel.
„Time” ist eine gelungene, kurze Knast-Anthologie-Serie, die das Knastleben aus unterschiedlichen Perspektiven zeigt und ganz andere „Täter“ als üblich in den Vordergrund stellt. Die moralischen Fragen funktionieren gut, das Darstellerensemble weiß überwiegend zu überzeugen.



