Die seltsamen Drama-Grotesken über die katholische Kirche „The Young Pope” und „The New Pope” möchte ich im Doppelpack besprechen, denn auch wenn es sich bei den beiden Serien formell um einzelne Miniserien handelt, schließen sie aneinander an. De facto wirken sie für mich wie Staffel 1 und Staffel 2 einer Serie, deswegen behandele ich sie auch so.
„The Young Pope” ist in der damaligen Gegenwart (Veröffentlichung 2016) angesiedelt und wirkt mit dem Stand von 2025 bereits etwas aus der Zeit gefallen. Denn Lenny Belardo (Jude Law, ganz großartig), der Erzbischof von New York, wird als überraschender Kompromisskandidat zum ersten US-Amerikanischen Papst in der Geschichte, was bis dahin als fast undenkbar galt – und eben mittlerweile Realität ist. Doch Lenny, oder Papst Pius XIII, ist kein normaler, traditioneller Papst, sondern ein aufrührerischer Papst, der mit alten Traditionen brechen möchte. So zeigt er sich dem Publikum nach seiner Wahl nur verhüllt, er versucht die Amtsgeschäfte im Vatikan an sich zu reißen, setzt in einem Affront seine Ordensschwester Mary (Diane Keaton) als Chefberaterin ein, denunziert zahlreiche Kardinäle, die versuchen ihn zu kontrollieren, und legt sich auch mit der Politik an. Doch eigentlich ist der noch junge Papst sehr unzufrieden mit sich und der Welt, er ist depressiv und ziellos. Er versucht seinen Weg zu Gott und seinen Zugang zu den Gläubigen zu finden, während ihn das Establishment versucht zu steuern.
Die von Paolo Sorrentino inszenierte Serie besticht durch ihre Ästhetik, ihre innerlich zerrissene Hauptfigur und ihre aufgedrehte Stimmung. Die starken Gegensätze zwischen Tradition und Moderne, zwischen Jung und Alt werden vor der Kulisse des geheimnisvollen Vatikans interessant und zum Teil sehr humoristisch dargestellt. Man kann die Serie nicht sonderlich ernst nehmen, weil sie und ihre Charaktere so überzeichnet sind, aber sie ist unterhaltsam. Dennoch wird sich nicht jeder an „The Young Pope” erfreuen können. Wer nicht über Religion lachen kann oder dies gar als Frevel empfindet, der sollte besser beim sonntäglichen Gottesdienst bleiben. Ich empfehle daher unvoreingenommen in die erste Folge hineinzuschauen. Gerade bezüglich der Atmosphäre und des Humors weiß man danach, ob man mehr sehen möchte. Das Pacing der Serie ist leider etwas langsam und das größte Problem ist wohl der fehlende rote Faden. Dadurch, dass man Papst Pius kaum greifen kann, weil sich seine Handlungen permanent zu widersprechen scheinen, ist die Handlung unvorhersehbar. So tritt die Serie gerade in der Mitte auf der Stelle, wenn man mal von Glaubensfragen absieht. Im besten Fall ist man irgendwann allerdings so fasziniert von allem, dass man die philosophisch-moralischen Fragen, den Humor, die Merkwürdigkeit und die eindringliche Musik komplett wertschätzen kann. Die letzten 3 Episoden von „The Young Pope” drehen die Eskalationsschraube gut weiter und lohnen sich sehr, gerade auch mit dem überaus absurden Ende. Ich kann aber auch verstehen, wenn man bis dahin nicht durchgehalten hat.
The New Pope baut visuell, musikalisch und symbolisch auf Staffel 1 auf, das überragend-verrückte Intro mit dem Titel „Good Time Girl” ist mutmaßlich eines der absurdesten Serienintros überhaupt. Nach dem famosen Ende von „The Young Pope” gelangt nach einigen Intrigen und Querelen innerhalb der Kirche Sir John Brannox (John Malkovich) in eine Machtposition. Mit ihm übernimmt eine deutliche bodenständigere Figur gewissermaßen die Hauptrolle von Papst Pius, der allerdings weiterhin Teil der Serie ist. Durch diese spürbare Erdung der Geschichte stehen mehr Intrigen, verschiedene Strömungen, Diplomatie und Manipulationen im Fokus der Geschichte, die religiös-moralischen Fragen treten in den Hintergrund. Dies führt einerseits zu einem klaren roten Faden, andererseits sorgt dies aber auch für eine zu große Vorhersehbarkeit, bei der man eigentlich nur auf den Showdown wartet, der sich lange abzeichnet, aber irgendwie auch ausbleibt. Aus meiner Sicht hätte man die erste Hälfte etwas knapper erzählen können und stattdessen die zweite, teilweise überaus absurde Hälfte etwas ausführlicher erzählen können. Denn eigentlich wirkt die Staffel über weite Strecken wie eine lange Exposition für die erneut großartigen letzten 3 Episoden der Serie. Die Atmosphäre, die Stimmung, die Tabubrüche sind nämlich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau, nur alles ist eben irdischer und berechenbarer – bis das Ende dann nochmal im besten Sinne überraschen kann. Welche Kreativität, welcher Wahnsinn, großartig.
Allgemein gilt „The New Pope” als etwas schwächer als „The Young Pope”, weil das Setup etwas zu lang dauert. Aber ich mochte diese andere, bodenständigere Herangehensweise auch und wurde vom Ende fast restlos überzeugt. Somit sind für mich beide Miniserien (oder beide Staffeln, wie ich sage) auf einem ähnlichen Niveau. Man sollte „The Young Pope” zwingend zuerst schauen. Wenn man sich darauf einlassen kann, kann man viel Freude bei den beiden hochgradig absurden und grotesken Miniserien mit zusammen 19 Episoden haben.



