Succession – Familiendrama auf großer Bühne. Review ganze Serie

Die HBO-Serie „Succession” thematisiert das Innenleben einer mächtigen, einflussreichen, vulgären, extrem reichen, intriganten und kaputten Familie. Doch die Familie steht auch in der Öffentlichkeit, denn dem Patriarchen gehört ein riesiges Medienimperium in den USA, basierend auf realen Vorbildern wie den Murdochs. Zu Beginn der Serie leidet der 80-jährige Patron der Familie an gesundheitlichen Problemen, die eine baldige Nachfolgelösung erfordern. Alle 4 Kinder und noch viele weitere Personen bringen sich in Stellung.

Der alternde Logan Roy (Brian Cox, überragend) herrscht mit harter Hand über sein Medienimperium, speziell einen TV-Sender, der Fox News ähnelt und für die Meinungsbildung in den USA relevant ist. Logan klammert sich an die Macht, doch gesundheitliche Probleme zwingen ihn langsam dazu, über seine Thronfolge nachzudenken. Als logischer Nachfolger erscheint zunächst sein Sohn Kendall (Jeremy Strong, sehr gut), der bereits ins Unternehmen eingebunden ist, allerdings einige Fehlschläge zu verbuchen hat und Drogen nicht abgeneigt ist. Kendalls jüngerer Bruder Roman (Kieran Culkin, herrlich ekelhaft) ist extrem vulgär und kindisch, hat anfangs wenig Interesse an irgendwas, aber rechnet sich später auch Chancen aus. Die jüngste Tochter Shiv (Sarah Snook, gut) ist eigentlich politisch linksgerichtet und arbeitet für einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten, aber auch sie kann der Anziehungskraft der Macht nicht widerstehen. Der eigentlich älteste Sohn Connor (Alan Ruck, schrullig stark) wird von allen nur belächelt, weil er etwas größenwahnsinnig und unfähig ist. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere interessante, absurde und verrückte Charaktere, die ich nicht alle aufzählen kann, aber die Serie zu einem fantastischen Ensemble-Drama werden lassen. Aus dieser Ausgangssituation ergeben sich interne Machtkämpfe, im weiteren Verlauf wird allerdings auch über Fusionen oder Übernahmen gesprochen, weil das eigene Imperium vielleicht doch nicht ganz allein überleben kann. 

Das Familiendrama – mit Betonung auf Drama – mit abgeschlossener, stringenter Handlung über 4 Staffeln brilliert durch spannende Wendungen, eigenwillige Charaktere und deren interessante Entwicklungen und eine Grundgeschichte mit hoher Aktualität und vielen Realitätsbezügen. Einige werden sich dennoch fragen, warum sie sich die Probleme von irgendwelchen ultrareichen, machtgeilen Arschlöchern ansehen sollen. Berechtigte Frage, aber ich behaupte: Weil es unterhaltsam ist. Denn „Succession” bietet gute und pointierte Dialoge, teilweise witzige und noch mehr fremdschämige Szenen, eine etwas irritierende, aber authentische Kamera, Gespräche mit hoher Schlagzahl und großen Auswirkungen und eine herausragende Produktion. Die zahlreichen Intrigen von allen möglichen Charakteren halten die Handlung dabei twistreich und spannend. Manchmal fällt es etwas schwer involviert zu sein, weil eben tatsächlich fast alle Charaktere komplette „beliebiges Schimpfwort“ sind. Wenn man etwas Sympathie für eine Figur entwickelt, dann reißt diese das gerne im Verlauf wieder ein. 

Aber auch wenn man sich selbst nicht in das Innenleben der Roys hineindenken kann: „Succession” bietet mehr als genügend Schauwerte von außen auf diese dysfunktionale Familie zu blicken, die wahrhaft Shakespeare-eskes Schauspiel und Drama bietet. Denn wenn Konflikte ausgetragen werden, was tatsächlich ständig passiert, dann sind das entweder harte oder absurd-widerliche, erinnerungswürdige Szenen. Grundsätzlich liegt der komplette Fokus auf den Dialogen und Beziehungen der Personen zueinander, Action wird man kaum finden, aber gerade die ersten und letzten Episoden einer jeweiligen Staffel bieten das große Drama und große Konsequenzen. Zudem gibt es immer mindestens eine Highlightfolge in der Mitte der jeweiligen Staffel (1.6, 2.5, 3.5, 4.3), in der manchmal auch mit der Machart experimentiert wird.

In Sachen Pacing beginnt „Succession” in Staffel 1 mit der Gesundheitsthematik und einer längeren Exposition – schließlich müssen sehr viele Charaktere eingeführt werden – noch etwas ruhiger, spätestens ab der 2. Hälfte erhöht sich das Tempo allerdings spürbar. Staffel 2 hat keinerlei Startschwierigkeiten und gipfelt in einem furiosen und entlarvenden Ende. Der Beginn von Staffel 3 fährt ein paar Schlangenlinien und behandelt zunächst altbekannte Themen, der rote Faden wird erst ab Episode 5 wirklich aufgenommen, die letzten 3 Folgen bilden die eigentliche Haupthandlung der Staffel. Gerade die letzten beiden Episoden sind allerdings großartig.

Die finale Staffel 4 ist die beste Staffel der Serie, weil es endlich abschließend um die titelgebende Thronfolge geht. Die 3. Folge ist die absolute Highlightfolge dieser Staffel (oder sogar der ganzen Serie), die alles ändert. Das darauf folgende Ränkespiel nimmt etwas Tempo heraus, aber ab Episode 8 (die Wahl-Folge mit „The Newsroom”-Vibes und deutlichen Realitätsbezügen) gibt es nur noch brillante Folgen. Die letzte Episode bringt die Handlung zwar irgendwie frustrierend, aber dennoch unfassbar passend zu Ende. Ein gelungener Abschluss mit drei absoluten Knallerfolgen ist eine große Kunst für eine solch langlebige Serie. 

„Succession” ist eines der besten Familiendramen aller Zeiten mit einem überragenden Ensemble-Cast, bei der keine Staffel durchhängt und die finale Staffel mit ihrem fulminanten Ende sogar die beste ist. Zurecht gewannen die Serie und ihre Schauspieler einige Golden Globes und Emmys. Es gibt vielleicht eine kleine Einstiegshürde, aber wer die meistert, bekommt ein zeitgemäßes, aktuelles und großartiges produziertes Familiendrama, das sich oben im Serien-Olymp aufhält.

88/100
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