„Squid Game“ Staffel 3 ist veröffentlicht worden, die Hauptserie ist damit beendet und die Rezeption fällt eher negativ aus. Zurecht? Ich finde nicht, zumindest wenn man über den Tellerrand hinausblickt und nicht nur den reinen Inhalt betrachtet. Ich habe mir bewusst keine anderen Interpretationen durchgelesen, oder die Masse an schwachen Bewertungen, sondern bleibe bei meiner eigenen beim Anschauen empfundenen Lesart.
Wer ein komplettes Review zur ganzen Serie ohne große Spoiler lesen möchte, der klickt bitte hier. Nun aber zunächst zur spoilerfreien Bewertung von Staffel 3:
Staffel 3 schließt inhaltlich sofort an den negativen Cliffhanger der vorherigen Staffel an und schnell wird deutlich, dass statt einer 2. Staffel mit 7 Folgen und einer 3. Staffel mit 6 Episoden, sicherlich auch 10 Folgen in einer gebündelten Staffel gereicht hätten. Denn inhaltlich gibt es keinen Grund für die Splittung. Die Geschichte wird innerhalb und außerhalb des Squid Game temporeicher weitererzählt, viele Handlungsstränge spitzen sich zu. Die 2. Episode ist das Highlight der 3. Staffel und bietet eine brutalere, archaische Version des Murmelspiels, die endlich wieder das damalige Gefühl aufleben lässt. Die großen Emotionen gelingen aufgrund der sorgsam gespielten Drama-Klaviatur, großen Konsequenzen und den klassisch funktionierten Beziehungskonstrukten, viele der Figuren sind leider kaum mehr als Klischees. Die zunehmende Brutalität der Spiele bedeutet eine stimmige Entwicklung für die Serie, auf der Metaebene und auch innerhalb der Welt von Squid Game. Ob es den Kunstgriff des CGI-Babys und die größere Screentime für die langweiligen VIPs so braucht, steht auf einem anderen Blatt. Genauso entwickelt sich die Handlung sehr klassisch und in ihrer Gänze vorhersehbar, auch wenn einige kleinere Wendungen die Geschichte interessant halten. Natürlich wirkt das Geschehen im Verlauf immer konstruierter und etwas hingebogen, was in einem Ende mündet, dass viele enttäuscht zurücklassen wird. Ich empfand es hingegen als äußerst stimmig, vor allem in Anbetracht der Metaebene.
Denn generell ist für mich die Metaebene von Staffel 2 und 3 besser gelungen als der Inhalt allein. Ein Hauptcharakter, der das System von innen umstürzen möchte, zur Rebellion aufruft, desillusioniert zurückkehrt, sich durchschleift in Verbindung mit diesem bitterbösen Ende, lässt mich großen Respekt vor Hwang Dong-hyuk entwickeln. Es wäre ein Leichtes gewesen der Zuschauerschaft einfach mehr Squid Game Staffel 1 zu bieten: Kreative Spiele, große Schicksale, emotionales Drama, Gewalt. Dies hätte man noch einige Staffeln mit stets neuem Cast durchziehen können, die bestbewerteten Folgen der Staffeln zeigen, dass genau diese Melange bei der Masse an Zuschauern am besten ankommt. Doch stattdessen entschied er sich für einen kolossal anderen Weg der Rebellion und der Resignation. Auf der Metaebene gewinnt eben Netflix und das verdeutlicht auch dieses Ende.
Spoilerpart: Meine Interpretation von Staffel 3 und wie geht es für die Serie weiter?
Ich möchte das Ende und was daraus folgen könnte, sowie meine Theorien zur Metaebene noch etwas genauer ausführen, dafür muss ich allerdings leider spoilern. Zunächst zu meiner Theorie: Man konnte zwischen und innerhalb der Zeilen herauslesen, dass Schöpfer Hwang Dong-hyuk nach Staffel 1 mit dem Thema „Squid Game” eigentlich abschließen wollte. Doch der Riesenerfolg der Serie führte erst zur sehr seltsamen Reality Squid Game Show, die genau das machte, was „Squid Game” selbst doch eben kritisiert (minus das Leute umbringen natürlich), und dazu, dass Netflix die Serie zwingend fortsetzen wollte.
Doch statt den eben bereits skizzierten leichten Weg zu gehen, ging er einen schwereren, allerdings nicht ohne Zugeständnisse zu machen. Es wurden 3 Staffeln, obwohl es 2 getan hätten, Gi-hun kehrt ins Spiel zurück, obwohl das nach dem Ende von Staffel 1 nicht so richtig Sinn ergibt, die Handlung kehrt zurück ins Squid Game Spiel, damit wir wieder die Spiele-Highlights bekommen. Doch an einigen Stellen biegt er anders ab. Es gibt zwar noch die klassischen Spiele (Red Light-Green Light, 5 in 1, Verstecken), aber eigentlich geht es in Staffel 2 und 3 vornehmlich um eines: Töten. Direkter, fieser, näher als zuvor. Es ist der vorgehaltene Spiegel: Am Ende wollt ihr doch nur sehen, wie sich Leute gegenseitig umbringen. Gute Charaktere sind euch egal, auch wie logisch oder konstruiert das ist, ihr wollt Brot und Spiele, wie in Rom. Das bekommen wir auch, aber darüber hinaus durch Gi-hun noch viel mehr. Denn er versucht das System zunächst von außen zu zerstören, sich dem Squid Game zu entziehen, weil das nicht gelingt muss er doch von innen attackieren, dann ruft er zur Rebellion auf, nur um zu scheitern und am Ende das menschlich korrekte Opfer zu bringen und sich selbst aus dem Spiel zu nehmen. Doch die Bösen gewinnen, niemand wird zur Rechenschaft gezogen und das Squid Game geht fröhlich weiter. Ist das eine Parallele zwischen Squid Game Schöpfer und Hauptcharakter? Waren Staffel 2 und 3 gewissermaßen eine Rebellion gegen – und letztlich die Resignation vor – Netflix? Vielleicht überinterpretiere ich das, für mich ist es die beste Lesart um mit allem nach Staffel 1 noch richtig Spaß zu haben.
Aber Moment: „Squid Game” wird fortgesetzt? Offensichtlich, wie sich beim fantastischen Cameo am Ende zeigt. Das Spiel geht weiter, die Macher wurden nicht aufgehalten, sondern expandieren sogar. Angeblich soll es in Zukunft ein US-amerikanisches Spin-Off geben, bei dem sogar David Fincher Regie führen soll. Das deutete Hwang Dong-hyuk erst kürzlich an, angekündigt hat Netflix direkt nach dem Ende von Staffel 3 allerdings noch nichts. Der originale Schöpfer wird allerdings nichts mehr damit zu tun haben, er hat den Staffelstab nun übergeben und kann die Welt endlich hinter sich lassen. Allerdings nicht ohne ein kreatives, interessantes Gesamtwerk abgeliefert zu haben, das für mich vor allem auf der Metaebene funktioniert. Ob diese Interpretation zutrifft? Für mich schon, mal sehen, ob und wann es die US-Version geben wird und wer neben Cate Blanchett darin mitspielen wird.



