„Senna” ist die mit Abstand größte und teuerste brasilianische Netflix-Produktion (Stand 2025) über die brasilianische Motorsport-Legende Ayrton Senna, die einen Spagat zwischen Sennas Privatleben und seiner Karriere von Go-Karts über Formel Ford und Co. bis in die Formel 1, zum Weltmeister und hin zum tragischen Tod 1994, schaffen möchte.
Das gelingt so halb gut. Der Aufwand für die Serie ist wirklich beeindruckend. Es gibt riesige Sets, es wurde tatsächlich auf Rennstrecken gedreht (die dann per CGI zu Monaco, Suzuka, Imola und Co. bearbeitet werden), viele Statisten wurden verpflichtet und die Nachbildung der damaligen Rennautos, die von Stuntleuten gefahren werden, ist ebenso sehr gelungen. In Sachen Details und klassischer Racing-Action ist die Serie hoch anzusiedeln. Natürlich behilft man sich mit vielen Nahaufnahmen der Gesichter, von kuppelnden Füßen und Händen am Lenkrad, damit man nicht so unfassbar viel am Computer generieren muss, aber das passt zu Rennfilmen. Dazu werden die neuen Aufnahmen durchaus gekonnt mit den Originalaufnahmen der Zeit vermischt. Denn sehr viel von der F1 Geschichte ist natürlich damals im TV ausgestrahlt worden und somit schaut immer irgendwo jemand Formel 1 auf einen Röhrenfernseher, um für eine gewisse Übersicht und Authentizität zu sorgen. Trotzdem sieht man manchmal, dass die Rennstrecken nicht dort sind, wo sie behaupten (nicht in Great Britain) und in der Formel Ford wird gefühlt in der Serie nur auf der einen Rennstrecke gefahren. Aber egal, mit fortschreitender Dauer, vor allem in der Formel 1, wird der Aufwand viel größer. Fazit der Rennaction: Das ist (fast) alles wirklich cool und das Faustpfand der Serie.
Doch die Serie hat leider auch Probleme. Zunächst fällt auf, dass es keinerlei künstlerische Distanz zur Figur Senna gibt. Er wird mehrfach symbolisch heiliggesprochen, man merkt, dass hier Fans ihr Idol verfilmt haben. Ständig wird er (und damit das brasilianische Volk) von irgendwem benachteiligt (was zum Teil sicher auch korrekt ist), aber es wird sich keine Zeit für die Gegenseite genommen. Stattdessen spielt die Serie vollkommen in die Legendenbildung hinein und lässt jegliche Objektivität oder Einordnung vermissen. Dazu hat man sich im Liebesleben ein paar Freiheiten genommen und verbringt viel Zeit außerhalb der Strecke (weil auf der Strecke natürlich viel teurer ist), was eher mäßig spannend ist und häufiger in den Telenovela Bereich abgleitet.
Wirklich greifbarer und weniger göttlich wird die Figur des Senna durch die private Charakterisierung kaum. Dabei helfen auch die Überdramatisierung und „reaction shots“ (Großaufnahme von Gesichtern, wie sie eine Reaktion „overacten”) in einigen schwächeren Dialogen nicht. Zudem fühlt sich die Serie arg sequenziert an, es wirkt mehr wie eine Abfolge von Szenen als eine zusammenhängende Geschichte. Zunächst das Rennen, danach wieder Privatleben, dann wieder die recht ungelenke Figur der fiktiven Journalistin (gespielt von Kaya Scodelario), dann wieder eine ganze Saison, danach das Heimrennen, dann bisschen Zoff außerhalb der Strecke mit X (meistens Prost oder der FIA), danach wieder Liebesgeschichte und dann wiederholt sich der ganze Spaß. Es sind ähnliche Versatzstücke, die sich in vorgegebenen Mustern immer wieder repetieren. Das gute Darstellerensemble (Gabriel Leone als Senna passt) hilft allerdings hierbei, die Schauspieler machen es gut und versuchen ihre echten Vorbilder passend darzustellen.
Was letztlich bleibt, ist eine Helden-Serie mit einer großartigen Dramaturgie, denn die Realität schreibt in diesem Fall die besten und schlimmsten Geschichten. Das verrückte Breakout Rennen in Monaco, die irre Rivalität mit Prost, die 1989 und 90 jeweils in Crashs ihr Ende fand, das tragische Imola-Wochenende 1994. Das sind einige der bedeutendsten Momente der Formel 1 Geschichte. Letztlich verhilft die Realität der Serie deswegen zu einer gelungenen Underdog-Story mit tragischem Ende und macht sie gemeinsam mit den starken Rennszenen und dem detailverliebten Nachbilden der Rennstrecken per CGI sehenswert. Die fantastische Senna Doku hat bei der Charakterisierung von Mensch und Rennfahrer aber einen besseren Job erledigt.



