Quicksand – Starker und schmerzhafter Psychothriller im Schulmilieu. Review Miniserie

„Quicksand” basiert auf einem gleichnamigen Roman von 2016 und war die erste schwedische Netflix-Serie. Zunächst muss ich leider den absurden deutschen Untertitel besprechen, denn „Im Traum kannst du nicht lügen” stellt mich vor die Frage, ob ich die Serie nicht verstanden habe oder die Untertitler nicht. Statt zu träumen, widmet sich die Handlung nämlich bitter ernsten Themen: Sie startet mit einem Amoklauf an einer Schule und schreckt dabei nicht vor Gewaltszenen zurück.

Interessanterweise sanken die Zuschauer-Bewertungen im Laufe der Zeit seit der Veröffentlichung im Jahr 2019 immer weiter herab, bei der Bewertung dieser Serie liegen IMDb und ich mittlerweile überraschend weit auseinander, dass ich eine Serie deutlich besser als die breite Masse der Online-Rating-Websites bewerte, ist ungewöhnlich und sonst nur noch bei „Sharp Objects” und „Mr.Robot„der Fall. Vor allem die Pilotfolge dieser nur 6-teiligen Miniserie ist ungewöhnlich schlecht bewertet, für mich ist sie vielleicht sogar das schmerzhafte Highlight der ganzen Serie. Ich vermute, dass dies ein Abwehrmechanismus bei vielen Menschen ist, die das Thema eines Schulamoklaufs nicht sehen wollen und schon gar nicht aus der Sicht der (mutmaßlichen) Täterin, aus deren Perspektive in der Folge auch noch die ganze Handlung erzählt wird. Für mich funktionierte die dynamische, eindringliche, schmerzhafte, blutige und absolut grausame erste Folge sehr gut, darüber hinaus ist auch die Erzählperspektive aus der Sicht der derangierten Maya (Hanna Ardéhn, sehr gut) ein Faustpfand dieser ungewöhnlichen und fiesen Miniserie.

Die Miniserie spielt in der Stockholmer Oberschicht, die beteiligten Schüler sind etwa 18 Jahre alt. Nach diesem verstörenden Beginn wird Maya zunächst in Haft genommen, weil sie die einzige Überlebende des Schulmassakers und damit automatisch auch die Hauptverdächtige ist. Ihr Freund Sebastian (Felix Sandman, fies) ist ebenfalls unter den Toten, der Verdacht kommt auf, dass er zumindest ein Mittäter gewesen sein könnte. Daraufhin wird auf zwei Zeitebenen Mayas Geschichte einmal direkt nach dem Anschlag und einmal beginnend bei ihrer Beziehung zu Sebastian, einem wohlhabenden Widerling, erzählt. In den Rückblenden entspinnt sich ein Beziehungs- und Abhängigkeitsnetz der Jugendlichen untereinander, das viele eine toxische Beziehung nennen würden. Maya kommt in Kontakt mit Drogen, entfremdet sich von ihren bisherigen Freunden und ihrer Familie und bemerkt, dass Sebastian Gewaltfantasien hegt. Der Teil über die schwierige Beziehung der beiden ist weder unbedingt neu oder besonders überraschend, aber er ist dennoch sorgsam beobachtet und detailliert dargestellt. Manchmal versteht man Mayas Handlungen nicht wirklich, aber das ist in einem solchen Verhältnis leider überhaupt nicht ungewöhnlich oder unrealistisch.

In der Gegenwart fokussiert sich die Handlung weniger auf die Frage, ob Maya die Täterin war, sondern warum, wie es dazu kommen konnte, da ihre Fingerabdrücke auch auf einer Tatwaffe gefunden wurden. Früh gesteht sie in einer Vernehmung, nimmt dies allerdings später wieder zurück. Der Handlungsstrang der Gegenwart durchläuft die klassischen Stationen mit unangenehmem Polizeiverhör, Ideen und Vorurteile der Anwälte und Zeiten der Isolation, um dann in einer international groß beachteten Gerichtsverhandlung zu münden. Im Verlauf beider Handlungsstränge wird auch Mayas Verbindung zu Familie und Freunden häufiger thematisiert. Besonders ist dabei stets, dass aus der Perspektive der mutmaßlichen Täterin erzählt wird, was die ungewöhnliche Geschichte interessant und frisch wirken lässt sowie der Handlung ihre Psychothriller-Elemente verleiht. 

Ich hatte am Ende nochmal auf einen großen Twist und Knalleffekt gehofft, aber letztlich muss ich zugeben, dass das gewählte Ende sicherlich stringenter und sinnvoller ist, als es „mein Ende” gewesen wäre. Der gewählte Abschluss ist im Sinne der zuvor erzählten Beziehungsgeschichte vernünftig und gelungen, er regt zum Nachdenken an. Insgesamt umfasst die Miniserie nur 6 Episoden à 50 Minuten und bietet erzählerisch dabei keine oder nur minimale Längen, vor allem der Beginn und die letzten 2 Folgen sind spannend.

„Quicksand” ist eine fein konzipierte und gut produzierte Serie mit starken Darstellern, die ein schmerzhaftes, fieses Thema gut und ungewöhnlich darstellt. Mich konnte die Serie sofort mit ihrem Anfang überzeugen und ihren Bann ziehen, bei vielen anderen Zuschauern gelingt dies allerdings nicht. Deswegen würde ich empfehlen, die erste Folge zu schauen und danach zu entscheiden, ob man mehr von dieser etwas sperrigen Serie mit schwierigen Charakteren und Themen sehen möchte.

82/100
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