„Pluto” hat mich umgehauen, gerade mit seiner ersten und 6. Folge. Basierend auf einem bekannten und beliebten Manga brachte Netflix 2023 die Action-Drama-Anime-Miniserie, eine Geschichte im Spannungsfeld der Roboter-Mensch Beziehung in einer dystopischen Zukunft und vor einer riesigen Bedrohung, zum ersten Mal auf die Leinwand – und das ist ein klarer Gewinn für den Serienmarkt. „Pluto” ist leider noch ein kleiner Geheimtipp, der zum Nachdenken anregt und viele großartige Charaktere bietet.
Interessant ist, dass die Hauptgeschichte im Zeitalter von KI sehr aktuell wirkt, obwohl die direkte Vorlage zwischen 2003 und 2009 veröffentlicht wurde und sogar einige Handlungsstränge auf der Mangaserie „Astro Boy” von 1952-1968 basieren. In den 8 rund einstündigen Episoden der Anime-Miniserie wird eine interessante, spannende, globale und dystopische Welt erschaffen, die in der Schweiz beginnt, in Deutschland, Amsterdam und Istanbul ausgefeilt wird, aber auch im Iran und Japan einen Großteil seiner Handlung verbringt. „Pluto” bietet eine faszinierende, fesselnde Mischung aus Drama, Krimi, Mystery, Action und Sci-Fi-Dystopie, das Worldbuilding ist hochinteressant und gelungen. Die Roboter leben in der Zukunft im Einklang mit den Menschen, sie halten sich natürlich an die Roboter-Gesetze (u.A. keine Menschen töten), gleichen sich Menschen mehr an und werden fortschrittlicher. Die Serie nimmt sich viel Zeit, um die Roboter, deren Emotionen und ihre Gedanken darzustellen und sie dadurch zu vermenschlichen. Was genau die Handlung ist, ist zu Beginn noch schwer zu greifen, weil „Pluto“ eine vielschichtige Geschichte erzählt, die immer wieder Wendungen nimmt. Aber ich versuche es:
Die 7 hochentwickeltsten Roboter der Welt sind offenbar Ziel einer Mordserie. Ihren „Leichen“ werden „Hörner“ verpasst, was für einen Serienkiller spricht. Einer der Superroboter, der Europol-Ermittler „Gesicht“ aus Düsseldorf, nimmt sich der Ermittlungen an. Diese führen ihn in seine eigene „verdrängte“ Vergangenheit, aber auch in den letzten riesigen globalen Konflikt, der Ausgangspunkt für die aktuelle Serienmörder-Geschichte sein könnte. Der sehr häufig erwähnte 39. Zentralasiatische Krieg/Konflikt vermutete Massenvernichtungswaffen im Iran, auch wenn das letztlich nicht verifiziert werden konnte, griffen die „United States of Thracia“ (ganz offensichtlich die USA, Colin Powell lässt grüßen) den Iran an. Dabei kämpften viele der 7 Superroboter auf der „westlichen“ Seite mit und zerstörten (oder ermordeten) unzählige Roboterarmeen, was für einige eine psychische Belastung bedeutet. Der iranische Wissenschaftler Dr.Abdullah verlor in diesem Konflikt seine ganze Familie und es scheint, als würde er auf Rache sinnen. In den damaligen Friedensverhandlungen spielte der kleine und überaus intelligente Roboterjunge „Atom” eine große Rolle, der nun ebenfalls auf der Todesliste steht. Steckt hinter der Mordserie vielleicht sogar ein Roboter? Das alles und noch viel mehr wird nach und nach erzählt, während die Geschichte immer größer und epischer wird.
Die erste sehr ruhige und sehr gute Folge baut ein hervorragendes, spannendes Fundament für diese Serie, bei der man sich überrascht zeigt, wie wenig „Plot Armor“ einige der Figuren haben. Die 2. Hälfte der 1. Folge dürfte für manche etwas langweilig sein, aber sie ist nötig, um die Roboter vernünftig zu charakterisieren und die Annäherung zwischen Mensch und Maschine zu zeigen. Ab Folge 2 nehmen die Ermittlungen des bemerkenswerten „Gesicht“ langsam Fahrt auf, in einer KKK-ähnlichen Deutschland Thematik kulminiert dieser Handlungsstrang in der Mitte der Miniserie. Danach wird es wahnsinnig und global. Weltumspannend und möglicherweise weltvernichtend wird langsam das gesamte Ausmaß, die Vergangenheit und die Tragweite der damaligen Geschehnisse deutlich. Einige werden der Serie die wunderbare 6. Folge nicht ganz verzeihen, der Handlungsverlauf ist krass und konsequent, aber ultimativ innerhalb der Welt sehr sinnvoll.
Ich empfinde „Pluto” als sehr gelungen. Der visuelle Stil der Serie ist hübsch, gerade die Roboter sind großartig gestaltet. Darüber hinaus beweist die Inszenierung, dass sie sowohl starke Actionmomente, als auch ruhigere, emotionale Momente und Tiefgang beherrscht. Darüber hinaus bespielt „Pluto” gekonnt Teile meiner Lieblingsthemen. Ich mag ein differenziertes, gelungenes Worldbuilding in einer Dystopie mit Gegenwarts-Bezügen und Metaphern für unsere Welt, ich finde denkende Roboter und deren Beziehung zu Menschen spannend – vor allem wenn man die klassischen Robotergesetzen weiterdenkt – und ich bin ein Fan von apokalyptischem, facettenreichen Drama. Im Verlauf der Episoden fielen mir ein paar kleine Makel auf, die Serie erzählt nicht immer temporeich, dafür aber meist eindringlich und einfühlsam. Darüber hinaus muss man stets mitdenken bei der ganzen Fülle von Figuren, deren Motiven und ihrem Platz als Zahnrad in der weltumspannenden Handlung.
Letztlich ist „Pluto” sehr empfehlenswert. Sowohl in den Actionsequenzen, als auch noch mehr in den nachdenklichen, emotionalen Drama-Momenten und vor allem durch seine großartige dystopische Welt kann die Miniserie glänzen. Wenn man sich darauf einlässt, ist „Pluto” auch ein guter Einsteigeranime für Erwachsene, der die Sci-Fi-Roboter Story gekonnt mit KI, Krieg und vielen anderen heute relevanten Thematiken verbindet. Zum Abschluss bleibt mir nur noch zu sagen: RIP Montblanc und schaut diesen Geheimtipp!



