„Pantheon” ist eine US-Animationsserie über Gefahren und Verbindungen von Mensch und Computern, die immer größer und größer wird und am Ende seiner 2 Staffel à 8 Episoden ein erinnerungswürdiges Ende bietet. Dabei spielt die Serie erheblich mit Realitätsbezügen, wie beispielsweise mit einer von Steve Jobs inspirierten Figur, sie dreht allerdings nach dem relativ klassischen Beginn spätestens in einer kreativen und fantasievollen 2. Staffel völlig ab – allerdings im positiven Sinne, die Fesseln werden gelöst.
Überraschenderweise fokussiert sich die Serie, die von 2022-2023 leider nicht besonders erfolgreich lief, nicht auf das heutzutage allgegenwärtige Thema der KI, sondern geht noch einen Schritt weiter (oder in eine andere Richtung), denn die UI steht im Vordergrund. „UI” steht für „Uploaded Intelligence” (vergleichbar mit „Transcendence“, der aber deutlich schlechter ist). Hierbei werden die Gehirne von extrem schlauen Wissenschaftlern vor dem Tod komplett gescannt und dann in eine Cloud hochgeladen, damit sie dort weiterarbeiten und für ihr Unternehmen weiterhin wertvoll sein können. Oder auch aus anderen Gründen? Jedenfalls werden diese Uploads vor der breiten Öffentlichkeit geheim gehalten. Die Haupthandlung setzt mit der 14-jährigen Hauptfigur Maddie ein, die eines Tages von Emoji-Nachrichten auf ihrem Computer überrascht wird… schnell stellt sich heraus, dass eigentlich nur ihr Vater diese Nachrichten schreiben könnte, doch ist er nicht eigentlich vor zwei Jahren verstorben? Gleichzeitig fokussiert sich die Haupthandlung auch auf den 17-jährigen Kaspian, ein Computergenie, der in Kontakt mit Maddie gelangt, und scheinbar ein schweres Familienleben hat. Die visionäre Tech-Firma Logorythms soll eine große Rolle im Leben der beiden und vieler weiterer Menschen spielen.
„Pantheon” ist im Tech-Sektor angesiedelt und wirkt unserer Gegenwart nicht ganz unähnlich, sie ist vielleicht etwas weiterentwickelt. Dementsprechend ist häufig die Rede von VR, AR, Steve Jobs, Online-Rollenspielen und viel digitaler Infrastruktur. Obwohl viele Buzzwords verwendet werden, wirkt Pantheon frisch und erzählt andere, absurde Geschichten in diesem Tech-Universum. Gerade die Story um Kasbian ist sehr grotesk, aber auch stimmig und passend. Grundsätzlich ist „Pantheon” eher nichts für Kindern, sondern eine erwachsene, gute Animationsserie mit dem übergeordneten UI (schon irgendwie KI)-Thema, die essentielle Fragen stellt: Wer lebt, was lebt, wer ist welchen Gesetzen unterworfen, wie viel Zweck heiligt eigentlich die Mittel und wollen wir das als Menschheit überhaupt? Denn wem hilft dieser Fortschritt eigentlich und welchen Preis muss die Gesellschaft dafür bezahlen?
Letztlich stellt die Serie recht klassische, aber heutzutage weiterhin aktuelle und spannende Fragen. Weil große Actionsequenzen und Übernatürliches anfangs fehlen, hatte ich zunächst auch das Gefühl, dass die Geschichte genauso als Realserie funktionieren könnte. Doch das verändert sich etwa ab der Mitte der 1. Staffel, weil die Handlung weltumspannender und unübersichtlicher wird – und dann hat die Serie eben den Animations-Vorteil. Beispielsweise kann eine Figur problemlos 2D sein, man kann wild durch die Server und die verschiedenen Hintergründe reisen, Figuren können stets anders aussehen, kurzum: Man hat alle Freiheiten. Diese werden auch gut und häufig genutzt, was sich gerade in der völlig abgedrehten Staffel 2 zeigt.
Staffel 1 hat einen vernünftigen Start, das Worldbuilding, sowie die Exposition der Charaktere gelingen. Der Beginn mit größerer Mystery bzw. „Was passiert hier Komponente” ist gut umgesetzt, gen Ende der 1. Staffel geht vieles drunter und drüber, die Actionschraube wird angezogen. Das ist meist durchaus nachvollziehbar, aber es ist schon verrückt, was alles passiert. Man muss das Geschehen aufmerksam verfolgen und auch bereit dazu sein, die ein oder andere Frage nicht zu stellen, sondern einfach weiter involviert zu bleiben. Staffel 1 erreicht für mich mit den Auflösungen in der Mitte ihren Höhepunkt und wird danach sehr groß, ziemlich göttlich und etwas durcheinander. Das offene Ende wird in Staffel 2 zu einem gebührenden Abschluss gebracht.
In Staffel 2 trifft „Dragon Ball Z” auf „2001 – Odyssee im Weltraum” mit etwas „Terminator”. Damit habe ich nur 3 Einflüsse unter unzählig vielen herausgehoben, um die Absurdität zu unterstreichen. Denn während Dragon Ball-eske Kämpfe die Mitte der 2. Staffel dominieren, regiert in den letzten beiden Folgen der Wahnwitz. Hier wurde der Absurditätsknopf nicht einmal, sondern 17000 mal gedrückt, eine Erzähldichte und ein Erzähltempo, die man gar nicht mehr so von Serien kennt, wird an den Tag gelegt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Serie ursprünglich auf 3 Staffeln angelegt war, was aber nicht funktionierte, sodass man den letzten riesigen Teil der Geschichte in komprimierte knapp 90 Minuten packen musste. Viele der vorherigen Handlungsstränge werden gekonnt verwoben, wobei man sich schon auf das Gezeigte einlassen muss und nicht an jeder Stelle den absoluten Logik-Detektiv spielen sollte. Denn am Ende ergibt viel nur wirklich Sinn innerhalb der eigenen Logik der Serie, die man akzeptieren muss. Die 2. Staffel hebt die Serie auf eine ganz neue Stufe, weil sie viel abstrakter und mutiger wird. Das gelingt nicht nur qualitativ, sondern vor allem inhaltlich, was ich allerdings nicht weiter ausführen möchte.
Insgesamt ist „Pantheon” ein wahrer Geheimtipp, den leider viel zu wenig Leute kennen. Man muss sich allerdings auch auf diese verrückte Welt, die sich im Handlungsverlauf immer weiter von unserer Realität entfernt, einlassen. Doch dann erhält man eine spannende Serie, die immer weiter eskaliert. Pantheon eignet sich aufgrund seines bodenständigen Beginns hervorragend als Einstiegsserie für Erwachsene, die bisher keine große Anime oder Animations-Erfahrung haben und sich gerne das Hirn verdrehen lassen.



