„Oderbruch” ist im Kern ein Genrefilm. Zunächst begraben unter viel Krimi, ordentlich Mystery und einiges an Familiendrama, aufgeteilt auf verschiedene Zeitebenen. Das Problem ist: Wie macht man Leute darauf aufmerksam, wohin die Reise geht, ohne zu hart zu spoilern? Sehr schwierig, mein Versuch: Es wird etwas übernatürlich und bewegt sich leicht in den Horrorbereich.
„Oderbruch” ist mutig. Alles ist düster in Krewlow, einem Dorf mit unter 100 Einwohnern an der deutsch-polnischen Grenze und es wird noch schlimmer, als eines Nachts ein riesiger Leichenberg auf einem Feld gefunden wird. Für die Polizei ein großer Fall, der mit der Vergangenheit verwoben zu sein scheint. Deswegen ermitteln Maggie (Karoline Schuch), ehemalige Polizeianwärterin, die bei der Flut 1997 ihren Bruder verlor, und Roland (Felix Kramer), aktueller Polizist, der ursprünglich aus dem Dorf stammt und Bindeglied sein soll, gemeinsam in diesem komplizierten Fall. Aus Polen kommt als Hauptkommissar Stanislaw (Lucas Gregorowicz) dazu. Das zusammengewürfelte Zweck-Team sammelt Hinweise, es bleibt vieles im Dunkeln, Mystery und Spannung werden aufgebaut, es wird wenig geklärt und miteinander gesprochen, aber die Fährte zum 1. großen Twist wird doch schon früh gelegt. Ob diese Wendung gefällt, ist eine persönliche Frage der Präferenzen. Ich hätte darauf durchaus verzichten können, fand es aber schön, dass er so früh kommt und man danach noch genügend Zeit hat darauf aufzubauen.
Kritikpunkte sind folgende: Etwas zu wirrer Beginn, teilweise undeutliche Aussprache/schwacher Ton, ein paar Anschlussmäkelchen (Sonne, keine Sonne, Lichtstimmung der Szenen), zu große Vorhersehbarkeit. Vieles funktioniert über Twists, die werden aber zu deutlich angekündigt (beispielsweise hätte es für mich die große Nebenhandlung der „Privatschule” in Polen nicht in diesem Ausmaße gebraucht, weil es viel spoilert). Zu viel Foreshadowing: Charaktere haben noch ihre letzte, bedeutungsschwangere Nachricht vor einem tragischen Ereignis, es werden bewusst große Dinge verschwiegen (alle Zuseher verstehen bereits, nur die Charaktere können entweder 1 & 1 nicht zusammenzählen – oder sie haben weniger Infos als wir). Das nimmt zu viel vorweg, so dass die eigentlich schönen Twists etwas entwertet werden. Positiv ist hingegen auch vieles: Durchweg gute Atmosphäre, überwiegend gute Darstellerleistungen (Julius Gause), starkes Pacing, lässt sich Zeit für Charaktere, teilweise schöne Kamera, gut blutig, twistreich, zielorientiert und „Oderbruch” nimmt sich selbst komplett ernst.
Ich denke, dass viel darauf ankommt, ob man sich auf den großen Twist in der Mitte einlassen kann oder nicht. Das polarisiert. Ich mochte den Kriminal-Mystery-Aspekt lieber, hatte zunächst ein wenig Probleme in diese neue Realität hineinzufinden, war aber am Ende gut gefangen in den letzten beiden Episoden, die die Handlung zu einem gelungenen Ende führen.
Letztlich habe ich „Oderbruch” doch gerne geschaut, weil es zwar klassisch mit Krimi & Familiendrama beginnt, dann aber mutiger Genrefilm wird. Dass es sowas gibt, darf und sollte man honorieren, auch wenn es meinen Geschmack nicht komplett getroffen hat. Die imdb und Google Bewertungen sind sicherlich zu negativ, für „Oderbruch” gibt es durchaus einen Tipp für die Nische.



