Karma – Solider koreanischer Twist- und Rachethriller. Review 1. Staffel

„Karma” ist eine koreanische, sehr konstruierte und teilweise wirre Drama-Thriller-Miniserie, die das allseits beliebte Korea-Thema der Rache mit dem häufig verwandten titelgebenden Karma verbindet. Anders als in „The Glory” mit dem ausgefeilten, ungewöhnlichen Racheplan, ist „Karma” direkter und klassischer.

Ein junger Mann hat Schulden bei einem Kredithai, dieser gibt ihm 30 Tage die Schulden zu begleichen, sonst wird er ermordet und seine Organe in den illegalen Handel verkauft. Um dies zu verhindern, sieht er nur noch eine Möglichkeit. Sein Vater muss bei einem Unfall sterben, da auf ihn eine Lebensversicherung abgeschlossen wurde. Somit heuert er einen Auftragskiller an. Dies ist nur der Aufgalopp für eine absurde Verkettung von diversen Aktionen. In Folge 2 geht es um einen Autounfall anderer Natur, danach um Erpressung und Mord, irgendwann werden noch ein Brand und eine rachesuchende Ärztin zum Hauptthema.

„Karma” ist ein „High Concept“-Thriller mit Slapstick-Momenten, in dem Kommissar Zufall das ein oder andere Mal die Würfel rollen lässt, und vor allem schlechte Menschen für böse Taten bestraft werden. Vom Schicksal oder anderen (bösen) Personen. Das geschieht durchaus blutig und brutal, Triggerwarnungen für Blut und Vergewaltigungen sind angebracht. Doch dieses komplexe Geflecht der Figurenkonstellationen ist das Hauptmerkmal der Serie, die den Zuschauer bewusst lange im Dunkeln tappen lässt, statt schon früher Verbindungen zu etablieren. Insofern irrt man als Zuseher durch die ersten beiden Folgen und muss sich sogar anfangs die Frage stellen: Werden hier etwa Folge für Folge neue Charaktere eingeführt, ohne dass die Geschichte zusammenhängt? Nein, am Ende ergibt tatsächlich alles einen Sinn und jeder Charakter hat (über Umwege) mit jedem zu tun.

Die Produktion und die Darsteller sind gut, die Comedymomente wirken meist etwas überzeichnet, allerdings wird die Handlung mit fortschreitender Dauer seriöser, ernster und auch blutiger. Ich konnte diesem Genremix aus sehr konstruiertem Twist- und Rachethriller und einer gewissen Comedy, Krimi und Drama etwas abgewinnen. Die erste Folge bietet allerdings leider keinen leichten Einstieg, weil sie zunächst lange auf der Stelle tritt und das Hauptthema der Serie zu spät etabliert wird.

Zudem ist die Machart Fluch und Segen zugleich, weil man sich als Zuschauer an der Nase herumgeführt fühlt. Ständig gibt es harte Schnitte zu komplett anderen Personen, die man noch gar nicht kennt, deren Verbindungen und Relevanz man zunächst nicht verstehen kann. Naturgemäß wird das mit der Zeit besser, aber dennoch frage ich mich beispielsweise, warum Brillenboy so viel Screentime hatte. Die Erzählweise, den Zuseher erstmal in eine Situation zu werfen, die er nicht zuordnen kann und dies dann per Rückblenden-Erzählungen der Vergangenheit aufzuklären, wirkt manchmal etwas ungelenk. Leider bin ich auch kein Fan davon, dieselbe Szene mehrfach in unterschiedlichen Folgen komplett auszuspielen. Diese nur einmal kurz zu zeigen, oder aus anderen Blickwinkeln, wirkt immer wertiger.

Mit starken Vorbildern aus dem (Twist-)Thrillergenre hat „Karma” das Herz am rechten Fleck, obwohl die Höhen der Genre-Größen nicht erreicht werden. Dafür sind die Twists nicht stark genug, das Ende nicht fies und innerhalb der eigenen Logik nicht konsequent genug. Dennoch ist „Karma” eine sehenswerte Serie, die nicht viele gesehen haben werden, auch weil es zum großen Wurf nicht reicht.

78/100
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