House of Cards – Intrigen und Skandale in Washington. Review ganze Serie

„House of Cards” war der absolute Netflix-Klassiker und das einstige Netflix Prestigeprojekt im Jahre 2013, die ursprüngliche Vorzeigeserie. Doch dieses Bild hat sich durch die (vorsichtig ausgedrückt) schwierige Person Kevin Spacey und die Anschuldigungen gegen ihn, sowie durch eine grottenschlechte abschließende 6. Staffel gewendet. Heutzutage spricht fast niemand mehr von der Politdramaserie. Zurecht?

Das ist eine sehr schwierige Frage, die ich nicht vollends beantworten kann. Denn als die ersten Vorwürfe gegen Kevin Spacey im Oktober 2017 laut wurden, waren die ersten 4 Staffeln von „House of Cards” bereits lange veröffentlicht – ich hatte sie schon gesehen – und Staffel 5 stand in den Startlöchern. Insofern habe ich die ersten Staffeln „unbeschwert” schauen können. Inwiefern man die Kunst vom Künstler trennen kann, ist eine vieldiskutierte Frage, die letztlich jeder für sich selbst beantworten muss. Genauso die Frage, wem man glaubt und wie man die Gerichtsurteile bewertet, die Spacey freisprachen. Das führt mich zum Disclaimer: Wer sich nicht mehr vorstellen kann, eine Serie mit Kevin Spacey in der Hauptrolle zu schauen, der dabei auch ständig die vierte Wand bricht und direkt mit der Zuschauerschaft redet, der sollte um „House of Cards” einen großen Bogen machen. Ich versuche mich auf den Inhalt zu konzentrieren.

Der Politthriller mit zahlreichen Dramaelementen stellt den intriganten und machthungrigen Abgeordneten Francis Underwood (Spacey) und seine nicht minder machtbesessene Ehefrau Claire (Robin Wright) in den politischen Machtpositionen Washingtons in den Vordergrund und bildet dabei die amerikanische Politiklandschaft mitsamt der Rolle der Medien gekonnt ab (europäisches Pendant ist „Borgen”). Dabei sind die Hauptthemen der Serie zahlreiche Intrigen, Verrat, Skandale, Korruption, Mord, Machtgier, Loyalitäten, die ganz großen weltpolitischen Fragen und wie weit man bereit ist zu gehen, um seine Ziele zu erreichen.

Zu Beginn der Serie ist Frank Underwood noch ein Fraktionsführer im Kongress, ihm wurde allerdings der prestigeträchtige Job des Außenministers vom neu gewählten demokratischen Präsidenten versprochen. Doch der Posten wird ihm letztlich verwehrt, so dass Frank in den Gegenangriff übergeht und nun – ausschließlich zu seinem persönlichen Vorteil – versucht Rache zu nehmen und selbst an die Macht zu gelangen. Manchmal auch über Umwege. Um seine Ziele zu erreichen und um Personen zu diskreditieren, steckt er in Staffel 1 in Zusammenarbeit mit seinem Stabschef Doug Stamper (Michael Kelly) zahlreiche Informationen an die Reporterin Zoe Barnes (Kate Mara) durch. Inhaltlich möchte ich darüber hinaus nicht zu viel verraten, nur so viel: Francis ist mit seinen Intrigen nicht ganz unerfolgreich und bekleidet im Laufe der Staffeln einige unterschiedliche Machtpositionen in Washington.

„House of Cards” bietet großes Kino. Kevin Spacey ist in der Rolle des unglaublich fiesen, ekelhaften und über Leichen gehenden Arschlochs, der voller Zynismus direkt mit dem Zuschauer spricht, ganz großartig. Robin Wright ist in den vorderen Staffeln ebenfalls sehr stark in ihrer bitterbösen Rolle der Claire. Die Serie ist überragend ausgestattet und produziert, die politische Landschaft wird gut, umfassend und realitätsnah dargestellt. Ein wenig leidet die Serie im Verlauf an Donald Trump, denn einige Szenen, die in „House of Cards” als vollkommen undenkbar und verrückt oder als Tabubrüche dargestellt werden, übertraf Trump in Windeseile, sobald er Präsident wurde. Die Realität übertrumpfte gewissermaßen die Absurdität der Fiktion. Doch aufgrund ihrer großartigen Machart, der spannenden Hauptgeschichte einer jeweiligen Staffel und auch den zahlreichen, interessanten Nebenhandlungssträngen ist „House of Cards” eine sehr gelungene Serie. Einige tolle Schauspieler, wie Rachel Brosnahan, Mahershala Ali, Joel Kinnaman und viele weitere trugen im Verlauf der Staffeln dazu bei, dass das gesamte Darstellerensemble stets überzeugen konnte. Überraschend finde ich, dass die Serie trotz ihrer 13 Episoden pro Staffel (bis auf die letzte Staffel) selten Pacing Probleme hat, vor allem nicht in den ersten beiden fantastischen Staffeln. In Staffel 3-5 gibt es die ein oder andere Durchhänger-Episode, allerdings auch noch sehr viele Highlights. Denn kaum eine Figur kann sich innerhalb der Handlung sicher sein. In ihrer Eigenschaft über Leichen zu gehen, erinnert „House of Cards” dabei auch an „Game of Thrones”. Leider gibt es noch eine weitere Parallele: Das unsägliche Ende. 

Denn Staffel 6 ist ein heilloses Durcheinander, vermutlich ausgelöst durch den Rausschmiss von Kevin Spacey nach Beginn der Dreharbeiten von Staffel 6. Die Handlung enttäuscht auf ganzer Linie, vor allem im Vergleich zu der zuvor guten Logik der vorherigen Staffeln. Das Gebilde wirkt wie eine versuchte Meta-Abrechnung mit Kevin Spacey, in dem Charaktere über seinen Charakter Francis häufig doppeldeutig sprechen. Zum Beispiel: „Hätten wir gewusst, was für ein Mensch er wirklich ist“; „Ich durfte nicht zulassen, dass er unser gemeinsames Vermächtnis zerstört“. Storymäßig werden Themen der 2018 aktuellen Politik wie eine mögliche Amtsenthebung, Sonderermittler oder der Einfluss von reichen Unternehmern behandelt, gesellschaftlich Themen wie die Rolle der Mutter oder der Feminismus. Trotz der guten Darsteller bleibt am Ende ein Haufen, bei dem alle möglichen Zutaten zusammengeschmissen und durch den Mixer gedreht werden, dabei aber nur eine übelriechende und schlecht schmeckende Masse herauskommt. 

Wie bewertet man demnach eine Serie, die in Staffeln 1 und 2 absolut großartig ist, in den Staffeln 3-5 immer noch gut bis manchmal sehr gut ist, deren letzte Staffel aber Quatsch ist? Fernab von allen Fragen rund um Spacey, ist mein inhaltliches Fazit, dass sich die ersten 5 Staffeln lohnen und die letzte Staffel die Serie herunterzieht. Diese habe ich allerdings nicht so stark gewichtet wie die vorherigen Staffeln.

„House of Cards” ist sicherlich eine der besten Politikserien, die es gibt. Wenn man rein inhaltlich darauf blickt, kann die Serie über weite Strecken mit hoher Qualität überzeugen – eben bis auf die letzte Staffel. Deswegen möchte ich sie inhaltlich empfehlen, der Rest ist jedem selbst überlassen.

85/100
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