„Hostage” ist eine mit heißer Nadel gestrickte und arg unrealistische 5-teilige Miniserie, die eine Erpressungsgeschichte mit großen Familiendramen und Terrorismus verknüpft. Die Handlung ist auf der obersten politischen Ebene angesiedelt, der Ehemann der britischen Premierministerin wird entführt und die Terroristen verlangen ihren Rücktritt als „Lösegeld”. Doch auch die französische Präsidentin, die gerade auf Staatsbesuch in Großbritannien ist, nimmt eine wichtige Rolle ein – offenbar weil Erpressung und Familiendrama im Doppelpack mehr Spaß macht…
Mit hohem Tempo bewegt sich „Hostage” durch die Handlung und schafft es dabei durchaus spannend zu erzählen, wenn man denn nicht vorher inhaltlich ausgestiegen ist. Das beginnt leider schon beim Grund für das Gipfeltreffen der britischen Premierministerin (Suranne Jones) und der französischen Präsidentin (Julie Delpy). Ohne politisch inhaltlich in die Tiefe zu gehen, scheint es so, als hätte der NHS große Probleme mit der Medikamentenbeschaffung, diese Medikamente hätte (nur?) Frankreich, sie fordern dafür aber, dass französische Grenzsoldaten auf britischem Staatsgebiet stationiert werden, um gegen die illegale Migration vorzugehen. Die EU wird mit keinem Wort erwähnt, stattdessen entwickeln sich die Verhandlungen der beiden Frauen in Machtpositionen schnell in einen Kuhhandel, als der Ehemann der britischen Premierministerin bei einem Einsatz ohne jegliche Security mit Ärzte ohne Grenzen im extrem gefährlichen Französisch Guyana entführt wird.
Die Löcher im Schweizer Käse der Handlung werden mit fortlaufender Dauer immer größer und nur noch mehr, bis am Ende fast nichts mehr vom Käse übrig ist. Denn auch die französische Präsidentin wird aufgrund eines möglichen Sexskandals erpresst – was wieder erschreckend einfach ist – und stellt das eigene Wohlergehen über das ihres Landes. Doch daraus entwickelt sich noch so viel mehr und schließlich mündet die Handlung in viel Terrorismus auf britischem Staatsgebiet. Ich vermute, dass die große Frage sein soll: Familie oder der Job. Doch wenn man ein Land regiert, sind die Anforderungen und das, was auf dem Spiel steht, natürlich deutlich höher. Durch unfassbar viele und unrealistische Sicherheitslücken – es kann kaum Recherche zu irgendwas aus dem militärischen und Security-Bereich von Staatsoberhäuptern gegeben haben – wird so eine Welt konstruiert, die eher wie eine Parallelwelt zu unserer wirkt als authentisch. Die Politikkulisse muss nur für das sich abspielende Familiendramen herhalten und mischt sie am Ende mit Terrorismus.
Das klingt nun alles sehr negativ, ist die Serie denn auch wirklich mies? Nein, sie versteht ihr Polit- und Verschwörungsthriller Handwerk, schafft es immer wieder Spannung zu erzeugen und actionreich zu erzählen. Auch die zahlreichen Twists sorgen für Tempo, schade ist nur, dass einige davon so deutlich angeteasert werden, dass sie am Ende nicht mehr überraschen können. Die Darsteller sind absolut in Ordnung, wirken nur eben nicht authentisch, weil ihre Charaktere mindestens naiv sind. Die Familienkonstellationen sind manchmal etwas anstrengend, zahlen aber ultimativ vernünftig auf die Frage „Land oder Familie?” ein. Deswegen kann man mit dieser Serie durchaus Spaß haben, wenn man alle möglichen Plotholes und die gesamte unrealistische Note außen vor lässt. Wenn man die Serie als Erpressungs- und Familiendrama betrachtet, die Spannung und Action zu bieten hat und die große Kulisse genießt, dann funktioniert sie durchaus. Das Hirn muss man nur ausschalten und alles vergessen, was man über die Sicherheit von Staatsoberhäuptern, politische Abläufe und das Militär weiß.
Online wird die Serie von der rechten Ecke besonders heruntergeschrieben, weil es zwei Frauen in Machtpositionen gibt, der Ehemann schwarz ist, die französische Präsidentin Angst vor der „extremen Rechten” in ihrem Land als Grund für ihr Handeln hinterlegt und die Flüchtlingsthematik angekratzt wird. Das alles stört nicht, ich finde es immer wieder interessant, dass sich diese Ecke nicht stattdessen an den – in diesem Fall – zuhauf vorhandenen anderen Logiklöchern abarbeitet. Doch so kann man diese ideologischen Kritiken stets schnell entlarven.
Letztlich ist „Hostage” eine Miniserie, die man schnell weggucken und sich von ihrem Tempo und den Twists vielleicht mitreißen lassen kann. Nachdenken darf man darüber aber nicht allzu viel und zu lang.



