Euphoria – Versextes, depressives und drogenverseuchtes Highschool Drama. Review Staffeln 1&2

„Euphoria” ist die vielleicht aufwändigste und sehr hochwertig produzierte Teenager/Highschool Drama-Serie von HBO, die mit teilweise experimenteller Ästhetik und einem ganzen Haufen von filmischer Kreativität eine unvergleichliche, meist depressive Atmosphäre erzeugt. Die empfehlenswerte Serie soll insgesamt 3 Staffeln umfassen, bisher wurden zwei veröffentlicht.

Inhaltlich nimmt „Euphoria” alles, was Coming-of-Age Highschool Serien ausmacht, entfernt fast alle schulischen Komponenten und steigert den Rest um einige Stufen. Sex, Drogenabhängigkeit, Gewalt, Pornos, Transpersonen, Freundschaften, Traumata, Erwachsenenwerden, Tinder-Treffs, Kinderpornos, Erpressungen, ältere Männer, Drogenhandel und wieder Sex stehen in einem steten Kreislauf auf der Tagesordnung. Damit behandelt „Euphoria” die harten, schweren Themen in meist depressiver Atmosphäre und teilweise in Neon Optik. 

Zu Beginn kehrt die 17-jährige Rue (Zendaya) aus ihrem Entzug zurück zu ihrer Highschool, die Drogenabhängigkeit konnte sie allerdings nicht hinter sich lassen. Nach dem Tod ihres Vaters, als sie 14 war, begann sie bewusstseinserweiternde Substanzen zu konsumieren, auch ihre Mutter und ihre kleine Schwester können sie davon nicht abbringen. Nach ihrer Rückkehr trifft Rue in ihrer Schule auf Jules (Hunter Schafer), eine bisexuelle Transfrau, die aufgrund fehlender Akzeptanz ihrer Eltern gegenüber ihrer Identität in der Vergangenheit auch einiges durchleiden musste. Bei den beiden entwickelt sich eine Freundschaft und darüber hinaus vielleicht sogar noch mehr… Die Serie profitiert erheblich davon, dass ihre Figuren glaubwürdig verkörpert werden. Zendaya und Hunter Schafer sind sehr gut, auch Jacob Elordi und Sydney Sweeney sind Teil des großartigen Ensembles, bei dem die Hauptdarsteller so viel Eindruck hinterließen, dass ihre Karrieren danach einen ordentlichen Schub bekamen. Zu den hervorragenden Schauspielerinnen kommt eine hochwertige, starke Produktion hinzu, die durch filmische Ideen bei Regie und Kamera die Serie auch visuell zu etwas Besonderem werden lassen. Viele Montagen, viele Songs und viele Traumsequenzen prägen die manchmal fast hypnotische Atmosphäre einer Serie, die in ihrer Machart manchmal auch abdreht und sich viele Freiräume lässt. Nun möchte ich die beiden bisherigen Staffeln noch etwas genauer betrachten. Generell gilt, dass die Staffeln relativ konstant gut sind, allerdings immer mindestens eine Highlightfolge beinhalten. 

Zu Beginn der 1. Staffel war ich sehr eingenommen von der starken Erzählweise. Gerade der „Cold Opener“ bis zur Titeleinblendung ist sehr detailliert und minutiös produziert. Nach der Highlightepisode 4 schwächte sich die Sogwirkung für mich etwas ab. Zu viele der Hauptcharaktere sind mir unsympathisch und irrational. Die typische Erzählung der Teenager, die alle überfordert, launisch, naiv und perspektivlos sind und deswegen laufend dämliche oder wenig nachvollziehbare Entscheidungen treffen, störte mich bei dieser Serie, die eigentlich nicht klassisch Highschool sein möchte, mehr als bei anderen Genrevertretern. Ich hätte mir auch mal eine Episode gewünscht, die zeigt, dass man Probleme auch sinnvoller und dadurch langweiliger angehen kann (Team Lexi oder Ethan) und nicht alles immer anstrengend sein muss. Zudem hätte ich die Handlungen in Hälfte 2 etwas anders gewichtet. 

Staffel 2 treibt die Absurdität weiter auf die Spitze, vor allem in der zweiten Hälfte der Staffel. Die Ästhetik wird verfeinert und greller, zum Teil erhält man Musikvideo-Vibes, wenn mehrere Songs und Montagen pro Folge präsentiert werden. Die vierte Wand wird häufiger durchbrochen – was ich fast immer großartig finde – und viele Charaktere bekommen ihre (notwendigen) Hintergrundgeschichten. Der Beginn wirkt für „Euphoria”-Verhältnisse fast positiv, aber das hält nicht allzu lange an. Folge 5 ist die bisher beste der ganzen Serie, in der alles auffliegt und die Intervention harte und fiese Momente hervorruft. Am Ende der Staffel (Episode 7) folgt noch ein wahnsinniges Theaterstück, das alles hineinwirft und zusammenfasst, sowie große Konfrontationen ermöglicht. Ein kreatives, starkes Werk, das die Sogwirkung für mich am Ende auch wiederherstellen konnte. 

Zusammenfassend ist Staffel 2 noch etwas abgedrehter, mutiger und besser als Staffel 1. Beide Staffeln können bislang nicht durchgängig vollends überzeugen, die Hightlightepisoden bieten allerdings hohe Höhen, die man als Genreenthusiast fast gesehen haben muss. Aufgrund seiner Schwermut, seines ganz eigenen Blicks auf die Highschool-Teenager, seiner kreativen filmischen Ideen und seines offensichtlichen HBO-Geldes wirkt die Serie häufig frisch und ist generell sehenswert. Ich bin sehr gespannt, ob Sam Levinson es nach Fehlschlägen wie „The Idol” in der 3. Staffel nochmal schafft, an das vorherige „Euphoria”-Niveau anzuknüpfen. Ich hoffe es.

83/100
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