Der Pass – Eine der besten deutschen Krimiserien? Review ganze Serie (Staffeln 1-3)

„Der Pass“ ist eine deutsch-österreichische Produktion für Sky basierend auf der fantastischen schwedisch-dänischen Krimiserie „Die Brücke“. Die Serie wandelt zu Beginn stark auf den Spuren des Originals – hier ist es die österreichisch-deutsche Grenze oben in den Bergen – bedient sich darüber hinaus aber auch an anderen gut bewerteten Serien.

Dabei werden einige Versatzstücke von „True Detective”, viel von „The Fall„, und auch ein bisschen „Homeland” verbaut. Der Hang zur Kopie zeigt sich leider zum Teil auch in komplett übernommenen/sehr oft gesehenen Handlungssträngen und Figurenkonstellationen. Aber ich sage es mal so: Besser gut geklaut, als schlecht selbst gemacht. Die Serie entwickelt erst ab Staffel 2 ihre eigene Identität und erreicht auch nie ganz die Qualität der Vorbilder, bleibt aber zum Teil nur knapp darunter, was auch am meist gelungenen Pacing liegt.

Staffel 1: Nach einem recht ruhigen und klassischen Beginn, öffnet sich das Geschehen ab Folge 3 und bleibt bis zum Ende interessant. Musik kommt aus Hans Zimmer Schmiede und ist modern-dröhnend und eher minimalistisch, aber sehr passend. Die Produktion ist solide, die Schauspieler zum Großteil sehr gut (vor allem Nicholas Ofczarek als österreichischer Kommissar), zum Teil etwas schwächer. Der Kriminalfall ist im Kern gut konzipiert und relativ logisch dargestellt. Die düstere, unterkühlte Atmosphäre und Stimmung zieht sich in bester Nordic Noir Tradition durch die Serie, zudem ist man kompromissloser als der übliche deutsche Krimi. Leicht störend sind die aus meiner Sicht unnötigen Kunstgriffe am Anfang der Folge selbst etwas zu spoilern und auch die Thumbnails bei Sky verraten häufig schon zu viel. Das nimmt leider an einigen Stellen die Spannung.

Insgesamt war ich über die kompletten 8 Folgen gut unterhalten (4 & 5 vielleicht etwas schwächer). Meine Kritik klingt etwas negativer, als ich es eigentlich fand. Denn Fakt ist, dass man über meine genannten Punkte relativ leicht hinwegsehen kann. Gerade wenn man die Vorbilder nicht alle kennt (oder nur den deutschen Markt als Referenz nimmt), wirkt die Serie frisch und angenehm konsequent. Insofern ist „Der Pass” gerade für den deutschen Krimimarkt ein absolutes Qualitätsprodukt, wobei ich nach Staffel 1 hoffte, dass die Serie über die Vorbilder hinaus eine eigene Identität entwickelt.

Diese Hoffnungen wurden glücklicherweise mit Staffel 2 erfüllt, die nun eigene und unorthodoxe Wege geht. Durch die Ereignisse am Ende der 1. Staffel muss sich zunächst wieder ein Team finden, um neue Fälle anzugehen. Das gestaltet sich aber in den ersten 3 Folgen als durchaus schwierig, weil sowohl die alten Figuren ihre Screentime brauchen, als auch die neuen Figuren diese für ihre Exposition benötigen und ein wirklicher Kriminalfall zunächst auch nur halb angeschnitten wird. Man gönnt sich sogar einen höchst ungewöhnlichen Zeitsprung von einem Jahr in den ersten 3 Folgen. Der rote Faden fehlt zu Beginn spürbar, die Handlung explodiert dann aber regelrecht in einer sehr erinnerungswürdigen und starken Folge 4. Danach geht es dann mehr mit Staffel 1-Vibes weiter, wobei die Frage nach der Identität des Täters weiterhin nicht im Zentrum steht. Denn auch in dieser Staffel bekommen die Zuschauer früh den Serienkiller und sein Umfeld umfangreich präsentiert. Das Ende der 2. Staffel passt mir persönlich nicht so, weil erstens bereits ein Teaser zu Beginn der letzten Folge schon zu viel verrät und man zweitens Figurenentwicklungen zerschmettert. Darüber hinaus wird mittels Dampfhammer-Methode eine Exposition für Staffel 3 gebastelt. Als Cliffhanger, um das Interesse an der letzten Staffel zu wecken, funktioniert es, aber so ganz sinnvoll war der Weg hin zu diesem Ende leider nicht.

Produktion ist weiterhin sehr gut, auch wenn die Macher rotes Licht vielleicht ein bisschen zu sehr lieben. Schauspieler sind wieder überwiegend gut und Julia Jentschs Charakter bekommt etwas mehr Profil. Der Kriminalfall an sich ist in Staffel 2 etwas schlechter, aber der Fokus ist eben auch ein anderer, die Charaktere stehen mehr im Mittelpunkt. 

Staffel 3, die finale Staffel, düster und dunkel in Atmosphäre und Handlung, hat nichts mehr mit dem Original zu tun und schließt an die etwas zweifelhaften Entscheidungen von Staffel 2 an, die aber ein gutes Setup lieferten. Ein Setup, welches in den ersten beiden sehr langatmigen Folgen, mehrfach wiedergekäut wird. Glücklicherweise beschreitet man danach mutigere Wege. Man hält sich nicht mehr komplett an die bisherige Täter-Herangehensweise, verstrickt sich in neuen Nebenhandlungen, wildert sehr stark im Okkulten und bedient sich an Mystery/Horror-Elementen. Einiges davon gefällt, einiges weniger. In Kurze: Der Satanismus-Weg ist komplett ausgelutscht, der „Jakel“ cool, die Knabenbilder-Geschichte schwächer, die Tätersuche gut, die „Handlung in der Handlung“ in jeder Folge gewöhnungsbedürftig.

Schauspielerisch fällt Julia Jentsch positiv mit ihrer bislang besten Leistung der Serie auf, das restliche Ensemble ist weiterhin stark. August Diehl spielt wunderbar einnehmend und sein Handlungsstrang ist mit schönen „Dark“-Vibes versehen. Produktionstechnisch müssen sich die Macher erneut nichts vorwerfen lassen. Das Pacing könnte jedoch schneller sein, gerade in einem Beginn, der noch komplett ziellos wirkt. Ob die Charakterentscheidungen am Ende tatsächlich sinnvoll sind und dem Zuschauer in der Untersuchung eines Kriminalfalls wirklich ein: „Oh, ich hatte hier noch was übersehen“ reicht, um die Handlung voranzutreiben, ist allerdings teilweise fragwürdig. Wenn man sich darauf einlässt, ist die Atmosphäre ab der Mitte sehr dicht und überzeugend. Gerade die Folgen 6 und 7 fand ich klasse, die abschließende Folge 8 bringt für mich die Serie leider nicht ganz zu einem gelungenen Ende. Schade, dass man der eigens aufgebauten Ausgangssituation für die finale Staffel nicht vollständig gerecht werden konnte. Dennoch bietet das Ende einen ordentlich traurigen Abschied von diesen liebgewonnenen Figuren.

Zusammenfassend ist „Der Pass” eine der besten deutschen Krimiserien. Leider konnte die sehr hohe Qualität einer ersten Staffel, die sich stark von anderen Serien inspirieren ließ, in den beiden folgenden Staffeln nicht ganz aufrecht erhalten werden. Die eigene Identität ist begrüßenswert, die Highlight-Folgen wirklich stark, aber leider haben diese beiden Staffeln auch spürbare Längen. Die letzte Staffel zieht den Gesamteindruck leider noch ein Stück nach unten, dennoch lohnen sich alle 3 Staffeln dieser österreichisch-deutschen Serie.

82/100
Total Score
Nach oben scrollen