Das Teenie-Entführungs-Verleumdungsdrama mit Mysterythriller-Elementen „Cruel Summer” ist eine abgeschlossene Anthologieserie, die 2 Staffeln umfasst. Ich sah nur die 1. Staffel, die online durchaus noch vernünftige Bewertungen erhielt, während die 2. Staffel mit durchgetauschtem Cast auf schwächere Resonanz stieß.
Staffel 1 von „Cruel Summer” erzählt aus zwei Perspektiven auf 3 verschiedenen Zeitebenen, zwischen 1993 und 1995, die in der jeweiligen Folge immer miteinander verwoben werden. Innerhalb der 10 Folgen liegt der Fokus entweder auf Kate Wallis (Olivia Holt), die entführt wurde und nach einem Jahr wieder frei ist oder auf Jeanette Turner (Chiara Aurelia), die nach dem Verschwinden Kates aufblühte, Teile von Kates Leben übernahm und nach Kates Rückkehr zum Staatsfeind Nr.1 wird. Denn Kate beschuldigt sie, von ihrem Entführer gewusst zu haben. In dieser verworrenen Erzählung geht es darum, die Mysterien zu entlarven, die die beiden jungen Frauen umgeben.
Letztlich ist „Cruel Summer” ein Drama-Thriller, bei dem es bis zur letzten Folge darum geht: Was ist jetzt eigentlich wirklich passiert? Thematisch, aufgrund der Teenie-Hauptfiguren und durch ihre sehr fragmentierte Erzählweise erinnert die Serie in ihrer „Wer hat schuld?“-Frage auch an „13 Reasons Why“. Das gelingt in Teilen sogar etwas besser als im Vorbild. Problematisch wird es allerdings an ähnlichen Stellen. Die Serie verliert sich gerade im ganzen Mittelteil (Folge 3-8) in kleinen Geschichten, die letztlich kaum relevant für das große Ganze sind. „Kommt doch mal zum Punkt“ möchte man den Machern zurufen, denn den Punkt kennt man bereits dadurch, dass man stetig durch die Zeitsprünge „gespoilert” wird und weiß, wie Handlungsstränge enden. Es geht deshalb nur noch um die Frage: Was hat die Person dazu gebracht, dass sie so wurde, wie wir schon wissen, dass sie ist. Das führt nicht gerade zu einem hohen Spannungsaufbau und lässt die Mitte zäh wirken.
Ein kleiner Exkurs, der leider gut zur Serie passt, mich aber auch darüber hinaus nervt: Ich verstehe, dass die Personen unterschiedlich aussehen müssen, wenn man stetig mit 3 Zeitebenen agiert, die Charaktere aber natürlich nicht altern, man aber dennoch die verschiedenen Zeiten auseinander halten soll. Das wird hier zunächst cleverer über die Bildsprache umgesetzt, indem sich die Ebenen farblich voneinander abheben (helleres, düsteres Bild), aber auch uncleverer über wirklich allzu lahme Klischees. Das Mädchen hat Zahnspange und Brille = Nerd; ein Mädchen hat lange Haare und schminkt sich = beliebt und geliebt; ein Mädchen hat jetzt kurze Haare = niemand mag sie, sie ist rebellisch… Das nervt mich. Man arbeitet natürlich mit Klischees, damit die Folgen nicht so konfus wirken, aber das ist mir zu einfallslos. Natürlich kann man dies bei „Cruel Summer” noch mit dem vorurteilsbehafteten 90er Jahre Setting erklären, aber mich störte es dennoch – nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Serien.
Subtilität kann man der Serie allerdings so oder so dank einiger äußerst plakativer Szenen ohnehin nicht unterstellen. Letztlich hat die Serie für mich das Problem der zu großen Vorhersehbarkeit bei zu großer Redundanz in der Mitte. Wenn mich der Abschluss überrascht hätte, wäre die Bewertung wohl besser ausgefallen. Die Geschichte wird natürlich twistreich erzählt, aber ich konnte das Ende bereits in Folge 3 zu ¾ callen. Vielleicht hab ich auch schon zu viel gesehen und sollte da nicht so sein, weil die Zielgruppe wohl eher Teenager und junge Erwachsene sind, aber es fiel mir leider auf. Darüber hinaus fällt diese Vorhersehbarkeit bei einer Serie mehr ins Gewicht, die sich komplett auf ihre Auflösung fokussiert.
Zusammenfassend klingt das alles sehr negativ, ist es aber eigentlich gar nicht. „Cruel SUmmer” ist eine solide produzierte Drama-Mystery-Serie mit okayen Darstellern, einer spannenden Machart und Erzählweise, die sich über 3 Zeitebenen erstreckt und einer durchaus vernünftigen Auflösung. Der Fall ist interessant, Anfang und Ende sind solide bis stark umgesetzt. Die Mitte ist allerdings das große Problem, denn die Folgen sind trotz ihrer 40 minütigen Laufzeit viel zu langatmig. Man hätte die Handlung locker um 2-4 Folgen einkürzen können. Vielleicht wäre „Cruel Summer” bei knackigen, temporeichen 6 Episoden für mich sogar eine positive Überraschung gewesen, so reichte es leider nicht zum großen Wurf.



