„Better Call Saul” ist das Spin-off, die Nachfolgeserie und inhaltlich die Prequelserie zum auf dem Olymp thronenden Serienklassiker „Breaking Bad”. Doch kann die Serie, die bereits zwei Jahre nach dem Ende von „Breaking Bad” begann, rund um den beliebten Charakter Saul Goodman (Bob Odenkirk) und seinen Aufstieg genauso sehr überzeugen wie der Vorgänger? Leider nicht, aber ab der 3. Staffel nähert sich die Qualität dem Original immer mehr an.
„Better Call Saul” beginnt etwa sechs Jahre vor der bekannten Haupthandlung rund um Walter White. Für wen sich die Frage tatsächlich stellt: Man sollte „Breaking Bad” vor diesem Prequel gesehen haben. 1. Weil es keinen Grund gibt, „Breaking Bad” nicht zu schauen und 2. um diverse Anspielungen, Charaktere und deren Handeln zu verstehen.
Neben Saul Goodman, der zu Beginn der Serie noch unter seinem bürgerlichen Namen Jimmy McGill bekannt ist, bekommt auch Fan-Liebling und späterer Kartell-Gehilfe Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) einen großen, eigenen Handlungsstrang spendiert. Jimmy ist zu Beginn ein erfolgloser, desillusionierter und übellauniger Anwalt, der vor allem als Pflichtverteidiger engagiert wird. Obwohl sein älterer Bruder Chuck (Michael McKean) einst ein Topanwalt bei der selbst gegründeten Firma Hamlin, Hamlin, McGill (HHM) war – mittlerweile lebt er zurückgezogen, weil er an selbst diagnostizierter Elektrosensibilität leidet – erhält Jimmy keine Chance bei der größeren Anwaltskanzlei. Doch nachdem Jimmy in einem Seniorenheim einen großflächigen Betrug aufdeckt, arbeitet er immerhin mit Kim Wexler (Rhea Seehorn, die Neuentdeckung der Serie) zusammen an dem Fall, von dem Jimmy hofft, dass er danach endlich für HHM für würdig befunden wird. Doch leider ist Jimmys Weg kein steiler nach oben, sondern eher seitwärts auch in kriminellen Machenschaften. Währenddessen offenbart Mike einige Probleme mit der Polizei und unterschiedlichen Kartellen. Nach den expositionshaltigen ersten beiden Staffeln nähert sich die Haupthandlung ab Staffel 3 immer mehr „Breaking Bad” an, auch bekannte Figuren wie Gustavo Fring (Giancarlo Esposito) führen dazu, dass der altbekannte Vibe, die geliebte Atmosphäre des Vorgängers mehr und mehr entsteht.
Die Produktion und die Machart der Serie sind mit ihren vielen kreativen Ideen erneut ganz fantastisch. Man erkennt viele klassische Versatzstücke wieder, die auch Breaking Bad ausgemacht haben. Die besondere Kamera, die von Musik untermalten Montagen, die großartigen Darsteller und auch eine Hauptgeschichte, die erneut zwischen Familiendrama und organisierter Kriminalität wandelt, allerdings mit anderen Schlaglichtern. Doch leider erreicht „Better Call Saul” in seiner Gänze nicht die Qualität von „Breaking Bad”. Das liegt vor allem am sehr langsamen Erzähltempo zu Beginn. Vor allem in Staffel 1 und 2 empfand ich das Pacing als stellenweise fast lächerlich langsam. Besonders in Staffel 1 treten einige Folgen auf der Stelle, obwohl ich nicht unterschlagen möchte, dass auch hier bereits sehr starke Episoden dabei sind. Generell beherbergen die Staffeln wieder zahlreiche Highlightfolgen. Doch aufgrund des langsamen Erzähltempos einer Prequel-Geschichte, dessen Ende man ohnehin schon kennt – ich fragte mich ständig, wann endlich Saul Goodman ins Spiel kommt – enttäuschte mich der Start damals etwas. Dennoch blieb ich glücklicherweise dran und ab Staffel 3 wird man dafür in deutlich höherer Frequenz belohnt, vor allem aufgrund der Wiedervereinigung mit Teilen des altbekannten Casts. Staffel 4 ist nah dran an „Breaking Bad” Niveau, Staffel 5 erreicht endlich das oberste Topniveau, weil sich die Serien auch inhaltlich immer weiter angleichen. Tatsächlich bestehen auch beide Serien aus insgesamt jeweils 63 Episoden, „Better Call Saul” ist in 10 Episoden pro Staffel aufgeteilt, nur die letzte Staffel bekam noch 3 Bonus-Episoden zum Schluss.
Die klassischen Prequel-Problemen, dass man bereits zuvor weiß, wie es ausgeht und dass einige Personen die Konflikte auf jeden Fall überleben werden, nehmen leider in größeren Teilen etwas die Spannung und auch das Unvorhersehbare, dass „Breaking Bad” ausmacht. Doch dieses altbekannte Muster versucht „Better Call Saul“ tatsächlich in seiner finalen Staffel gekonnt und gewagt zu durchbrechen. Doch zunächst treibt Staffel 6 die überragende Inszenierung nochmal auf die Spitze. Visuell, in Sachen Bildkomposition, mit Schwarz-Weiß Elementen und seinen fantastischen Cameos ist Better Call Saul spätestens jetzt ein voller Genuss. Auch die Handlung kann (fast) vollends überzeugen. Der Start um Nacho (Michael Mando) ist außergewöhnlich, der vorläufige Höhepunkt in der Mitte ist mit einer überragenden 7. Episode großes Kino und danach geht „Better Call Saul” in seinen letzten Folgen nochmal einen gewagten Weg in die Zukunft. Denn es gibt einen Kunstgriff, dass man tatsächlich auch die Zeit nach „Breaking Bad” erzählt, aus dem Prequel wird anteilig ein Sequel. Diese spätere Zeitebene wird Staffel für Staffel immer wieder angedeutet, ich hätte aber nicht erwartet, dass sie am Ende in einer solchen Länge ausgebreitet wird. Dies beseitigt alle Vorhersehbarkeit Probleme und ist dadurch hochspannend. Leider ist diese Geschichte für mich am Ende nicht zu 100% rund gewesen, mit dieser Einschätzung bin ich aber wohl ziemlich allein, die allerletzte Episode gilt allgemein als eine der besten überhaupt.
Insgesamt ist „Better Call Saul” eine großartige Serie, die mit fortschreitender Dauer immer besser wurde und letztlich das „Breaking Bad”-Niveau sogar erreichen konnte. Dennoch erschwert der sehr langsame Beginn in Staffel 1-2 das vollständige Eintauchen in die Serie. Doch es lohnt sich dennoch, weil die Serie sich ab Staffel 3 immer mehr „Breaking Bad” annähert, das Niveau letztlich erreicht und Einzelfolgen die größtmögliche Klasse besitzen – egal ob im Hinblick auf den Vorgänger oder allgemein. „Better Call Saul” ist ein Muss für große „Breaking Bad” Fans, obgleich die Serie natürlich erneut relativ zeitintensiv ist.



