Atlanta – Die kreative, satirische Drama-Kultserie. Review ganze Serie

„Atlanta” ist eine hochinteressante, kreative, clever beobachtete und zum Teil tragikomische Drama Serie von und mit Donald Glover, die nach 4 Staffeln mittlerweile beendet ist. Im Zentrum steht das Drama, allerdings wird auch mit Comedy-, Satire und Musikelementen gearbeitet. Das spannende Werk mit Highlightfolgen, das mutig ist und dabei auch Genregrenzen spielerisch überwindet, kann allerdings leider nicht durchgängig überzeugen.

Im Kern geht es um Earn (Glover), der sein Studium pausiert und nach Atlanta zurückkehrt. Dort hat er eine kleine Tochter mit seiner On/Off-Beziehung Van (Zazie Beetz) und möchte seinen Cousin Alfred (Brian Tyree Henry) managen, der als „Paper Boi“ überraschenderweise einen – zumindest lokalen – Rap-Hit landen konnte. Nun folgt man vor allem Earn, Al, Van und Darius (LaKeith Stanfield) durch die verschiedensten Problematiken und Themengebiete, die viel mit (schwarzer) Identität, Rassismus, kleinen Verhaltensweisen und den ganz großen (gesellschaftlichen) Fragen zu tun haben. 

Die 4 Staffeln umfassen jeweils 10 Episoden, die mit einer variierenden Länge von 22-36 Minuten relativ kurz im Vergleich zu anderen Dramaserien wirken. Ich werde Atlanta etwas fragmentierter betrachten, weil ich immer nach den jeweiligen Staffeln meine Kurzeinschätzung niederschrieb und die Folgen oft einen Einzelepisoden-Charakter haben.

Staffel 1 beginnt mit kurzer Exposition und geht in einer guten 2. Episode in die Tiefe – Stichwort Polizei. Danach geht es chronologisch weiter mit Earn, der versucht sowohl seiner Familie als auch seiner Arbeit als Manager gerecht zu werden, wobei er strauchelt. Ab der Mitte der Staffel werden die Folgen deutlich episodischer. Sie wirken mehr wie Einzelepisoden, die ein (gesellschaftliches) Problem aufgreifen und verhandeln, mal ernster, mal satirischer. Dabei verliert man ein klein wenig den Gesamtüberblick über die Haupthandlung. Interessanterweise ist das sonst eher ein Kritikpunkt für mich, bei „Atlanta” passt das allerdings. Das liegt vor allem daran, dass die Folgen experimenteller und auch ein bisschen absurder werden. Positiv sticht dabei vor allem die hervorragende Interviewepisode (Folge 7) heraus, aber auch danach bietet die Serie einige starke Folgen, auch die 9. Folge Folge 9 mit ihren „Get Out“-Vibes empfand ich als sehr gelungen.

Staffel 2 geht den kleinteiligen Weg der 2. Hälfte der 1. Staffel genauso weiter. Dabei liegt der Fokus noch etwas mehr auf dem Thema Rassismus und die Episoden werden grundsätzlich absurder. Direkt die erste Folge über den Florida Man ist amüsant bescheuert, die vierte Episode über angeblich „deutsche Traditionen“ leider ziemlich überzeichnet und klischeehaft, aber wichtig für den Gesamtplot. Folge 5 funktionierte für mich nicht so, wie für viele andere, Folge 6 ist als kleine Horrorparodie ganz fantastisch. Episode 9 bietet das großartige und fiese Highlight der Staffel. Die Charaktere stolpern innerhalb der Staffel einfach in immer verrücktere Situationen. Die Hauptgeschichte bleibt dabei etwas auf der Strecke, was ich schade finde. Aber die Serie ist eher eine Spielwiese von Donald Glover, um unterschiedliche Themen und Genres zu bespielen. Und dabei kommen häufig wirklich gute Sachen heraus. 

Staffel 3 beginnt mit einer seltsamen Folge über einen Jungen, der in Foster Care zu einem lesbischen Paar kommt, das bereits einige schwarze Kinder adoptiert hat. Die massiv groteske und ziemlich eindimensionale Episode weiß mit einem feinen Ende zu brillieren. Danach kehren wir zu den Hauptfiguren zurück, die sich auf großer Europa-Tour befinden, womit sich die Serie keinen Gefallen tut. Dort werden vor allem viele Länder-Klischees aneinandergereiht und es wird noch surrealer. Das fällt vor allem sehr negativ in der 10. Folge auf, aber auch die 4. funktioniert nicht. Die Episoden 1,4,7 und 9 der Staffeln haben außerdem die Eigenart, dass niemand aus dem Hauptcast mitspielt. Stattdessen sind es eher Kurzfilme, die ein spezielles Problem (von Weißen) thematisieren. Ich mochte davon immerhin die 7. und 9. Episode, verstehe aber auch, dass diese Folgen grundsätzlich schlechter ankommen, weil man eigentlich das bekannte Ensemble sehen möchte. Grundsätzlich ist für mich – auch deswegen – die 3. Staffel die schwächste. 

Staffel 4 schmeißt die speziellen Folgen ohne Hauptensemble wieder aus dem Programm (bis auf Folge 8 zum fiktiven 1. schwarzen CEO Disneys) und spielt zu Beginn etwas mit der Komponente der Zeit. Das wirkt zunächst etwas seltsam, aber die Hauptsache ist, dass die Hauptfiguren wieder zurück in Atlanta sind und die Handlung vorantreiben. Doch auch in dieser Staffel gibt es erneut Einzelepisoden, die mal besser und mal schlechter funktionieren. Die 2. Folge rund um Earns Therapie und Pläne ist sehr gut, die 5. Episode mit dem Thema der Kinderschauspielerei ist interessant, die 6. Folge um den Killer ist sehr unterhaltsam und Episode 9 ist der Versuch einer „Better Call Saul”-Wüstenfolge. Die anderen Folgen hätten mehr Potential gehabt (Camping Folge 7), was aus meiner Sicht leider auch für die letzte Episode gilt, die dennoch einen durchaus gelungenen Abschluss bildet. 

Insgesamt konzentriert sich die 4. Staffel glücklicherweise wieder mehr auf die Hauptcharaktere, dennoch findet man keinen konkreten roten Faden, auf den die Handlung hinausläuft. Es wird final klar, dass die ganze Serie das nie hatte und es Donald Glovers Vehikel war, um für ihn wichtige Geschichten kreativ und mutig zu erzählen. Was man am Ende festhalten kann: Das funktioniert häufig auch wirklich gut. Die Serie bietet eine Spielwiese mit liebenswerten Charakteren (von tollen Darstellern verkörpert), denen man gerne folgt und die man gerne in absurden, merkwürdigen Situationen sieht. Einige Folgen funktionieren hervorragend als Parodien, andere als gute Genre-Beobachtungen. Andere treffen gesellschaftliche Probleme pointiert auf den Kopf und können einer gesellschaftlichen Debatte sogar noch etwas hinzuzufügen. Wieder andere Episoden treten auf der Stelle oder sind etwas zu überzeichnet.

Doch alles in allem ist Atlanta ein überzeugendes kreatives Werk mit absolut nachvollziehbarem Kult-Following. Ich würde die Serie jedem empfehlen, der Lust auf Kreativität und mutige Erzählweise hat und nicht immer dasselbe sehen möchte. Nicht jede Folge ist großartig, aber es gibt einige Filetstücke, an die man sich gerne zurückerinnert.

83/100
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