„Alien Earth” ist ein visuell überzeugendes Prequel zum Space-Horror-Klassiker „Alien”, das einige Regeln des Franchises (vor allem „Prometheus”) über Bord schmeißt und eigene Wege geht. Die actionreiche und kinematographisch großartig inszenierte Serie verbindet klassische Alien-Retro-Horror-Action mit den zeitgenössischen Themen der KI sowie der Macht von oligarchischen Unternehmen und den ewigen Fragen, was den Roboter menschlich macht. Das wird garniert mit einer seltsamen kindlichen Abenteuer-Geschichte, die ein früher Stolperstein für die Handlung wird, die im Verlauf deutlich häufiger stolpert.
Die Serie verdeutlicht zu Beginn, dass sie das Alien-Universum erheblich erweitern möchte, vor allem rund um das Thema der Roboter. Denn neben den bekannten, „milchblutenden” Synths (KIs in androider Form mit Roboterkräften) gibt es auch Cyborgs (augmentierte Menschen) und Hybride – das menschliche Bewusstsein wurde in Synthkörper gepackt. Die Hybride spielen eine große Rolle, da todkranke Kinder als erste von der neuen Hybridtechnologie des aufbegehrenden Top 5 Konzern „Prodigy” rund um das Wunderkind Boy Kavalier (Samuel Blenkin) profitieren sollen. Hauptfigur wird deshalb „Wendy” (Sydney Chandler, gut), die erste Hybride, die nach ihrem noch menschlichen Bruder Joe (Alex Lawther, „The End of the F***ing World”, auch gut) sucht.
Doch Moment mal! Es ist doch „Alien”, oder? Genau, denn Folge 1 schwingt heftig die Nostalgiepeitsche, in dem sie sich erheblich auf die ersten beiden Filme bezieht und eine Crew im All zeigt, mit der – in Episode 1 noch angedeutet und in Episode 5 ausgespielt – der klassische Xenomorph sein Unwesen treibt. Doch dieses Schiff prallt 2120 (2 Jahre vor dem Originalfilm) auf die Erde, was dazu führt, dass sowohl der bekannte Weyland-Yutani Konzern, als auch der neue Prodigy Konzern nach dem Inhalt des Schiffes trachten. Vor allem interessieren sie sich für die Aliens, denn die Crew könnte allen nicht egaler sein. Um den Inhalt für Prodigy zu sichern, werden seltsamerweise die nicht kampferfahrenen Kinder-Hybride ausgesandt, danach stehen die Erforschung der Aliens, die Selbstfindung der Hybride und die Rivalität der beiden Großunternehmen im Fokus.
Bevor ich die Serie einschätze: Kurz zu meiner Vorerfahrung mit dem Franchise, denn ich habe nicht alles gesehen. Ich finde „Alien” und „Aliens” großartig, mag den 2. sogar lieber. Den 3. finde ich auf komische Weise in Ordnung, „Prometheus” konnte ich leider wenig abgewinnen, auch wegen des schwarzen Etwas, „Romulus“ fand ich visuell stark, aber erzählerisch beliebig. Den Rest sah ich nicht, auch die Predator Reihe habe ich ausgespart. Ob ich damit qualifiziert genug bin, die Serie zu bewerten, darf jeder selbst entscheiden. Aus meiner Sicht taugt die Serie für Fans und für bisher Alien-Unbefleckte ähnlich gut – oder eben schlecht.
„Alien Earth” beginnt in seiner Retro-Alien-Geschichte ganz hervorragend, es wirkt fast wie ein verlorener 3. Teil von damals. Doch die visuelle Komponente, sowie das Setdesign setzen sogar einen obendrauf. Denn visuell ist die Serie ein Gaumenschmaus, es gibt zahlreiche Referenzen und Fanservice. Vor allem Folge 5 sticht positiv (aus dem Bauch) hervor, man könnte sie mit der Exposition aus Folge 1 auch als alleinigen Retro-Alien Film vermarkten. Doch leider ist das eben nicht alles. Die Serie ist zwar mit großartigen praktischen Effekten und Sets gesegnet, die wunderbares Oldschool-Feeling aufkommen lassen, doch leider wirkt der Xenomorph manchmal arg wie ein Typ in einem Halloween Kostüm – was den Xenomorph leider etwas entzaubert. Zudem wird die klassische Dramaturgie durch den rasanten Beginn mit unfassbar vielen Xenomorph-Begegnungen (was etwas am Kanon rüttelt) über den Haufen geworfen, denn ab Folge 3 wird es erheblich ruhiger. Doch das ist nicht mal das große Problem, tatsächlich sind die Kinder in Roboterkörpern das, was die Serie erheblich einschränkt. Denn nicht nur die naiven Kinder handeln stets so wie die letzten Deppen – was zwar eine Idee aus der „easy writing”-Hölle, aber immerhin noch logisch ist –, sondern sie infizieren wie Parasiten auch die Hirne (oder Schaltkreise) aller anderen Figuren, die naiv, dämlich und nicht nachvollziehbar handeln. Am auffälligsten ist das beim absoluten Wunderkind, dem schlausten Menschen der Welt, der dieses Intelligenz-Versprechen auf keiner Ebene einlöst und (sehenden Auges) in sein Verderben reitet. Das mit seinem „impulsiven ADHS” am Ende noch so halb zu begründen, reicht dabei nicht.
Für mich persönlich wurde die Erwartungshaltung beim Titel „Alien: Earth” untergraben. Die Zukunft der Erde von 2120 sieht überraschend positiv und grün aus, dass diese Mega-Corporations den Planeten regieren, wird dem Zuschauer nur erzählt, allerdings nicht gezeigt. Die Welt fühlte sich für mich massiv unterentwickelt an. Ein weiteres Problem ist die Frage, mit wem man mitfiebert. Die Kinder in Roboter-Erwachsenenkörper sind leider keine Sympathieträger, das Familiendrama erfindet das Rad auch nicht nicht neu, gefiel mir aber als Plotpunkt immerhin besser. Der Cyborg und Kirshs (Timothy Olyphant)-Storylines fühlen sich letztlich unfertig an, genauso wie die Story selbst. Denn eigentlich trudelt die Handlung auf einen Showdown hin, der am Ende enttäuscht, weil er irgendwie mittendrin aufhört. Ich bin auch kein Fan davon, den Xenomorphen so sehr umzudeuten und den Hybriden (die es offenbar sonst in der Timeline nicht gibt) so viel Macht zu geben.
Was bleibt am Ende? Eine visuelle brachiale Serie von Noah Hawley („Fargo”), die stellenweise auf ganzer Linie überzeugen kann, Spannungsmomente mit Horror und Actionsequenzen gekonnt verbindet und ein wohliges Retro-Alien-Gefühl aufkommen lässt. Doch ein überfrachtetes Drehbuch, das sich im Verlauf zu sehr an der Dummheit und Naivität seiner Figuren entlang hangelt und einige große, polarisierende Entscheidungen trifft, steht dem großen Wurf im Weg. Ich war dennoch lange Zeit noch ziemlich positiv gestimmt, doch das Ende hat für mich leider nicht gezündet, sodass das Pendel am Ende doch noch klar unter die 80 Prozent Marke ausschlägt.
Ich würde „Alien Earth” eher Gelegenheitsfans von „Alien” empfehlen als den kanonliebenden Hardcore Fans – gerade, wenn man „Prometheus” feiert, wird man sich angegriffen fühlen. Doch fernab von jeglichem Fantum beginnt die Serie großartig, baut sich mit ihren kindlichen Hybriden selbst das größte Hindernis und bekommt es trotz der starken Visualität letztlich nicht ganz zusammen. Von einer Katastrophe ist die Serie dennoch weit entfernt, denn es gibt einige Filetstücke.



