The Affair – Eine Affäre aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Review ganze Serie

„The Affair” ist eine langlebige Serie mit einer interessanten Prämisse, die sich im Verlauf der Serie zu einem relativ klassischen Familiendrama weiterentwickelte, das mehr und mehr seine Identität verliert. Der Clou der Serie ist anfangs ihre Machart: Normalerweise wird eine Folge in 2 Teile und Blickwinkel geteilt, es wird es der Sicht der unterschiedlichen Personen erzählt. Manchmal doppeln sich so Szenen, werden allerdings komplett anders dargestellt, weil die Charaktere die Szene anders empfunden haben.

Nachdem die Hauptcharaktere, aus deren Sicht erzählt wird, anfangs nur wenige (die beiden Affärenpartner) sind, wird dieses Schema im Laufe der Serie immer weiter aufgebrochen, so dass auch Nebencharaktere ihre Episoden bekommen. Dieses sehr clevere Stilmittel der unterschiedlichen Erzählperspektiven sorgt dafür, dass man selbst entscheiden kann, auf welcher Seite man stehen möchte, oder ob es doch eine Mitte gibt. Wer sagt die Wahrheit, wer beschönigt, wer lügt, gibt es überhaupt eine klare Wahrheit in einem Konflikt, oder gibt es nur Sichtweisen? Diese Fragen werden in Staffel 1 gekonnt am Beispiel des Zustandekommens einer Affäre und überraschenderweise einer clever verknüpften Kriminalgeschichte erzählt.

Im Zentrum steht Noah Solloway (Dominic West), ein Lehrer und von Selbstzweifeln geplagter Autor, dessen erstes Buch wenig erfolgreich war, weswegen er mehr am Tropf des reichen Schwiegervaters hängt, um der Familie weiter ihren Lebensstandard zu ermöglichen. Statt zu kommunizieren, sucht er in der Affäre mit Alison (Ruth Wilson), einer Kellnerin und Krankenschwester, die in Trauer über den Tod ihres Sohnes ist, die Bestätigung, die ihm im Alltag verwehrt bleibt. Neben Noahs Familie rund um Ehefrau Helen (Maura Tierney) und Tochter Whitney (Julia Goldani Telles) wird auch Cole Lockhart (Joshua Jackson) in den Affären-Sumpf mit hineingesogen.

Nach der 1. Staffel, die durch ihre Machart neuartig und frisch wirkte, eine interessante Handlung erzählt und für mich bereits die beste Staffel der Serie ist, wird die Serie danach zu einer relativ klassischen großangelegten Familiensaga, wobei sich irgendwann niemand mehr mit dem anderen versteht. Nach Staffel 2 hatte sich für mich das Konzept etwas abgenutzt, zudem wurden die Wiederholungen, die verschiedenen Blickwinkel auf eine Szene zurückgefahren, zu Gunsten einer klassischen, stringenten Handlung. Dies führt dazu, dass die 3. Staffel allgemein schwächer ist. Staffel 4 beginnt nicht sonderlich stark, doch das Ende und die Auflösung einiger seit langer Zeit schwelender Konflikte ist für Fans der Serie sehr spannend und gut umgesetzt. Die abschließende Staffel 5 hat einen interessanten Kniff. Einer der Handlungsstränge spielt rund 30 Jahre in der Zukunft und hat einen sehr schönen dystopischen Vibe. Dass dieser Strang sehr konstruiert wirkt, kann man noch verzeihen, jedoch wirkt er auch darstellerisch nicht überzeugend. Nach verhaltenem Beginn der Staffel versuchte man sich damals an der Aktualität abzuarbeiten und lässt eine in der Mitte eine #Metoo Bombe platzen, die den Charakteren entsprechend sogar sehr passend ist. Leider wirkte dieser Teil sehr nachträglich reingeschrieben, während das Ende wohl schon länger stand, sodass dieses für mich komisch und unpassend wirkte. Generell hatte ich in den späteren Staffeln häufiger das Gefühl, dass Figuren sich auch in ihrer eigenen Erzählung, ihrem Blickwinkel seltsam schnell von ihrer Meinung abbringen lassen, obwohl die „Argumente“ der anderen Person das für mich fast nie rechtfertigen.

Insgesamt ist „The Affair” eine durchaus lohnenswerte Familiensaga mit zu Beginn noch innovativer Machart, die sich aber irgendwann abnutzt. Sobald nur noch die Handlung und ihre Charaktere im Mittelpunkt stehen, ist die Serie etwas schwächer und auch das Ende der Geschichte konnte mich nicht vollends überzeugen. Insofern ist es schwer zu empfehlen, dass man sich davon 5 Staffeln ansehen soll, wenn das nicht exakt die Thematik ist, die man besonders gern sieht. Dafür gibt es zu wenige Highlightfolgen und zu viele Durchhänger und das Zeitinvest mit 53 Episoden ist recht hoch. Dennoch ist „The Affair” eine gute Serie und gerade in Staffel 1 und 2 war ich fast durchgängig gut unterhalten.

80/100
Total Score
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