Years and Years – Wenn seit 2019 weltpolitisch alles schlecht läuft. Review Miniserie

„Years and Years” ist im Kern ein klassisches Familiendrama mit dystopischen Anleihen und einem Twist. Denn insgesamt werden etwa 13 Jahre (von 2019 an) einer britischen Familie in Manchester porträtiert. Dabei wird so ziemlich jede unangenehme Entwicklung der heutigen Zeit (aus dem 2019er Blickwinkel) fortgesetzt und auf die Spitze getrieben. Daraus ergibt sich eine düstere 6-teilige Miniserie, die ich sehr empfehlen möchte.

Aus heutiger Sicht (2025) muss man den Machern der Serie ein feines Gespür für außenpolitische Entwicklungen unterstellen. Einiges ist mittlerweile eingetreten, andere Dinge glücklicherweise noch nicht. Eine Auswahl: Trump wird zum 2. wiedergewählt (Hallo Realität!), Russland überfällt die Ukraine (Serie zuvor gedreht), es gibt Revolutionen in Europa, Bankencrashs, politischer Populismus lauert an jeder Ecke, Demokratieverdrossenheit und dazu werden Hitze- und Überschwemmungsrekorde gebrochen. All dies führt zu neuen Flüchtlingswellen. Diesen allgemein schon fiesen Entwicklungen wird noch eine ordentliche Prise „Black Mirror“ beigefügt. Neue Technologien, von Implantaten und Überwachung bis hin zum ewigen Leben in der Cloud.

Überraschenderweise verhebt sich „Years and Years” nicht an diesem Potpourri an Themen, weil die eigentlich erzählte Handlung eher klein bleibt. Denn vor dieser ganzen Kulisse steht die Großfamilie Lyons aus Manchester mit ihren ganz eigenen Problemen im Mittelpunkt. Eine Familie, die sich nur zurück in eine Zeit wünscht, in der das Weltgeschehen die eigenen Leben noch nicht so stark prägte. Sehr angenehm, normal und unaufgeregt ist der Umgang mit LGBTQ+ Thematiken, beispielsweise wird eine homosexuelle Partnerschaft schlau mit der Flüchtlingsthematik verbunden. Das gute Darstellerensemble rund um Rory Kinnear und Emma Thompson verkörpert ihre Charaktere dabei glaubwürdig, so dass man mit der Familie mitfiebern kann.

Insgesamt ist die größte Stärke von „Years and Years” das sehr schnelle Pacing. Die Handlung entwickelt sich Schlag auf Schlag weiter, gerade in den vielen, informativen Montagen werden viele Jahre innerhalb kürzester Zeit dargestellt. Natürlich sind diese Zukunftsvisionen nicht vollkommen ausgearbeitet, aber die oberflächliche Betrachtung reicht, um danach mit dem Brennglas spezielle Themen zu behandeln. Man kann fehlende Tiefe kritisieren, oder die schnellen Veränderungen nicht ganz glaubhaft finden, aber da es die aktuelle Realität nur weiterentwickelt, fällt es nicht schwer sich in neue Situationen hineinzudenken. Somit ist die weltpolitische Lage ein gelungener Hintergrund für die Probleme und Konflikte der Familie. Die Dialoge und Charaktere (bis auf eine Figur) erscheinen meist realistisch und aus dem Leben gegriffen, was ein großes Plus ist.

Das Ende der Serie ist mir etwas pathetisch und bei einem Handlungsstrang konnte ich gedanklich leider nicht ganz folgen (in Sachen Realismus), dies schmälert den starken Gesamteindruck allerdings kaum. Denn „Years and Years” ist ein Tour de Force Negativritt der 2020er Jahre, den wir teilweise schon so erleben müssen und der sich hoffentlich nicht noch weiter bewahrheiten wird. Das Konzept der Serie, das Schicksal einer Familie gekoppelt mit der sich verändernden weltpolitischen Lage, geht hervorragend auf und liefert eine leicht dystopische Serie, die jeder gesehen haben sollte.

84/100
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