„Borgen” ist die definierende dänische Politik-Dramaserie, die aus dem dänischen Zentrum der Macht erzählt und bis in die EU hinein reicht. Zur Einordnung würde ich die Serie als eine Mixtur der bekannteren Serien „House of Cards” und „The Newsroom” bezeichnen. Das wird Borgen aber nicht gerecht, da die 1. Staffel bereits vor beiden genannten Serien veröffentlicht wurde. Die ersten 3 Staffeln erschienen zwischen 2012 und 2013, die – überraschend gute – vierte Staffel wurde 2022 nachgeschoben.
Die Serie, mit dem grauenvollen deutschen Untertitel „Gefährliche Seilschaften”, porträtiert die dänische Politik- und Medienlandschaft anhand einiger Hauptcharaktere. Im Mittelpunkt steht Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen), die Vorsitzende der (fiktiven) „Moderaten“ Partei, kurz vor der Parlamentswahl in Dänemark. Nachdem der Wahlkampf zu Beginn im Vordergrund steht, verlagert sich die Handlung danach zur Regierungs- und Koalitionsbildung, sowie dem Regieren des Landes Dänemark. Doch wie es sich für eine politische Serie gehört, sind zahlreiche Intrigen, Sabotagen, geheime Quellen und Skandale Teil des großen, unterhaltsamen Spiels. Für den ersten größeren Skandal zeichnet sich Birgittes „Spin Doctor“ (sowas wie ein Medienchef) Kasper Juul (Pilou Asbæk) verantwortlich, der verdeckt Informationen an die Presse weitergibt. Diese Informationen erhält Katrine Fønsmark (Birgitte Hjort Sørensen), eine investigative Journalistin beim Sender TV1, die stets nachbohrt und eng an den relevanten politischen Entscheidungsträgern agiert. Die Hauptfiguren befinden sich in einem Spannungsfeld aus Karriere und Privatem, woraus sich eine ganze Reihe von Konflikten entwickelt. Das ist bei Birgitte am besten gelungen, die On-Off Beziehung der beiden weiteren Hauptdarsteller ist auf Dauer etwas nervig, aber dennoch realistisch.
Die Serie ist solide produziert, große kreative Ideen bei Kamera oder Regie muss man allerdings nicht erwarten. Stattdessen ist die Serie sehr auf ihren Inhalt, die Handlung fokussiert. Diese möchte ich nicht weiter ausführen, da ich sonst zu viel spoilern und die Spannung herausnehmen würde. Somit betrachte ich die ersten 3 Staffeln inhaltlich als eines, die Qualität der Staffeln variiert auch nur leicht. Mit der Wahl, der anschließenden Regierungsbildung und dem tatsächlichen Regieren gibt es zwar einen klaren roten Faden, dennoch wirken die Episoden aber manchmal etwas unzusammenhängend. Sie schließen häufig nicht aneinander an (es verstreicht „off-screen“ Zeit) und widmen sich einzelnen Themen. Beispielsweise werden in einer Folge Piraten in Somalia thematisiert, mal steht der Friedensprozess in Afrika im Vordergrund, mal geht es um Sexarbeiter und deren Rechte. Die Themenpalette ist vielfältig, was gleichzeitig eine Stärke und eine Schwäche der Serie bedeutet. Auf der einen Seite zeigt dies gut, an wie vielen Fronten man in der Regierungsverantwortung Experte sein muss, um vernünftige Entscheidungen zu treffen. Auf der anderen Seite wirkt die Handlung dadurch etwas fragmentarisch und sie verliert Tempo. Am stärksten ist „Borgen“, wenn einzelne Episoden das größere Narrativ verändern und weiterbringen. Meistens stehen dabei innenpolitische Konflikte rund um Putschversuche, Intrigen, Illoyalität und den Einfluss der Medien im Mittelpunkt, in diesen Sequenzen und Folgen weiß die Serie zu brillieren.
Durch ihre episodische Erzählstruktur werden einige Themen leider nur an der Oberfläche behandelt, im Spannungsbogen der Einzelepisoden wird dabei häufiger auf klassische Erzählformen (Klischees) zurückgegriffen. Mein persönlicher Wunsch wäre gewesen, dass man sich stattdessen auf weniger – allerdings spannende – Themen fokussiert hätte. Denn die Serie zeigt an vielen Stellen, dass sie dazu fähig ist, Probleme und mögliche Lösungen umfassend darzustellen. Die Serie wird nach ihrer expositionshaltigen ersten Staffel allerdings gar nicht langweilig, sondern nur noch interessanter. Staffel 2 ist für mich die beste, weil die Haupthandlung klug weitergeführt wird und auch das Privatleben der Birgitte spannende, neue Aspekte bietet. Die Staffel endet mit einem fiesen Cliffhanger, der tatsächlich in Staffel 3 nicht aufgenommen wird. Denn stattdessen entscheidet sich die 3. Staffel für einen Zeitsprung von zweieinhalb Jahren, den man erstmal verdauen muss. Doch danach weiß die Serie gekonnt mit neuen Ansätzen das altbekannte Politik Thema frisch zu halten. In „Borgen” passiert von Staffel zu Staffel viel, gerade am Ende der Staffel gibt es häufig konsequente Entscheidungen und Veränderungen.
Diesen Willen zur Weiterentwicklung unterstreicht auch Staffel 4, die neun Jahre nach der 3. Staffeln veröffentlicht wurde und demnach auch 9 Jahre innerhalb der Geschichte vergangen sind. Birgitte ist nun Außenministerin und muss sich dem Problem (oder den Möglichkeiten) stellen, dass in Grönland Öl gefunden wurde. Dabei gerät sie in ein außenpolitisches Spannungsfeld zwischen den USA, Russland und China mit dem immer schwelenden Dänemark-Grönland Konflikt rund um die Unabhängigkeit im Hintergrund. Die 4. Staffel wurde jedoch von der Aktualität des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eingeholt. Das wurde zwar mit (mutmaßlichen) Nachdrehs noch mit in die Haupthandlung eingebaut, es fügt sich aber leider nicht ganz flüssig ein. Ansonsten widmet sie die Geschichte ganz dem Thema der populistischen, von Macht korrumpierten Politiker – tatsächlich auch am Beispiel von Birgitte. Insgesamt profitiert die mutmaßlich finale Borgen Staffel erheblich davon, dass es sich um eine Hauptgeschichte handelt und nicht zahlreiche Einzelepisoden davon ablenken.
Ich möchte Borgen letztlich in seiner Gänze empfehlen. Das schmutzige Intrigenspiel in Politik und Medien wird stark dargestellt. Die Darsteller leisten gute Arbeit, die Serie entwickelt sich stets weiter und weiß mit neuen Facetten zu überzeugen. Für mich ist die 1. Staffel tatsächlich die schwächste, Staffel 2 und 4 die besten. Wer etwas mit anderen Politikserien anfangen kann, wird „Borgen” mutmaßlich ohnehin bereits gesehen haben, allen anderen möchte ich die Serie aber auch ans Herz legen. „Borgen” lohnt sich allgemein, weil es sich um eine klassische Dramaserie mit Familienproblemen und Beziehungen handelt, nur eben ergänzt um das Workplace Drama – ein Drama am Arbeitsplatz, dem dänischen Regierungssitz.



