Dopesick – Die schockierende Opioid-Krise als Dokudrama. Review Miniserie

„Dopesick” ist eine fesselnde, schockierende und erschreckende Miniserie über die riesige Opioid-Krise in den USA. Die schmerzhafte und manchmal fast  unglaubliche Serie basiert auf wahren Ereignissen und stellt das Schmerzmittel Oxycodon in den Mittelpunkt, das in den 90er Jahren seinen Siegeszug antrat und so viele Menschen in die Abhängigkeit stürzte.

Die damalige Geschichte wird anhand einiger Hauptcharaktere aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt. Beginnend beim skrupellosen, real existierenden Pharmakonzern „Purdue Pharma”, über die Pharmavertreter, die Ärzte belügen, damit diese möglichst viel des neuen Schmerzmittels erwerben und verschreiben, bis hin zu eben diesen Ärzten. Doch da endet die Kausalkette noch nicht, denn die wahren Opfer dieses Lügenkonstrukts warten am Ende der Nahrungskette: Die Patienten, die das Medikament von ihren gutgläubigen, naiven oder teils auch selbst gierigen Ärzten verschrieben bekommen und davon unverhofft süchtig werden.

In zwei weiteren Zeitebenen – jeweils ein paar wenige Jahre versetzt, die Zeitsprünge ziehen sich durch die gesamte Handlung – fokussiert sich „Dopesick” zunächst auf den Ursprung der Krise, zeigt das Leid der Betroffenen und die Naivität der Ärzte. Danach thematisiert die Serie aber auch die Frage, ob und wie man den Pharmakonzern überführen und bestrafen kann. Im Detail zeigt die hervorragende Miniserie den Kampf gegen Windmühlen einzelner Menschen in Behörden innerhalb des Verwaltungsapparats der USA, der zum Großteil auch durch politische Einflussnahme und Korruption geprägt ist. Speziell folgt der Zuschauer zunächst einer DEA-Beamtin und später Staatsanwälten in West Virginia.

Die Serie benötigt etwas Zeit und gönnt sich ein relativ langes Setup, da für einige Personen viel Exposition betrieben wird. Aber diese Zeit ist notwendig, um die Charaktere zu verstehen und auch um mit ihnen mitfiebern zu können oder um sie hassen zu lernen. „Dopesick” ist sehr gut produziert, die Regie ist solide, die Drehbücher und Dialoge funktionieren. Darüber hinaus ist die Serie bis in Nebenrollen mit guten Schauspielern besetzt. Vor allem Michael Keaton, Kaitlyn Dever und der überragend fiese Michael Stuhlbarg stechen heraus, aber auch Rosario Dawson, Peter Sarsgaard, Will Poulter und viele weitere füllen ihre Rollen mit Leben und sorgen für eine gute Glaubwürdigkeit und Authentizität. Zum Teil entfernt sich der Fokus der Handlung für mich einen Ticken zu weit vom Pharmaunternehmen und wie man sie zur Strecke bringen könnte. Denn zurecht dürfen die Einzelschicksale der Opfer, der Geschädigten nicht fehlen, so dass es logisch ist, dass der Zuschauer ins Privatleben der Betroffenen eintaucht. Doch dieser Einblick ins Privatleben ist bei den von Oxycodon abhängigen Figuren besser gelungen als bei den Mitarbeitern der Ermittlungsbehörden (gerade die Stories um Dawsons Charakter), deren Geschichten die Handlung etwas in die Länge ziehen. 

Letztlich taugt „Dopesick” sehr als überaus frustrierende Nacherzählung dieser ultimativ traurigen, realen Geschichte mit so viel Korruption und Fehlern im System, dass man sich fragen könnte, wie sowas überhaupt möglich ist. Schockierend, aber irgendwie auch nicht so schockierend, wenn man sich mit den USA etwas auseinandersetzt. Im Kern ist die Miniserie nicht überragend unterhaltsam, sondern lädt mehr zum Kopfschütteln und später zu Wut und Ohnmacht ein. Aber sie ist wichtig, sie ist sehr sehenswert, sie ist großartig gespielt und präsentiert ein relevantes sowie heutzutage leider immer noch aktuelles Thema auf schmerzhafte und passende Weise. Deswegen sollte man „Dopesick” gesehen haben, auch wenn es keine wirklichen Highlightfolgen gibt. Doch das Niveau ist konstant hoch und man leidet mit den starken Charakteren mit. Eine klare Empfehlung.

85/100
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