Mr. Robot ist für mich die beste Serie aller Zeiten. Ich verstehe, dass sie den Massengeschmack nicht so gut trifft, wie beispielsweise „Breaking Bad”. Ich möchte die Drama-Thriller-Serie mit zahlreichen Verschwörungselementen, vielen Absurditäten, etwas Mindfuck, etwas Mystery, einer starken Gesellschaftskritik und wundervoll eigenartigen Charakteren dennoch allen empfehlen.
Zu Beginn ein Service Hinweis: Ich schlage vor „Mr. Robot” im englischen Originalton anzusehen. Als ich mit der Serie begann, gab es noch keine deutsche Synchronisation, aber schon einen kleinen Hype um die Flaggschiff-Serie des „USA Networks”. Als ich später in die deutsche Synchronisation reinhörte, blieb bei den Darstellern zu viel auf der Strecke, gerade der Sprecher des Elliot trifft das Original leider überhaupt nicht.
Inhaltlich möchte ich nicht zu viel verraten und bleibe bei der Ausgangssituation. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Elliot Alderson (Rami Malek, der danach vollkommen zurecht die große Karriere startete), ein soziophober Hacker, der allerdings bei der IT-Sicherheitsfirma „Allsafe” arbeitet und dort für den digitalen Schutz von großen Unternehmen sorgen soll. Allsafes größter Klient ist „E Corp„, die Elliot nur „Evil Corp” nennt, ein riesiges und mächtiges Firmenkonglomerat, das überall Einfluss hat und hochgradig relevant für die Weltwirtschaft ist. Seinen Job bekam Elliot durch seine Jugendfreundin Angela (Portia Doubleday), die beiden sind durch ein Trauma verbunden, da ihre Väter beide an Leukämie verstarben, wohl ausgelöst durch einen Giftmüll Unfall an dem eventuell auch E-Corp beteiligt war… Auf der Arbeit hält Elliot gewissermaßen eine positive Fassade aufrecht, innerlich ist er sehr zerrissen, aufgrund seiner psychischen Probleme auch auf Medikamente angewiesen. Darüber hinaus spricht Eliot viel mit Mr. Robot (Christian Slater, super), eine Art Mentor und Freund von ihm, der ihn allerdings in illegale Aktivitäten reinquatschen möchte. Mr. Robot scheint der „fsociety” nahe zu stehen, einer Untergrund-Hacker-Organisation, die Evil Corp zu Fall bringen möchte.
Mehr möchte ich nicht verraten, ich werde inhaltlich nicht auf die verschiedenen, insgesamt 4 Staffeln eingehen, weil das zu viel spoilern würde. Als kleiner Appetithappen: Die Welt dreht sich teilweise rasant weiter, es werden andere Genres bespielt, jede Staffel hat ihre eigene Identität und kann mit sehr krassen, überraschenden Szenen brillieren, große Bösewichte werden aufgebaut, das FBI tritt auf den Plan und das Ende setzt nochmal allem die Krone auf und drückt kurzzeitig den Absurditätsknopf. Die Reise lohnt sich. Während Staffel 1 noch relativ klassisch erzählt wird, allerdings mit großartigen letzten Folgen überzeugt, bildet die erste Hälfte der 2. Staffel den einzigen Hänger der Serie. Hier sind einige Leute ausgestiegen, weil die Handlung etwas auf der Stelle tritt. Doch man braucht Geduld und ab Folge 5 bröckelt so langsam die dargestellte Handlung und die Fesseln werden gelöst. Ab da ist Mr. Robot fast durchgängig großartig und bietet so viele erinnerungswürdige, fantastische Momente. Staffel 3 ist schon wunderbar mit einigen Highlight-Episoden und Staffel 4 hebt die Serie nochmal auf ein neues Niveau. Nicht häufig kommt es vor, dass eine Serie, die sich über 4 Staffeln erstreckt, so ein passendes, umfassendes, erklärendes und hochemotionales Ende abliefern kann. Man bemerkt, dass die Serie immer für 4 Staffeln konzipiert war, es gibt – mit der kleinen Ausnahme des Beginns von Staffel 2 – keine Filler. Ein großes Faustpfand im Vergleich zu anderen Serien, die kein gelungenes Ende präsentieren konnten („Game of Thrones”).
Was man „Mr. Robot” stets anmerkt, ist ein wahnsinniger Batzen an Kreativität und Lust aufs Filmemachen von Creator und Hauptregisseur Sam Esmail. Das wird kombiniert mit einer vielschichtigen, komplexen, twistreichen Story, bei der man dranbleiben und ständig mitdenken muss, um alles verstehen und aufsaugen zu können. Diese fantastischen Ideen werden immer ausgefeilter und absurder, die One-Shot-Folge oder auch die stumme Episode sind absolute Meisterwerke, einige Folgen sprengen Genrekonventionen und Sehgewohnheiten. Darüber hinaus wird gerade im Verlauf eine hohe Konsequenz an den Tag gelegt, die immer größer werdende Bedrohung wirkt sehr real. Die Zitate und Anleihen an so viele fantastische Filme und Serien (z.B. etwas für Fincher-Fans) funktionieren hervorragend, aber „Mr. Robot“ gelingt es aus seiner Mischung eine ganz eigene, starke Identität zu kreieren. Auch die Musikauswahl ist überwiegend großartig, wenn ich an den „Kraftwerk – Spiegelsaal” denke, kriege ich noch heute Gänsehaut, genau wie bei „M83”, als ich Tränen in den Augen hatte. Das ist große Kunst.
Eine spezielle Lanze muss ich für die Darsteller brechen, die ihre Figuren zum Leben erwecken und komplett abliefern. Teilweise wirken sie overacted, teilweise überzeichnet, aber letztlich passen diese eigenwilligen Charaktere großartig ins Gesamtbild. Carly Chaikin als Darlene ist herrlich dauergenervt, Martin Wallström spielt den kompromisslosen Tyrell Wellick mit absurder Charakterentwicklung fantastisch, Stephanie Corneliussen spielt die verrückte Schwedin Joanna überzeugend. Grace Gummer wird als wichtiger neuer Hauptcharakter Dom in Staffel 2 reingeworfen und kann genauso wie BD Wong in einer sehr wichtigen Rolle punkten. Mein persönlicher Favorit bleibt aber Michael Cristofer, der seine Figur Phillip Price mit so einer Arroganz und Chuzpe spielt, seine Stimme stets eine solche Gravitas ausdrückt, als sei er in einer Theatervorstellung. Es war immer wieder ein Genuss ihm zuzusehen.
„Mr. Robot” wird einigen thematisch etwas zu sperrig oder zu „edgy” ist, die doch recht klischeehaften Hacker-Sequenzen können stören. Zudem können die teils artifiziell wirkenden Figuren oder dass die Serie weit abdreht und absurd wird ein kleines Hindernis sein. Doch im Kern ist Mr. Robot ein fantastisches Erlebnis, bei dem man zu Beginn nicht weiß, auf welch abenteuerliche Reise man mitgenommen wird. Aber wenn – gerade ab Staffel 3 – jede Folge ein Ereignis als Einzelepisode ist, was sich gut in einen Gesamtkontext integriert, dann muss ich das besonders wertschätzen. Für mich entfaltete Mr. Robot eine regelrechte Sogwirkung, so dass ich jede Woche auf die neue Folge wartete. Natürlich wird die Handlung manchmal arg absurd und verrückt, aber genau das macht die Serie aus, hier wird nicht auf sicher gespielt, hier werden mutig Konventionen gebrochen und dennoch eine zusammenhängende, interessante Geschichte erzählt. Zumeist spannend, fast immer unterhaltsam, häufig überraschend, weiß Mr. Robot durchgängig zu überzeugen.
Am Ende ist „Mr. Robot” für mich die Serie, die mir häufig genau das zeigte, was ich sehen wollte, obwohl ich das zuvor gar nicht hätte benennen können. Auch wenn die Beschreibung der inhaltlichen Ausgangssituation nicht ganz auf die eigenen Interessen maßgeschneidert erscheint, sollte jede/r „Mr. Robot” eine Chance geben. Am besten im Originalton. IMDb hatte die Genialität der Serie früher besser verstanden, die 8,5 Bewertung ist ein Witz. Für den Massenmarkt sollte „Mr. Robot“ dennoch eine Serie mit der 9 vor dem Komma sein, für mich ist sie sogar nah an der Perfektion.



