„Tribes of Europa“ ist eine deutsche dystopische Actiondramaserie, die in der Zukunft spielt. Dafür muss ich grundsätzlich ein Kompliment aussprechen: Es ist schön, dass dank Netflix eine deutsche Dystopieserie, die in einem apokalyptischen Europa um 2070 spielt, überhaupt gedreht werden kann und ausreichend Produktionsmittel erhält, dass sie ganz gut aussieht.
Das Europa von heute ist in Folge eines großen Blackouts 2029 komplett verfallen, es gibt 2074 mehrere Tribes, die in einer weitgehend stromlosen apokalyptischen Welt leben. Der Fokus liegt in Staffel 1 auf 3 Tribes, den Origines (Waldbewohner), Crows (bringen einfach alle um) und Crimsons (Militär). Das ist alles nicht sonderlich intelligent und clever, sondern greift auf übliche Klischees zurück, aber es reicht als Ausgangspunkt. Die Tribes werden gut vorgestellt und gerade der Anfang bei den Crows mit den Arbeitslagern ist auch durchaus bedrückend. Durch einen taktischen Kniff in Folge 1 wird dem Zuschauer die Gesellschaft von Crows, Crimsons und freischaffenden Söldnern in den weiteren Folgen vorgestellt.
Auf der positiven Seite ist die Serie gut produziert mit genügend Locations, noch solidem CGI (aber nicht oberstes Regal), eigenem Look, einer guten Portion Konsequenz und in den Actionsequenzen mit schönen „Children of Men”-Vibes ausgerüstet, ist die Serie weitgehend unterhaltsam und mit einem guten Pacing ausgestattet. Auf der negativen Seite stehen vor allem die Dialog- und Drehbücher. Warum diese Gesellschaftsformen und Charaktere in vielen Dystopien immer komplett abgedreht und overacted sein müssen, weiß ich nicht, aber es nervt. Das ergibt ein weiteres Problem: Die Schauspielerei ist… naja. Gerade die jüngeren Darsteller sind meist nicht sonderlich überzeugend, die Alteingesessenen spielen Karikaturen. Im Mix aus Englisch&Deutsch, der die ganze Serie bestimmt, klingen gerade die englischen Dialoge häufig holprig (was durchaus so gewollt sein kann, als nicht Muttersprache). Ob der Humor funktioniert (gerade bei Oliver Masucci) ist eine subjektive Frage. Die Logiklöcher sind glücklicherweise nicht so groß wie die komödiantisch-riesigen Öffnungen in einer der Gefängniszellen, aber sie sind im späteren Verlauf leider doch vorhanden und können schmerzen. Genau wie eine gewisse Vorhersehbarkeit und Naivität bei unseren Hauptfiguren, damit die Handlung auch so fortschreiten kann, wie es im Drehbuch steht.
„Tribes of Europa” hat seine Schwächen, als Genrefan kann man aber mal Probe schauen. Es ist sicherlich mutig und klar besser als sowas wie „Altered Carbon” Staffel 2.



