For All Mankind – Astronauten in alternativer Realität. Review Staffeln 1-4

Das Space Race ist nicht beendet, wie in der Realität, sondern fängt gerade erst an. Vor allem, als die Russen kurz darauf zusätzlich PR-mäßig einen weiteren Sieg erringen: Die erste Frau auf dem Mond. Der Fokus bleibt stets bei den US-amerikanischen Astronauten, die eine Mischung von real existierenden und fiktiven Figuren, sowie bestimmten von realen Personen inspirierten Figuren (Neil Armstrong, Wernher von Braun, Jerrie Cobb) verkörpern. Immer wieder wird mit Zeitsprüngen gearbeitet, so dass Staffel 1 die Zeit von 1969 bis Mitte der 70er behandelt. Staffel 2 spielt in den 80ern, Staffel 3 in den 90er Jahren, Staffel 4 in den 2000ern. Das funktioniert weniger gut im Make-up-Department, weil häufig dieselben Darsteller nur alt geschminkt werden, hält die Handlung aber frisch, weil große Zeiträume erzählt werden können. Wer so wenig wie möglich von dieser alternativen Realität wissen möchte, dem sollte das an dieser Stelle reichen. Vor allem die ersten beiden Staffeln fand ich wirklich gut und ich würde die Serie für Astronauten-Raumschiff-Fans sicherlich empfehlen.

Ab Folge 3 der 1. Staffel wird zunächst das Nasa-Trainingsprogramm für Frauen priorisiert, später in der Staffel wird vielleicht Wasser auf dem Mond gefunden, was Basis für eine Mondbasis wäre. Ein erneuter Wettlauf zwischen Sowjets und US-Amerikaner entbrennt. Aber auch auf der Erde gibt es einige Krisenherde. Politische Intrigen, Vertuschungen, Eheprobleme, Homosexualität und viele mehr. Die Exposition und das Anlegen der Charaktere in Staffel 1 dauert etwas lang. Aber es wird auch ein großes Ensemble an Figuren mit eigenen Problemen und Hindernissen etabliert. Der rote Faden ist noch etwas ziellos zu Beginn (Folge 1+2), ab der Mitte wird jedoch der Mond präsenter. Gerade Folge 5, 9 und 10 sind absolute Raumfahrer-Highlights. Dabei kommt jeder auf seine Kosten, der die Hollywood Apollo-Filme und weitere Raumfahrt-Expeditionen liebt. Viele Kamerashots aus dem Kommunikationsraum der NASA, viel Houston Kommunikation und ordentlich Raumschiff & Mondbasis Handlung mit ein bisschen Kosmonauten Sprenkeln und dem Hüpfen auf dem Mond. Klassische Genrekost, nur in der alternativen Realität, so dass man nicht schon vorher weiß, wie es ausgeht. 

Staffel 2: In einer Kurzzusammenfassung zu Beginn werden die späten 70er und Anfang der 80er bis zum Jahr 1983 präsentiert. Reagan ist Präsident, die Mondbasis erheblich ausgebaut, zahlreiche Missionen und Astronauten fliegen routiniert. Doch die Spannungen mit den Sowjets verschärfen sich sowohl auf dem Mond als auch auf der Erde. Gleichzeitig wird eine gemeinsame Mission der beiden Supermächte angestoßen: Astronauten und Kosmonauten sollen sich im All symbolisch die Hand geben. 

Nach einer ersten Folge, die sofort dramatisch und stark mit einem Sonnensturm einschlägt, wird es danach ruhiger. Die Zeit hat sich spürbar weitergedreht, viele Charaktere haben sich anders weiterentwickelt, als man glaubt, andere erwartbar. Endlich wird auch die Story um die mexikanische Ingenieurin, die Staffel 1 ohne Payoff beendete, aufgegriffen und intensiviert. Ansonsten sind die Szenen in der „normalen” Gesellschaft wieder schwächer als die im All oder in Houston. Gerade Karens Handlungen stießen mir sauer auf. Die letzten 2 Folgen sind wieder großartig. Gerade die letzte Folge ist mutmaßlich die beste der ganzen Serie. Hier laufen wirklich alle Konflikte hochspannend zusammen! Insgesamt fand ich Staffel 2 noch einen Ticken besser, weil sie etwas flüssiger als die 1. Staffel ist.

In Staffel 3 verlagert sich die gesamte Aufmerksamkeit auf den Mars, das nächste Space Race steht bereits vor der Tür. Doch diesmal ist noch ein 3. Mitspieler dabei, ein privates Raumfahrtunternehmen. Schnell durchmischt sich das Astronautenfeld so, dass es letztlich für die größtmöglichen Dramen oben auf dem Mars konstruiert wird. Generell wirkt spätestens ab Staffel 3 alles sehr konstruiert, worunter die Glaubwürdigkeit, gerade im hinteren Teil der Staffel deutlich leidet. Letztlich fand ich das Space Race und die Grundidee der Staffel immer noch sehr gut, auch die Spionagegeschichte funktioniert. Doch die zwischenmenschlichen Beziehungen und so einige Charaktere, die auf einmal sehr viel Screentime erhalten, waren eher nervig. Die Stevens Abkömmlinge sind ganz grauenvoll, jeder in seinem eigenen Handlungsstrang, Karens riesiger Einfluss aus dem Nichts nervt auch, Ed wird zunehmend unsympathischer, die Mars Love Story mit Kelly hätte ich nicht gebraucht, die Geschichte der Präsidentin ist bestenfalls „House of Cards“ light.

Was ich erneut mochte: Die Konsequenz. „For All Mankind” ist wie „Game of Thrones” im All. Einige haben Plot Armor, andere Figuren werden bewusst aufgebaut, nur um ihren Tod emotionaler werden zu lassen. Die klassischen Weltraum-Versatzstücke sind immer noch gut, man muss in Staffel 3 allerdings leider Abstriche bei den Figuren machen. 

Staffel 4 hat das Grundsatzproblem, dass es nun um einen Asteroiden geht, der gezogen werden muss und nicht mehr um den deutlich spannenderen Mond oder Mars. Im Jahr 2003 spielt eine großer Teil der Handlung auf der Marsstation, wo einfache Arbeiter schlecht von Helios bezahlt werden und sich ein Konflikt, eine Gewerkschaft, vielleicht sogar eine Rebellion andeutet. Nach den Toden der letzten Staffel ist die Erdgeschichte auch etwas stringenter erzählt rund um Margo und Aleida. Diesen Handlungsstrang mochte ich ganz gerne, weil er auch die russische Seite etwas mehr beleuchtet. Die Nebenhandlungsstränge fand ich in dieser Staffel wieder etwas besser, das stete Bäumchen-Wechsel-Dich des Ed und die Haupthandlung empfand ich aber sicherlich als die schwächste der Serie. Am Ende fand ich auch die Ansicht, wer letztlich „Held” ist, sehr seltsam. Das Pulver scheint so langsam verschossen. Doch mindestens eine weitere Staffel wird es noch geben.

Insgesamt konnten die Staffeln 3&4 nicht mehr an die Qualität der vorherigen beiden Staffeln anknüpfen. Obwohl die letzte Episode jeder Staffel stets Highlights bietet, scheint die Serie langsam an Treibstoff zu verlieren. Ich würde vielleicht empfehlen erstmal nur die ersten beiden Staffeln zu schauen, wobei die Serie danach auch keinen qualitativen Mondkrater hinunterfällt, aber etwas schwächer wird.

80/100
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