„Station Eleven” ist eine sehr spezielle und eigenartige Miniserie, die auf verschiedenen Zeitebenen vom Ausbruch einer globalen extrem tödlichen Pandemie (Buchvorlage 2014) an den ersten Tagen, dem Jahr danach und 20 Jahre später erzählt, als verschiedene Gruppen Überlebender mit unterschiedlichen Moral- und Wertvorstellungen aufeinander treffen.
Die Pilotfolge der zehnteiligen Miniserie ist eindrucksvoll. Jeevan (Himesh Patel) ist Zuschauer eines Theaterstücks, dabei erleidet der Hauptdarsteller einen Herzinfarkt. Es ist der Beginn des Ausbruchs der Pandemie in Chicago, die Krankenhäuser überlaufen, das Chaos bricht aus. Irgendwie gelangt die 8-jährige Kirsten (Matilda Lawler, top Leistung) in seine Obhut, sie schlagen sich gemeinsam zu Jeevans Bruder Frank (Nabhaan Rizwan) durch. Der Anfang entfacht somit spürbare „Last of Us“-Vibes. Doch die 2. Folge setzt leider nicht dort an, sondern springt 20 Jahre in die Zukunft. Kirsten ist nun erwachsen (und wird von Mackenzie Davis gut gespielt) und Teil einer Shakespeare Theater Wandergruppe, die vor verschiedenen Gruppierungen der neuen Welt ihre Aufführungen präsentiert und den Menschen damit Unterhaltung und Positivität schenkt. Doch in der Zukunftswelt ist natürlich nicht eitel Sonnenschein, sondern es gibt auch eine Gruppe um einen Propheten, der mit Selbstmordattentäter-Kindern agiert und weitere gefährliche Gegenspieler.
Das Seltsamste an der Serie ist ihre Struktur. Grob wechselt sich eine Folge Rückblick (Folgen 1,3,5,7,9) mit einer Folge Gegenwart mit kleineren Rückblick Segmenten ab. Überraschenderweise ist die Vergangenheit viel spannender und interessanter, als diese komische Shakespeare-Truppe, mit der ich bis zum Ende nie wirklich warm wurde. Die neue Welt finde ich komisch, die alte Welt und die Zeit nach dem Ausbruch richtig spannend. Somit ist über die Hälfte dieser Miniserie Exposition, selbst die vorletzte Folge ist noch ein Rückblick, der endlich den Verbleib der letzten Hauptfigur in seiner Gänze erklärt. Das ist ungewöhnlich, aber grundsätzlich nicht schlimm.
Doch während die Figurenkonstellationen in der Zeitebene nach dem Ausbruch vernünftig erscheinen, man Beweggründe versteht und die Charaktere Tiefe entwickeln, was in einer großartigen 7. Folge gipfelt, bleibt die Gegenwart blass. Vor allem im direkten Vergleich, verstehe ich teilweise kaum die Beweggründe, teilweise sind die Charaktere merkwürdig eindimensional und die schlimmsten Aktionen werden viel zu schnell vergeben oder ihnen wird keine große Bedeutung beigemessen.
Insofern bleiben die Gegenwart und die stete Shakespeare-Symbolik für mich lange eher ein Dorn im Auge, ich wollte mehr Rückblenden (was ich sonst selten mag). Aber immerhin gelingt die Verknüpfung der beiden Ebenen in einer recht kitschigen, letzten Folge. Die sehr treffende, emotionsgeladene Musik, eine stimmige Inszenierung mit einigen kreativen, spannenden Ideen und Schnitten sowie die überzeugenden Darsteller heben die Serie letztlich auf eine gute Stufe, trotz der schwächeren Gegenwartsgeschichte.
Wie bewertet man eine Miniserie mit komischer zweigeteilten Struktur, deren eine Hälfte eine überzeugende Geschichte mit starken Charakteren bietet und deren andere Hälfte dabei nicht mithalten kann? Wie bewertet man eine Serie mit Highlights und Lowlights? Ich mochte das Ende letztlich, so dass ich mit einem guten Gefühl die Serie verließ und eher die positiven Punkte in den Vordergrund stellen möchte. Eine einzigartige Serie, die mutige Bewege bestreitet, wenn auch einige Wege eher Irrwege sind. Interessantes Thema, eine starke Hälfte, einige Makel. Dennoch sehenswert und ein kleiner Geheimtipp für Fans von Survival-Dystopie.



