Die dramatische Mystery/Dystopie/Sci-Fi Serie „Westworld”, basierend auf dem gleichnamigen Film von 1973, stellt zunächst die klassische Frage nach dem „Ich” bei Robotern (hier Hosts) in den Vordergrund, rätselt darüber hinaus in einem verwinkelten Plot rund um Labyrinthe, Motive und Robotergefühle aber auch über philosophische Fragen. Staffel 1 ist wohl eine der besten aller Zeiten, leider konnte die Qualität danach nicht gehalten werden.
Ich würde empfehlen, dass man sich vorher weder den Film ansieht noch sonst über die Serie nachliest, denn das würde sehr spoilern. Ich wusste beim ersten Ansehen fast nichts und genau das war ideal. Deswegen werde ich die Handlung nur in ihrer Ausgangslage präsentieren, obwohl sich die Serie im Verlauf rasant weiterentwickelt und auch andere Genres bespielt werden.
Das Setting der Serie ist die titelgebende Westworld im Jahr 2050, eine Westernwelt, die in Wahrheit ein riesiger Vergnügungspark für reiche Leute der Zukunft ist, der von der mächtigen Firma Delos betrieben wird. Man kann es sich vorstellen, wie ein riesiges begehbares Videospiel, nur besser. Denn Westworld wird von zahlreichen „NPCs” bevölkert, die äußerlich nicht von Menschen zu unterscheiden sind und in verschiedenen Narrativen (Quests) die zahlenden Kunden durch die Welt führen. Diese „NPCs” heißen im Kanon der Serie „Hosts“ und sind im Wesentlichen Roboter, die kein Blut sondern eine weiße Gussform und Elektronik im Inneren verbergen. Sie können die „Spieler”, echte Menschen, nicht verletzen, sind ihren gewaltvollen und sexuellen Aktionen komplett ausgeliefert und werden zum Spielball der teils sadistischen Kunden des Freizeitparks. Nach einer auserzählten Narrative wird die Erinnerung der Hosts zurückgesetzt. Doch Dr. Ford (Anthony Hopkins), das Mastermind hinter der Entwicklung der Hosts, spielt unbemerkt Updates auf einigen Hosts auf, die dadurch Gefühle entwickeln können. Im Zentrum stehen dabei Dolores (Evan Rachel Wood) und Maeve (Thandiwe Newton).
Das ist nur der Haupthandlungsstrang unter vielen, denn natürlich hat Delos wenig Interesse daran, dass die Hosts eigene Persönlichkeiten entwickeln, die nicht in die gebauten Narrative hineinpassen und Probleme verursachen. Inhaltlich steht die klassische Roboterfrage im Mittelpunkt: Was macht den Menschen zum Menschen, stehen nicht auch Robotern Rechte zu? Darüber hinaus wirft die Serie auch eine ganze Reihe von untypischen Fragen auf, die tatsächlich zum Nachdenken und Miträtseln anregen. Gerade der ganze Handlungsstrang um den Mann in Schwarz (Ed Harris), der in Westworld ein Labyrinth finden möchte, wovon er glaubt, dass der ursprüngliche Macher Arnold es für ihn hinterlassen hat, ist hochgradig verwirrend. Sein Handlungsstrang ist allerdings relativ klassisch Western, generell erinnert das ganze Setting stark an das Videospiel Red Dead Redemption. Besonders großartig ist „Westworld”, wenn es zu Reveals kommt, die häufig unerwartet sind. Auch die Konsequenz gegenüber einigen Figuren ist bemerkenswert.
Faustpfand der Serie ist sein großartiges Ensemble. Gerade Anthony Hopkins spielt seine Rolle unglaublich gut. Aber auch der Rest des Ensembles ist klasse, Jimmi Simpson ist fantastisch, James Marsden, Aaron Paul und Tessa Thompson sind gut, Jeffrey Wright überragend. Was für ein unglaublicher Cast auf dem Papier, der tatsächlich auch durchweg liefert. Vor allem in Staffel 1 und 2 ist es eine Wohltat, wenn einfach jeder Hauptdarsteller groß aufspielen kann, niemand negativ abfällt. Die Musik der Serie mit ihren Pianostücken bekannter Titel ist eine Wohltat für die Ohren.
In Staffel 1 muss man vielleicht etwas Geduld haben um mit der Handlung warm zu werden, da man zu Beginn noch nicht wahnsinnig viel versteht, sondern zunächst viele Fragen aufgeworfen werden. Das Setting ist allerdings sofort fantastisch und man hängt Hopkins an den Lippen. Gerade die letzten paar Folgen in Staffel 1 sind große Kunst mit einer 10. Highlightfolge, die sich als Einzelfolge mit den bestmöglichen Konkurrenten messen kann. Teilweise langsam, teilweise explosiv und brachial erzählt, bietet „Westworld” auch genügend Raum zum Nachdenken.
Staffel 2 kann das überragende Niveau der 1. Staffel nicht ganz halten, fokussiert sich noch mehr auf die wirre Labyrinth Suche, hat aber dennoch das ein oder andere Filetstück zu bieten. Gerade wenn das Setting aufgebrochen wird, konnte mich die Serie nochmal vom Hocker reißen. Die beiden ersten Staffeln gehören inhaltlich noch deutlich zusammen, danach verändert sich die Serie stark, allerdings bleibt alles eine logische Haupthandlung.
Staffel 3 entwickelt sich weit weg von seinen beiden vorherigen Staffeln. Ich fühlte mich nun eher an Blade Runner, 2001 und gute Black Mirror Folgen erinnert. Mit diesem Genrewechsel geht man Risiken ein, die Fans der vorherigen Staffeln zu verlieren, mir hat die Neuausrichtung aber gut gefallen. Meine Kritikpunkte sind die Actionsequenzen, die teilweise schon lächerlich wirken und viele schnelle, schwer nachvollziehbare Charakterentwicklungen. Ich mochte die Staffel aber durchgehend – auch ihren Metakommentar – und war mit dem Ende zufrieden.
Staffel 4 war für mich die erste enttäuschende Staffel der Serie. Die Haupthandlung ist nach dem Ende von Staffel 3 nicht folgerichtig und beginnt sehr lahm. Der ganze Dolores-Handlungsstrang ist weder hochinteressant, noch nimmt er Fahrt auf. Calebs Storyline ist zwar weder sonderlich schlau oder clever, hat aber ihre starken Momente. Generell werden viele Gegebenheiten über Bord geschmissen und neu etabliert, was man schlucken muss. Leider endet die Staffel seltsam unlogisch, es wirkt eher wie eine Fillerstaffel vor dem großen Finale, das mit Staffel 5 kommen sollte. Das opulente Ende wird es aber leider nicht mehr geben, die Serie wurde abgesetzt. Sehr schade, da man das Ende schon geschrieben und vor Augen hatte. Doch warum hat man es nicht als 4. Staffel gemacht und somit die Serie (in meinen Augen) von vorne bis hinten mit hoher Qualität abgeschlossen? Eine bittere Entscheidung.
Vielleicht lohnt es sich nur die erste überragende Staffel von Westworld zu schauen und es dabei zu belassen. Die Popularität der Serie nahm danach deutlich ab. Ich mochte allerdings die ersten 3 Staffeln, was sich in meiner hohen Gesamtbewertung widerspiegelt. Staffel 1 gebe ich 95%, Staffel 2&3 bekommen 86%, Staffel 4 zieht die Serie runter. Somit bleibt ein schwaches Ende einer Serie, die so stark begann.



