The Witcher – Vom Überraschungshit zum Ärgernis. Review Staffeln 1-3

Ich würde nur die ersten beiden Staffeln empfehlen. Nach der Enttäuschung des „Game of Thrones”-Endes, war Staffel 1 vielleicht sogar die Fantasystaffel des Jahres 2019 und ein wahrer Überraschungshit. „The Witcher” hat im Vergleich deutlich mehr (zum Teil bessere) Schwertkämpfe, mehr Magie, mehr Kreaturen und mehr Gespür für Charaktere und Handlung. Aus meiner Sicht war die erste Staffel nicht überragend, legte aber eine sehr gute Grundlage und Exposition für den weiteren Verlauf der Geschichte. Die Hauptdarsteller und deren Originstories, vor allem von Yennefer (Anya Chalotra) und Ciri (Freya Allan) werden ausgiebig erzählt, Geralt (Henry Cavill) hält sich meist mit eher videospieltypischen Quests über Wasser. Eine gewisse Verwirrung durch verschiedene Zeitebenen, verschiedene Rassen, verschiedene Magier-Konstellationen, verschiedene gegeneinander kämpfende Völker und dieses starke Gefühl von wenig zusammenhängenden Einzelepisoden verhindern vor allem zwischen Folge 2 und 6 eine sehr starke 1. Staffel. Der Anfang und das Ende sind dafür allerdings wirklich stark. Durch die Exposition von interessanten Charakteren und Welt wurde eine solide Basis gelegt.

Staffel 2 ist deutlich stringenter, klarer und mit spürbarem rotem Faden erzählt. Die Expositionen sind nun zumeist abgeschlossen, die Welt wird besser erklärt, die verschiedenen Konfliktparteien sind besser greifbar. Doch vor allem hilft es, dass Geralt und Ciri nun beisammen sind und es eine eigenständige große Questreihe gibt, zu der auch später Yennefer gehört. Das CGI ist etwas besser geworden, die Kämpfe sind leider etwas schwächer und weniger gut choreographiert, vermutlich weil man fast nur gegen CGI-Monster kämpft. Der Barde ist weiterhin als „Comic Relief“-Charakter am Start, ob man es mag oder nicht. Zusammenfassend konnte Staffel 2 die gute Grundlage in klare Bahnen lenken und hat dabei einige DInge verbessert, andere verschlechtert.

Staffel 3 hatte im Vorhinein schon den Riesenknall zu verkraften: Es handelt sich um die letzte Staffel mit Faustpfand Henry Cavill. Weil er keinen Bock mehr hat auf die Autoren, die das Ausgangsmaterial nicht ordentlich behandeln, sondern eigene Dinge erfinden und grundsätzlich in eine Richtung gehen, mit der sich Cavill nicht mehr identifizieren kann. Starker Tobak, der bereits im Vorfeld der dritten Staffel öffentlich wurde. Doch hat der gute Henry recht? Ja, seine Ausführungen sind nach Ansicht der 3. Staffel ziemlich verständlich.

Ich versuche die Staffel aber davon losgelöst zu beurteilen: Die Macher versuchen sich diesmal an einer großen Storyline und keinen Sidequests mehr: Nilfgard kommt näher und will Ciri finden, genauso die Magier, bei denen nun der böse Feuermagier wieder auf den Plan tritt. Ciri, Geralt und Yen sind diesmal anfangs beisammen, treffen jedoch schnell komische Entscheidungen und können sich frei durch Raum und Zeit bewegen. Es wirkt so, als kannte man Punkt A und Punkt B, dazwischen herrscht aber große kreative Leere. Problematisch wird es dann, wenn weder A noch B sinnvoll sind. Die Drehbuchschreiber übernehmen sich völlig an der großen Storyline und man fragt sich als Zuschauer, ob sich die Autoren bereits während der Drehbücher zur 3. Staffel im Streik befanden – zumindest im Logik- und Kreativstreik. Hat die Staffel denn noch genügend Qualitäten, so dass man über dieses Durcheinander einer Story hinwegsehen kann? Nicht wirklich. Vereinzelte gute Szenen leiden unter fehlendem Kontext, fehlender Exposition, fehlender Charakterbildung oder fehlender Nachvollziehbarkeit.

Es würde mich wundern, wenn es noch mehr als die 4. Staffel geben wird, die mit Hauptdarsteller-Tausch ohnehin mutmaßlich nur noch morbide Zuseher anlocken wird. Cavill verlor vordergründig den Machtkampf, aber mit seiner Distanzierung von der Serie, könnte er letztlich der einzige Gewinner sein. Das Web war auch eindeutig auf seiner Seite. Somit kann ich eigentlich nur die ersten beiden Staffeln von „The Witcher” empfehlen.

77/100
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