„Game of Thrones” ist die Fantasy-Serie der letzten 20 Jahre. Basierend auf den Büchern von George R.R. Martin bietet Westeros eine spannende, hochinteressante Welt, die mit ihren verschiedenen einflussreichen Häusern ans Mittelalter erinnert und Machtansprüche, Intrigen, Bündnisse und Kriege in den Vordergrund stellt. Dazu kommt eine Komponente um Drachen und etwas Magie. Lange Zeit befand sich die Serie schnurstracks auf dem Weg aufs oberste Treppchen des Serien-Olymps, bis es zum tiefen Fall kam.
Selten hat sich eine Serie so in der Popkultur verankert, selten wurde Inzest so inszeniert, selten konnte eine Serie Woche für Woche den Web-Diskurs so stark bestimmen. Das erlebte man sonst nur bei den letzten „Breaking Bad” Staffeln. Besonders clever von den Machern war, dass jedes Jahr eine neue, opulente Staffel veröffentlicht wurde, so dass „Game of Thrones” nie Zeit hatte, in Vergessenheit zu geraten.
Es ist schwierig über eine 8-staffelige Serie, die von 2012-2019 ausgestrahlt wurde, in der Retrospektive zu schreiben. Vor allem wenn die Enttäuschung über die letzten beiden Staffeln, vor allem die letzte, immer noch Jahre später vorherrscht und die guten Zeiten der Serie (Staffeln 1-6) noch länger zurückliegen. Dennoch gilt: „Game of Thrones” war zurecht das globale Phänomen, eine der meistgesehenen Serien aller Zeiten, eine Serie, die mit jeder Staffel einen neuen Hype entfachen konnte – bis die Buchvorlagen („Das Lied von Eis und Feuer„) nicht mehr vorhanden waren und die Serie eine Klippe hinab stürzte. Oder die Mauer, die die White Walker abhalten soll. Deswegen verstehe ich Toplisten nicht, in denen „Game of Thrones“ weiterhin vorne thront, denn ¼ der Serie ist leider schwächer, ⅛ katastrophal. Die Staffeln 1-6 alleine wären in den Top 5, aber leider kann man das Ende einer Serie nicht einfach ignorieren.
Ich habe die Serie damals noch nicht Staffel für Staffel bewertet, deswegen werfe ich nur einen Gesamtblick auf die Serie, beginnend mit ihrer Ausgangssituation. In Westeros gibt es 7 Königreiche, die alle von stolzen Häusern geführt werden. Doch der Inhaber des Eisernen Throns, der in der Hauptstadt steht, herrscht über alle Königslande. Eigentlich handelt es sich um eine Erbmonarchie, im Laufe der Zeit gab es allerdings auch den ein oder anderen Putsch. Zu Beginn der Handlung sitzt Robert Baratheon auf dem Eisernen Thron, er möchte die Hilfe des Hauses Stark (aus dem hohen Norden) haben und bittet Eddard Stark (Sean Bean) seine „Hand” (sein erster Berater und „Staatssekretär”) zu werden. Intrigen gehen zu Beginn vor allem vom Hause Lannister aus, die vom Thron regelrecht besessen zu sein scheinen. Grundsätzlich steht das titelgebende Ränkespiel um den Thron, wer darauf sitzt und wer damit die formelle Kontrolle über die Welt hat, im Zentrum der Serie. Daraus entwickeln sich einige Kriege und auch Mordversuche am königlichen Hof. Darüber hinaus gibt es einen weiteren riesigen Handlungsstrang rund um Daenerys Targaryen (Emilia Clarke), die sich als rechtmäßige Thronerbin sieht und sich auf einem anderen Kontinent nach und nach ihre Machtposition erkämpfen muss. Gegen Ende der Serie wird der dritte große Handlungsstrang der Serie, die große Gefahr aus dem Norden, immer relevanter, denn eine Armee der White Walker bedroht alle Königslande, wenn die Nationen nicht zusammenhalten und die Mauer gegen das unbekannte, böse Fantasyvolk verteidigen.
„Game of Thrones” brillierte aufgrund der großartigen, riesig angelegten Welt mit all ihren Häusern, Intrigen und den meisterhaft verwobenen Geschichten. Dabei gibt es eine ganze Fülle von unterschiedlichen, sehr hübschen Settings und fast unzählig viele Charaktere mit ihren Nebenhandlungssträngen. Natürlich ist davon nicht jeder fantastisch, aber die großen Handlungsstränge wissen auf den Punkt zu überzeugen und schrecken dabei auch nicht vor Konsequenzen in Form von Charakter-Toden oder harten Szenen zurück. Aus dieser Eigenart, dass sich keine Figur sicher sein konnte, formte die Serie klug ein Markenzeichen: Niemand ist sicher. Dadurch wurde die „Game of Thrones” spannender und unvorhersehbarer (für Nichtkenner der Bücher). Die recht dialoglastige Serie besitzt über lange Zeit ein gutes Pacing und weiß, wann sie die Handlung mit mehr Action anreichern muss. Dabei gibt es aber auch immer wieder ruhigere Folgen.
Highlights sind die häufig stark inszenierten und komparsenreichen Schlachtsequenzen, die mit Brutalität, guten Kampfsequenzen und großen Auswirkungen punkten können. Schauspielerisch agiert nicht das ganze, riesige Ensemble auf höchstem Niveau, einige, wie beispielsweise Peter Dinklage oder Lena Headey, überzeugen von vorne bis hinten, gerade die jüngeren Darsteller müssen erst in ihre Rollen hineinwachsen, an andere schwächere Schauspieler gewöhnt man sich mit der Zeit. Das sind allerdings nur kleine Makel. Gerade wenn ich an die Höhepunkt-Folgen zum Ende der jeweiligen Staffeln zurückdenke, sei es das überraschende Ende von Staffel 1, die „Red Wedding”, das „Battle of the Basterds”, Hodor, oder die fantastische Joffrey Staffel, kriege ich immer noch Gänsehaut und könnte ins Schwärmen geraten. Denn die Serie hatte so viele wunderbare, erinnerungswürdige Momente, die mich gebannt auf den Bildschirm blicken ließen.
Doch dann kam ein ruiniertes, gehetztes Ende. Ich möchte mich nicht in Rage schreiben, deshalb nur kurz: Es gibt kein Verständnis mehr von Raum und Zeit, Charakterhandlungen sind nicht mehr nachvollziehbar, die Logik krankt, die Schlachtsequenzen sind dunkel und enttäuschend inszeniert, der Abgang vieler Charaktere ist hochgradig unwürdig. Das alles gipfelt in einer letzten Folge, die ich nur als Frechheit und Schlag ins Gesicht für alle bezeichnen kann, die vorher mitgefiebert haben. Man fragt sich an vielen Stellen, ob die Macher das wirklich ernst meinen und hinterfragt, ob es sich gelohnt hat, so viel Zeit und Interesse in die Serie zu investieren.
Daher ist es für mich schwierig zu beurteilen, ob sich „Game of Thrones” heute noch in seiner Gänze lohnt. Vermutlich schon, weil die überragenden Momente der ersten 6 Staffeln letztlich den Quatsch der letzten beiden überstrahlen sollten. Aber den Olymp erreicht „Game of Thrones” deswegen leider nicht. Ich würde vielleicht empfehlen, nach Staffel 6 aufzuhören, aber das ist natürlich schwierig, wenn man weiß, dass es weiterging und die Serie bis dahin überwiegend großartig war.



