„The Leftovers” ist eine HBO-Mystery-Drama-Serie, die von 2014-2017 in 3 Staffeln lief und schon vor einigen Jahren als echter Geheimtipp galt, wobei sie für ein echtes „geheim” dann doch zu bekannt ist. Aber stimmt diese Einschätzung und sollte man die Serie nachholen? Absolut.
„The Leftovers” wusste mich zu begeistern und ich schätze sie als zeitlos genug ein, um auch heute noch neue Fans zu finden. Die Serie ist etwas sperrig, zu Beginn etwas langatmig, recht pseudo-philosophisch und enthält viele Metaphern und Symbolik, diese Themen erschließen sich aber aus der Hauptgeschichte und wirken nicht aufgesetzt. Die erste Staffel und der Auftakt sind leider die schwächsten Elemente der Serie, deswegen würde ich empfehlen, die erste Staffel komplett durchzuschauen, bevor man frühzeitig aufgibt. Gerade die letzten beiden Folgen wissen bereits zu brillieren und können hoffentlich eine Sogwirkung erzeugen. Staffel 2 ist in Teilen wirklich fantastisch, Staffel 3 sehr gut, man muss sich durch Staffel 1 vielleicht zu Beginn etwas durchkämpfen. Aber es lohnt sich!
„The Leftovers” hat eine sehr spannende Mystery-Prämisse: Auf einmal verschwinden 2% der Weltbevölkerung einfach so, von einem auf den anderen Moment. Niemand weiß wohin, niemand weiß warum. 3 Jahre nach diesem weltumspannenden, seltsamen Ereignis setzt die Haupthandlung ein. Dabei geht es zunächst nur in Ansätzen darum, wohin die Menschen verschwunden sein könnten. Sind sie tot? Wurden sie wegteleportiert und leben woanders? Diese Fragen bleiben im Hintergrund, stattdessen geht es mehr darum, wie die Verbliebenen 98% damit umgehen. Wie ändert sich eine Welt, eine Gesellschaft und ihre Glaubens- und Moralvorstellungen, wenn so etwas Undenkbares passiert?
Im Zentrum der Serie steht Polizist Kevin Garvey (Justin Theroux), der psychische Probleme hat und zunächst versucht ein möglichst normales Leben zu führen. In seiner Familie verschwand auf den ersten Blick niemand, auf den zweiten Blick allerdings das ungeborene Kind seiner Frau aus ihrem Bauch heraus, wovon Kevin aufgrund einer Ehekrise nichts weiß. Er lebt mit seiner zurückgezogenen Tochter Jill (Margaret Qualley in einer ihrer frühen Rollen) zusammen, die beiden verbindet ebenfalls ein schwieriges Verhältnis. Ein weiterer Hauptcharakter ist Nora Durst (Carrie Coon), die ihre ganze Familie, ihren Mann und ihre zwei Kinder, beim damaligen Ereignis verlor und damit den Hauptpreis der Tombola zum Thema mathematische Wahrscheinlichkeit gewonnen hat. Sie arbeitet für eine Behörde des plötzlichen Verschwindens, die den Ursachen des Verschwindens auf die Spur kommen will, indem sie durch Befragungen der Hinterbliebenen Muster sucht.
Grundsätzlich ist The Leftovers eine Ensemble-Serie. Es gibt eine ganze Reihe von Hauptcharakteren und Nebencharakteren, die teils fast ganze Einzel-Episoden erhalten. Im besten Fall fühlt sich diese Erzählweise wie ein perfektes Mosaik an (wie Staffel 2), zum Teil wirkt sie unzusammenhängend und etwas frustrierend, wenn man eigentlich ein anderen Handlung folgen wollte. Es ist aber positiv hervorzuheben, wie viel Zeit sich für die Charaktere genommen wird, was später dabei hilft, deren Entscheidungen besser nachvollziehen zu können. In den verschiedenen Handlungssträngen geht es wahnsinnig viel um Trauer, den erschütterten Glauben und um Erklärungsansätze für dieses absurde Ereignis. Es gibt Sekten, es gibt die Ablehnung der Sekten, Jesus-Vergleiche häufen sich im Laufe der Serie. Als Zuschauer wird man häufig damit konfrontiert, ob man der jeweiligen Person und ihrer Sekte nun Glauben schenken darf. Denn in einer Welt, in der 2% der Menschheit einfach verschwindet, ist die Frage, wie sinnvoll eine Sekte ist, natürlich schwieriger zu beantworten, als in unserer realen Gegenwart.
Eine Antwort, was wirklich passiert ist und welcher Erklärungsansatz der richtige ist, bekommt der Zuseher natürlich lange nicht. Es liegt immer an uns, wie weit wir den Gedankenkonstrukten der Charaktere folgen möchten, gerade wenn einige Theorien doch sehr verrückt und wirr wirken. Die Produktion der Serie ist auf einem hohen Niveau, gerade in den hinteren Staffeln sind die Machart, Regie und der Mut, das Genre zu wechseln, wirklich beeindruckend. Darüber hinaus möchte ich speziell die emotionale Musik erwähnen. Der Soundtrack ist super und der Max Richter Score untermalt die Szenen mit einer fantastischen Melancholie. Kurz möchte ich noch mittels Brennglas die verschiedenen Staffeln einschätzen:
In Staffel 1 sind mir das eher beliebige Highschool-Thema und die weißgekleidete Sekte, deren Anziehung mir unklar bleibt, noch etwas ein Dorn im Auge. Zu Beginn fehlt es darüber hinaus leider etwas an Tempo. Die Weitererzählung der Geschichte wirkt in Teilen etwas hölzern. Dennoch ist die erste Staffel natürlich wichtig als Exposition für die folgenden Staffeln und sie nimmt am Ende richtig Fahrt auf.
Staffel 2 ist für mich die beste. Das Pacing ist nun besser, das neue Setting hilft der Serie deutlich spürbar. Dazu kommt eine gelungene Krimigeschichte, die Serie hat nun ihren Platz gefunden und weiß, was sie erzählen möchte. Und das ist hochgradig absurd, die zweite Staffel der Serie fordert den Zuschauer heraus und bietet einige denkwürdige unfassbare Momente. Ich konnte den ganzen WTF-Momenten aber meist in der internen Logik der Serie folgen (bis auf eine Ausnahme). Vor allem die International Assassin (2.8) ist absolut großartig.
Staffel 3 gilt für viele als die beste Staffel. Auch durch nun nur noch 8 Episoden statt der vorherigen 10 Episoden pro Staffel ist das Pacing ähnlich gut wie in Staffel 2. Der Beginn gefiel mir sehr gut, danach fremdelte ich ein wenig mit dem neuen Setting und den teils sehr verrückten Ideen, die vom Vater und Nora-Handlungsstrang ausgingen. In einer solchen absurden Serie kann es natürlich immer den Kipppunkt geben, an dem man sagt: Jetzt bin ich raus! Dieser Punkt wurde bei mir nicht ganz erreicht, ich konnte mich dann doch in das Becken der Skurrilität hineinfallen lassen. Die große Frage ist natürlich: Gelingt der Abschluss, was wahrlich nicht leicht ist, bei einer solch absurden Serie? Ich finde schon, das etwas kitschige und für Interpretationen offene Ende wusste durchaus zu überzeugen.
„The Leftovers” ist in Deutschland immer noch als Geheimtipp zu verstehen, den ich jedem empfehlen möchte. Man muss leider Staffel 1 etwas Zeit geben, aber Staffel 2 und 3 überzeugen mit hochgradig absurden, aber auch sehr unterhaltsamen Episoden und Antworten auf die zu Beginn gestellten Fragen.



