Dark – Die beste deutsche Serie. Review ganze Serie

„Dark“ ist ein sorgsam gesponnenes, hochkomplexes Konstrukt über mehrere Zeitebenen, in denen Kinder verschwinden und noch so viel mehr passiert. In Teilen ist „Dark” sehr verwirrend, vor allem, weil man nicht immer sofort die Figurenkonstellationen begreift, aber innerhalb seiner eigenen Logik erscheint die Geschichte kohärent. Die Serie ist keine typische „Unterhaltungsserie“, sondern fast eher wie ein Puzzle, Mosaik, das sich nach und nach zusammensetzt. Manchem wird der deutsche Serien-Primus sicherlich zu viel pseudo-philosophisches oder religiöses Geschwafel enthalten, manchen wird es viel zu paradox erscheinen. Aber wenn man sich auf die Serie einlässt, wird man mitgenommen auf eine wilde, hochinteressante, spannende und gehirnverknotende Fahrt. Ein sehr einzigartiges, mutiges Werk.

In Staffel 1 sind einzelne Dialoge und vor allem, wie die Schauspieler sie vortragen, teilweise noch etwas. Die spannende Hauptgeschichte, die fantasievollen, aussagekräftigen Bilder, die starke Regie und gute Schnittarbeit sowie sehr passende Musik sorgen für eine überaus überzeugende Atmosphäre. „Dark” entwickelt nach dem ersten großen Twist, Reveal und dem großartigen „Was zur Hölle”-Moment am Ende – bei dem ich schon Gänsehaut bekommen, wenn ich nur daran denke – eine Sogwirkung, der ich mich nicht entziehen konnte. Anfänglich wurde die Serie auch mit „Stranger Things” verglichen, doch das hinkt total, denn „Dark” ist ernster, kühler und bewegt sich storytechnisch in anderen Genres. Darüber hinaus ist Dark auch deutlich besser.

Staffel 2 hebt die Serie noch weiter in andere Genresphären. Die Jungschauspieler sind zum Großteil besser geworden und in ihre Rollen hineingewachsen, die großen Stärken aus Staffel 1 sind geblieben, da die Geschichte auch nahtlos fortgeführt wird. Mankos bleiben einige Dialoge, die für manche vermutlich zu pseudo- wissenschaftlich/religiös/philosophisch sind und teilweise schwer zu verstehende Aktionen der Figuren. Aber ich bin mir auch nicht sicher, ob ich immer schlau handeln würde, wenn ich so eine geballte Veränderung meiner Lebensrealität erleben müsste. Staffel 2 ist ein absolutes Erlebnis, bei dem man noch aufmerksamer als in Staffel 1 sein muss, um alles wirklich vollends zu verstehen, da man in regelmäßigen Abständen mit Mindfucks konfrontiert wird. Schön ist, dass eine große Menge der zuvor aufgeworfenen Fragen tatsächlich beantwortet wird. Doch natürlich werden auch ähnlich viele Fragen neu aufgeworfen, die sich teilweise auf einem ganz absurden Niveau bewegen. Zur Story sage ich nicht mehr viel: Es erinnert teilweise an „Twin Peaks” oder „Timecrimes”, einen meiner absoluten Lieblings-Indie-Sci-Fi-Filme. Die 2. Staffel ist wirklich exzeptionell gut, besser als die 1.

Staffel 3: Nach dem unglaublichen Ende der 2. Staffel und seinem krassen Cliffhanger wird die Geschichte auf diesen verrückten Pfaden fortgesetzt. Alles wird noch komplexer und erstreckt sich über noch mehr Zeitebenen, so dass dem Zuschauer viel abverlangt wird. Die Schauspieler haben sich zum Großteil gut weiterentwickelt, die Dialoge funktionieren gut. Aus meiner Sicht werden in der ersten Hälfte der Staffel auch einige Handlungsstränge ausgebreitet, die weniger relevant sind und man fragt sich, warum man diese Geschehnisse der Nebencharaktere so umfangreich aufgezeigt bekommt. Zum Teil lohnen sich die Geschichten allerdings, da sie in einen späteren Payoff münden. Dennoch hat die Staffel zu Beginn ganz leichte Pacing Probleme, aber spätestens ab Folge 4 dreht die Handlung komplett durch und es wird sehr aufs Tempo gedrückt. Im Kern erscheint die Serie überraschenderweise am Ende in ihrer eigenen Logik als sinnvoll, was ihr sehr hoch anzurechnen ist. Ein paar Logikfragen (Löcher?) blieben bei mir, aber das fällt überhaupt nicht ins Gewicht. 

Insgesamt war auch Staffel 3 ein unvergleichliches Erlebnis und meine Angst, dass man diese epochale Geschichte nicht zu einem Ende führen kann, war letztlich unbegründet, auch wenn man das Ende ein wenig als „Easy Way out” bezeichnen kann. Eine überragende Serie, bei der ich mir kaum vorstellen kann, dass eine andere deutsche Serie sie so bald übertreffen wird. Wenn man „Dark” komplett nachholt, rate ich kaum eine Pause zwischen den Staffeln zu lassen. Ich schaute mir damals einstündige Staffel-Zusammenfassung der vorherigen Staffeln auf Youtube an, um immer bestmöglich auf die jeweils neue Staffel vorbereitet zu sein.

Nicht umsonst ist „Dark” eine Serie, deren Staffeln ich immer in möglichst kurzer Zeit weggebinged habe. Um noch alles frisch im Kopf zu behalten, aber auch, weil ich immer mehr wissen wollte und kaum aufhören konnte. Eine solche Sogwirkung hatte auf mich bisher noch keine andere Serie.

90/100
Total Score
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