Die deutsche Nerd-Vorzeigeserie passt gleichermaßen in die Comedy und in die Genremix-Kategorie. Der Slapstick-Humor ist sehr maßgeblich, im Verlauf der Staffeln entwickelt sich die Serie allerdings deutlich weiter, fischt stark im kriminellen Milieu und liefert einige Hommagen an Genregrößen.
Die 1. Staffel der deutschen Serie mit 6 Folgen à 30 Minuten spielt im Oberstufen-Schulmilieu (17/18-Jährige). Die Serie basiert lose auf einem echten Fall eines Schülers, der online Drogen verkaufte. Denn der Titel der Serie ist Programm, nachdem der Hauptcharakter Moritz (Maximilian Mundt) zu Beginn von seiner Freundin Lisa (Lena Klenke) verlassen wird und sich durch den Drogenverkauf wieder interessant machen will. Dabei helfen soll natürlich auch das hereinkommende Geld. Unterstützt wird er bei seiner Geschäftsidee von seinem besten Kumpel Lenny (Danilo Kamperidis).
Danach entspinnt sich eine Dramedy-Story in modernem Gewand mit großem Fokus auf social media, Gamer-, Nerd- und Webkultur. Wider Erwarten gelingt der Serie die Darstellung dieser Themen überraschend gut. Die temporeiche Machart und Aufmachung mit schönen Bildern, modern-schnellem Schnitt ist ein weiteres Faustpfand der Serie. Eine clevere Metaebene, gute Nebencharaktere (Bjarne Mädel) und tolle Gastauftritte runden den Gesamteindruck stimmig ab. Mit seinem zeitweiligen Slapstick und den typischen immergleichen Schulversatzstücken konnte mich die 1. Staffel nicht völlig überzeugen, das Drama und die moderne Machart funktionieren allerdings gut. Leider hört Staffel 1 mitten in der Geschichte auf, aber glücklicherweise gab es noch weitere Staffeln.
Staffel 2 beginnt sehr amüsant, auch wenn die drängenden Fragen des Cliffhanger-Finales der vorherigen Staffel erstmal nicht aufgedröselt werden. Vorteilhaft ist hier im Vergleich zu Staffel 1 sicherlich, dass auf die Exposition weitgehend verzichtet werden kann. Der Beginn der Staffel ist erneut sehr auf Humor ausgelegt, relativ schnell gewinnt das Drama aber die Oberhand. Das funktioniert aus meiner Sicht etwas schlechter als der pure Humor, da einige Slapstick Momente weiterhin bleiben, es sehr konstruiert ist und ich einige Charakterentscheidungen so nicht nachvollziehen kann. Dennoch bleiben gute Beobachtungen aus der Online-Kultur und weiterhin einige pointierte Sprüche im Drehbuch. In Sachen Produktion gilt dasselbe wie für die 1. Staffel: Ein paar sehr schöne Designentscheidungen und Post-Production Kunststücke runden das visuelle Erlebnis stark ab.
Staffel 3: Weiterhin gilt, dass es wohl kaum eine Serie gibt, die so glaubwürdig am popkulturellen Puls der Zeit liegt. Sie ist dabei nicht immer subtil, aber teilweise überzeugen die sehr stark geschriebenen Beobachtungen, manchmal Albernheiten und Referenzen. Auch Staffel 3 bietet erneut einige Gastauftritte und Parodien des deutschen Fernsehens, über die man einfach schmunzeln muss. Die Staffel beginnt etwas ruhiger und zielloser, nimmt aber ab Folge 3 Fahrt auf und mündet in einem furiosen Ende, das zum bisherigen Serien-Höhepunkt wird. Insgesamt gefiel mir die 3. Staffel, die ich in einem Rutsch schaute, vielleicht sogar bisher am besten. Grundsätzlich hält die Serie aber ihre Qualitäten aufrecht, ist weiterhin unterhaltsam und bietet ähnliche Stärken und Schwächen wie zuvor.
Ganz ehrlich: Staffel 4 hätte es nicht gebraucht, die Geschichte war nach dem starken Ende der 3. Staffel abgeschlossen. Dennoch ergibt die Handlung der 4. Staffel im Kontext der Serie weiterhin Sinn, auch wenn keine neuen großen Fässer aufgemacht werden, sondern nochmal dasselbe erzählt wird (in Sachen Figurenkonstellation und Story). Das ist aber gar nicht schlimm, weil die Serie weiterhin popkulturell ziemlich ins Schwarze trifft und gerade zu Beginn erneut komplett der Humor regiert. Ein bisschen Slapstick, ganz viele Fremdscham und Cringe-Momente, passende Beobachtungen, überhöht quatschige Parodien, Charaktere und Szenen, in denen bewusst Klischees aufgegriffen und dekonstruiert werden, mischen sich zu einem gelungen Potpourri. Das ist manchmal wenig subtil, manchmal pointierter. Die beiden herausragenden Wortspiele der Serie möchte ich nochmal besonders hervorheben: Der Polizei-Podcast „Tatüta-Talk” ist vermutlich noch größere Kunst als das Tiefkühlunternehmen „Brofrost”.
Deswegen bleibt auch die 4. Staffel in gewisser Weise etwas „Meta” über den Dingen schwebend. Gegen Ende der Serie wurde sich nochmal in Form von Anleihen an erinnerungswürdige andere Serienenden ausgiebig bedient, der Bösewicht dieser Staffel hat mir aber von allen am besten gefallen, weil er etwas geerdeter war. Braucht es die Staffel? Nein, war sie dennoch gut? Ja. Deshalb bleibt auch diesmal ein gutes Gefühl nach der vielleicht wirklich letzten Episode.
Kann und sollte man die Serie in ihrer Gänze nachholen? Ich denke schon. Comedy, gepaart mit bekannten Versatzstücken aus „Breaking Bad“ und Co. nah dran an der deutschen Webkultur. Das ist einzigartig, das wird man nicht mehr so häufig bekommen.



