Toxic Town – Mütter gegen eine korrupte Stadtverwaltung. Review Miniserie

Die britische Antwort auf „Dark Waters“ in Form einer Miniserie für Netflix, die den Fokus mehr auf die Betroffenen legt als – wie das Pendant – auf den Anwalt. Basierend auf wahren Ereignissen, erzählt die Serie von den Altlasten der Stahlindustrie in der britischen Arbeiterstadt Corby in Form von Missbildungen bei Kindern, deren Mütter mit diversen giftigen Restprodukten in Kontakt kamen.

Die leider allzu bekannte Thematik des Behördenversagens und Vertuschens, der Korruption und der vollständigen Rücksichtslosigkeit von Unternehmen gegenüber der Bevölkerung wird klassisch und solide in Szene gesetzt. Gerade in den ersten beiden Folgen liegt der Fokus darauf zu zeigen, wie die Abfallprodukte von den Müttern aufgenommen werden konnten. Das gelingt vor allem durch zahlreiche Close-ups von Staub und Drohnenaufnahmen, die den Dreck hervorragend belegen. Dabei wird sich in „Toxic Town“ viel Zeit für vor allem zwei betroffene Mütter genommen (gut gespielt von Jodie Whittaker und Aimee Lou Wood). Der Sohn der einen hat eine missgebildete Hand, die Tochter der anderen starb kurz nach der Geburt aufgrund fehlender Herzkammern und nicht ausgebildeten Nieren. Im Laufe der Zeit finden sich mehr und mehr betroffene Mütter aus Corby, während fast Krimiartig auch die Stadtverwaltung mit all ihrer Vertuschung gezeigt wird. Später geht es dann endlich auch in den Gerichtssaal.

Ich empfand den Anfang als etwas langatmig, so manche Familiensequenz hätte ich nicht gebraucht, teilweise wirkt es etwas plakativ und klischeehaft. Auch der Humor, der vor allem von Jodie Whitakers Figur ausgeht, hat für mich nicht so gut funktioniert. Doch im Kern, gerade ab der 2. Hälfte der nur vier Folgen, funktioniert die Serie sehr gut. Ab dem Moment, wo der Fall priorisiert wird, Anwälte ins Spiel kommen, sich wirklich etwas bewegt und die verzweifelten Mütter nicht nur im Dunkeln tappen, nimmt die Serie an Fahrt auf. Wie bei Dark Waters liegen die Stärken in der Portraitierung der städtischen Korruption und des Falls im Gerichtssaal. Die letzte Episode ist in dieser Hinsicht ein gelungener Payoff. Außerdem ist das Darstellerinnenensemble sehr gut und glaubwürdig. Ich freute mich auch über eine herrlich unsichere Performance von Robert Carlyle und einen fiesen Brendan Coyle (im Gegensatz zu seiner „Downton Abbey“ Rolle).

Letztlich setzt die Miniserie ein wichtiges Thema gut um. Der Anfang hätte für mich etwas kürzer sein können, aber der Hauptteil der Serie ist absolut gelungen, als unterhaltsames Gerichtsdrama inszeniert und bewegend. „Toxic Town” ist letztlich nicht Jack Thornes beste Arbeit („The Virtues“), aber dennoch sehenswert.

80/100
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