Shôgun wirkt wie das japanische Game of Thrones allerdings tatsächlich in der realen Welt vor historischem Hintergrund angesiedelt. Ankerpunkt der Serie (für westliche Zuschauer) ist ein englischer Seemann, der sich im Spannungsfeld eines Machtkampfes des herrschenden Rates in Japan befindet, obwohl er eigentlich die vor Ort aufkommende Macht des portugiesischen Katholizismus bekämpfen möchte. Eine Serie zum Lesen, weil zumindest gefühlt deutlich oberhalb von 50% der Serie aus japanischen Dialogen besteht.
Durch die Figur des John Blackthorne (Cosmo Jarvis) werden wir als Zuschauer in das Japan des 17. Jahrhunderts hineingezogen, zunächst so verwirrt wie John selbst, mit fortlaufender Dauer und erhöhtem Verständnis der Kultur, werden Zusammenhänge deutlicher. Zu Beginn ist es aber auch nicht leicht die Machtverhältnisse zu verstehen, weil die Herrschaft im Land der aufgehenden Sonne auf wackeligen Füßen steht. Der alte Shogun ist verstorben, sein Sohn noch zu jung für die Nachfolge. Somit herrscht ein Rat, bestehend aus 5 Personen, der das Reich bis zur Volljährigkeit des Thronfolgers verwalten soll. Doch natürlich haben die einzelnen Mitglieder andere Pläne, sie wollen zunächst den begnadeten Feldherren Toranaga (Hiroyuki Sanada) loswerden. In dessen Obhut gelangt der schiffbrüchige John und erfährt aus erster Hand von den Intrigen gegen seinen neuen Lord, der ihm gegenüber recht positiv gestimmt ist. Eng an seiner Seite ist Mariko (Anna Sawai), eine konvertierte Christin aus einem ehemaligen Adelshaus, die nun für John übersetzt und ihm zu mehr Einfluss verhilft.
Shôgun ist ein groß angelegtes Epos und Intrigenspiel. Die Vergleiche mit Game of Thrones sind durchaus gerechtfertigt, vor allem mit Blick auf die früheren Staffeln, denn im Disney+ Original wird sich noch viel Zeit für Charakterentwicklungen und das Entfalten des großen Ränkespiels genommen. Zum Teil steigt man zunächst nicht hinter die Entscheidungen der Charaktere, aber nach einiger Zeit offenbart sich der größere Plan. Es gibt auch ein paar Doppelagenten, so dass für Spannung gesorgt ist und man schreckt auch nicht vor größeren Konsequenzen zurück. Insgesamt sind die Darsteller alle recht zweckmäßig, die japanischen überzeugen schauspielerisch etwas mehr als der Anjin Hauptdarsteller, der mehr als Projektionsfläche für den Zuseher dient.
Ich fand die erste Folge noch etwas ziellos, die weiteren Episoden zur Mitte sorgten für eine gelungene Exposition und ein starkes Worldbuilding bei gutem Tempo. Ab der Mitte gibt es 2-3 ruhigere Folgen, die Folgen 8&9 sind sehr überzeugend und strotzen vor konsequenzen Entscheidungen und Aktionen (mit einem größeren Makel an Folge 9). Die abschließende 10. Episode empfand ich als etwas enttäuschend, weil zwar einige Handlungsstränge beendet werden, aber keinen Showdown. Stattdessen wird viel Exposition für eine folgende Staffel betrieben.
Insgesamt ist die 1. Staffel aber ein gelungener Auftakt für dieses große Epos. Das Japan Flair bringt frischen Wind, die dargestellte Zeit des 17. Jahrhunderts mit zahlreichen verschiedenen Strömungen, die Machtansprüche formulieren, ist interessant. Die Intrigen gehen auf, die Beweggründe der unterschiedlichen Mächtigen immer deutlicher. Zusammenfassend ist Shôgun bislang eine gute erste Staffel mit leichten Makeln gelungen, die jedoch insgesamt Lust auf mehr macht. Die Untertitel-Hürde gilt es mal wieder zu überspringen, aber das sollte für Serien-Enthusiasten mittlerweile kein großes Problem mehr darstellen.



