„Haus des Geldes“ ist die große spanische Serie, der globale Erfolg, der Hit aus Spanien, der viele Kostüme inspiriert hat und im Kern einen interessanten Heist-Plot zu bieten hat. In seinen starken Momenten brilliert die Serie mit einem deutlichen „Ocean’s“ Vibe, auch Filme wie „Inside Man”, Rififi und Co. standen Pate für diese Serie, die spürbar mehr Staffeln bekam, als ursprünglich geplant waren.
Ein Team aus extrovertierten, sehr emotionalen und teils interessanten Charakteren überfällt die Zentralbank und die Notendruckerei Spaniens. Doch nun der Clou: Sie wollen nicht schnell wieder mit ihrer Beute die Bank verlassen, stattdessen verbarrikadieren sie sich dort und nehmen zahlreiche Geiseln. Von außerhalb überwacht der Kopf der Bande, der Professor, die gesamte Operation und ist mit seinen Augen und Ohren der perfekte Ansprechpartner für die Räuber innerhalb der Bank. Er leitet den größten Bankraub der Geschichte von draußen und spielt gleichzeitig Spielchen mit der Polizei, die er immer wieder anruft.
Wie in guten Vergleichfilmen und Serien wird die Geschichte überwiegend zweigleisig erzählt. Einmal aus der Sicht der Bankräuber, einmal aus Polizei-Sicht. Dabei sind allerdings die Bankräuber-Bande die klaren Hauptfiguren, die auch mehr Screentime erhalten, später auch in Form von Rückblenden, die sich näher mit den ungleichen und etwas überzeichneten Figuren befassen. Die Handlung entspinnt sich innerhalb der ersten beiden Staffeln gut und clever, die spanische Handschrift bemerkt man vor allem in den Anleihen an Telenovelas. Denn hoch dramatisch und emotional ist fast jeder Charakter, auch deswegen werden teils schwer verständliche Risiken eingegangen und es kommt zu gröberen Reibereien innerhalb der Räubergruppe.
Die Machart/der Style der Serie (Einsatz von Musik, Schnitt, Kreation von Konfliktmomenten und Hindernissen) ist schnell, laut, klassisch und auch mitreißend. Manche würden behaupten, dass sie an einigen Stellen etwas einfach und plakativ ist, aber die Atmosphäre und Stimmung ist passend zu Charakteren und der absurdenHandlung. Spürbar ist, dass die Serie eigentlich nur die beiden ersten Staffeln umfassen sollte, die gemeinsam eine abgeschlossene Handlung darstellen, bei der immer der Plan und dessen Durchführung im Vordergrund steht. Gegen Ende nimmt die 2. Staffel nochmal Wendungen, die ich vorher nicht auf dem Zettel hatte, aber der große Abschluss dieses Raubes ist überwiegend gelungen. (Leider) war dieses Ende aber nicht gleichzeitig der Abschluss der Serie.
Staffel 3 merkt man sofort zu Beginn an, dass sie nicht unbedingt geplant war, sondern man aufgrund des großen Erfolges die Charaktere nochmal versammelt hat. Herausgekommen ist in vielen Fällen ein klassisches Beispiel von „Style over substance“. An der schon beschriebenen Stilschraube wurde nochmal etwas weiter und lauter gedreht, die Handlung leidet darunter. Allerdings ist der grundsätzliche Überfallplan von Beginn an auf mehr Action ausgelegt, da er viel schneller konzipiert wurde. Es passt irgendwie zur Handlung, konterkariert aber damit zum Teil seine eigenen Charaktere. Die neu eingeführten Charaktere sind leider eher Karikaturen/Archetypen. Seltsamerweise werden dann noch, vor allem in der Mitte der Staffel, in Gesprächen Sexismus, Veganismus und weitere „aktuelle Themen“ angeschnitten, allerdings ohne irgendeinen sinnvollen Beitrag liefern zu können.
Ist Staffel 3 also ein kompletter Reinfall? Nein, keinesfalls. Man hat die Charaktere nun schätzen gelernt, mag sie, die actionreiche Machart passt zur Handlung und sowohl zu Beginn (Folge 1) als auch am Ende (Folge 7&8) erreicht die Staffel definitiv wieder höheres Staffel 1 Niveau. Leider fühlen sich die Folgen dazwischen teilweise „rushed“ an, man verliert schnell den Überblick, Charaktere handeln seltsam, manchmal werden die Rückblenden etwas viel.
Staffel 4 schließt in seiner Handlung direkt an Staffel 3 an, wie auch 1&2 zusammengehören. Die erste Folge startet somit mit guter Action, danach verflacht es aber sehr. Ständig werden Subplots eingebracht aus der Zeit davor, die entweder ziemlich egal sind oder folgende Aktionen innerhalb der Hauptgeschichte leicht vorhersehbar werden lassen. Die ständigen Love-Triangles an jeder Ecke, nur um Zeit von der Uhr zu nehmen und den Bildschirm zu füllen, haben mich eher gestört. Außerdem tauchen auf einmal Personen als große Gegenspieler auf, für die sich vorher kein Lurch interessiert hat und auf die sogar John McClaine in „Stirb Langsam” neidig wäre. Helfend hinzu kommt natürlich, dass die krassen Räuber und Gangster schlechter als Stormtrooper schießen und ihre Handlungen nur Aneinanderreihungen von Dummheiten sind.
Die Krönung sind die Nummer um Palermo und diese seltsame Vergewaltigungsstory um Arturo. Was ist hier eigentlich los? Man merkt vollends, dass das Drehbuch ein ziemliches Durcheinander ist und man sich wohl noch am Set fragte, wie man bloß auf die 8 Folgen kommen sollte. Alles, was im Polizeizelt passiert, ist ziemlich langweilig und läuft auf ein unvermeidliches Ende hinaus, das man aber schon zuvor durch die Erzählerstimme von Tokio serviert bekommt. Eine komische Entscheidung. Folge 7+8 reißen die Staffel etwas aus ihrer Lethargie, da sie sich endlich wieder auf die Stärken besinnen: Wir planen einen Raub, wir führen ihn durch. Das Ende soll dann wieder als Cliffhanger für die neue Staffel funktionieren. Ich habe wirklich das Gefühl, dass in Staffel 3&4 insgesamt eine gute Staffel mit 8 oder 10 Episoden steckt. In dieser aufgeblähten Form war es aber leider viel Leerlauf.
Staffel 5, Teil 1: Die ersten 5 Folgen sind besser als die vorherige Staffel, da das Pacing wieder schneller ist. Während des actionreichen Beginns lässt sich viel leicht mit dem Untertitel: „Maschinengewehrfeuer“ zusammenfassen. Schön ist, dass die krassesten Räuber der Welt und auch die krasseste Spezialeinheit der Welt einfach keinen Schuss ins Ziel setzen können. Verblüffend. Hinzu kommen dann in Rückblenden einige Fälle, die zum Teil überhaupt nichts mit der Aktualität der Ereignisse zu tun haben. Fühlte sich schon fast so an, als würde man schon mal testen wollen, wie Spin Offs beim Publikum nach der finalen 5. Staffel so ankommen könnten. Alles in allem ist die 5. Staffel wieder unterhaltsamer in seiner komprimierteren Form, auch wenn einige Szenen erneut vom Himmel herab „dumm“ schreien. Diese ganze Geburtsszene, junge junge.
Staffel 5, Teil 2: Das Ende der kompletten Serie, das gerne nach Staffel 2 schon hätte eintreten können. Der zweite Teil nimmt den Schwung aus dem Ende der 1. Hälfte gut mit und die Handlung ergreift nun einen roten Faden, damit es aufs Ende zugehen kann. Letztlich streiten sich die Dummheit der Polizisten, die Dummheit unserer Bande, das Wunder der Geburt und wie schnell man seinen Bauch verliert, die kitschigen Szenen (Singen & Getanze, Maschine funktioniert nur mit Liebe) und dieser seltsame Twist gen Ende um den Titel der fragwürdigsten Entscheidung der Drehbuchautoren. Aber hey, es ist spanisch, es ist spannend, es ist Telenovela, es ist alles sehr schnelllebig.
Der seltsam unnötige Twist mit einer ganzen Staffel vagem Vorbau (die ganzen Rückblenden) steht für mich auf dem Siegertreppchen des Quatsches aufgrund des ganzen Zeitaufwands. Daher bin ich mit dem Ende und dessen Sinnhaftigkeit nicht wirklich zufrieden. Aber man erhält immerhin schönen Kitsch mit Sonnenuntergang. Ist das ein wirklich gelungenes Ende? Zumindest teilweise, denn unterhaltsam war der zweite Staffelteil durchaus.
Die ersten beiden Staffeln alleine wären in der Bewertung sicher bei einer 83 gelandet, die weiteren Staffeln ziehen die Gesamtbewertung allerdings leider hinunter. Ich würde empfehlen Staffeln 1&2 zu schauen und danach aufzuhören.



