Narcos – Zeitloser Klassiker mit überragenden Darstellern. Review ganze Serie (Staffeln 1-3)

DIE Netflix-Serie, die den Status von Netflix als Zuhause für wahre Qualitätsserien zementierte (nach dem starken House of Cards-Auftakt). Plata o plomo – Silber oder Blei, Bestechung oder Tod. Die (weitgehend) wahre Geschichte der Narcos in Kolumbien, wie sie ihr Drogenimperium aufbauten und vor allem auch den US-amerikanischen Markt damit überschwemmten.

Ein Blickwinkel befasst sich mit Pablo Escobar und den Kartell-Strukturen, ein zweiter Fokus liegt auf der DEA, genauer relativ wenigen einzelnen Ermittlern, die die mächtigen Kartelle zerschlagen wollen. Zu Beginn eine Warnung, eine Bitte und einige Informationen: „Narcos” konnte bei seinem Release einige Sehgewohnheiten durchbrechen. Etwa 50% der Serie (die Kartell-Angelegenheiten) wird aus Authentizitätsgründen auf spanisch erzählt. Während vorher große Untertitel-Müdigkeit herrschte, konnte Narcos zumindest im Kleinen dazu beitragen, diese Barriere einzureißen, denn dieses Meisterwerk (zumindest Staffeln 1&2) wollten sich viele zurecht nicht entgehen lassen. Somit ist Narcos glücklicherweise kein Geheimtipp, aber einige werden deshalb bis heute auf das Anschauen eines mutmaßlich zeitlosen Klassikers verzichtet haben: Ein Fehler. Generell eröffnet das Überspringen der Untertitel-Hürde so viele Möglichkeiten auf dem Film- und Serienmarkt, es öffnen sich neue spannende Türen in neue Kulturen (wie in „Die Monster AG”). Wenn man noch keine Serie komplett mit Untertiteln schauen möchte, lohnt es sich, mit Narcos zu beginnen, denn hier muss man immerhin nur grob 50% lesen (wenn man sich für gelungene deutsche Synchronisation entscheidet oder gut genug englisch versteht).

Die Serie erzählt die Geschichte des Aufstiegs und Falls der Drogenkartelle in Kolumbien in den 1970-1990er Jahren, die schon bald den kompletten amerikanischen Kontinent mit ihrem Kokain dominierten. Staffel 1 und 2 befassen sich vor allem mit dem Medellin-Kartell rund um Pablo Escobar, die 3. Staffel mit dem Cali-Kartell. Dabei wird sich an den wahren Begebenheiten maßgeblich orientiert, es gab zahlreiche der dargestellten Charaktere und auch die Haupthandlungsstränge sind historisch verbrieft, dennoch werden einige Figuren zu einer zusammengeführt, einige zeitliche Abläufe verändert, Dinge weggelassen. Narcos ist eben keine Dokumentation, sondern eine dramatisierte Geschichte, die allerdings deutlich weniger dramatisiert ist, als man glauben mag. Denn viele der krassen Aktionen sind wirklich passiert. Escobar ließ wirklich im kolumbianischen Urwald Kokain anbauen und über mehrere Routen (darunter Flugzeuge) schmuggeln, er hatte innerhalb des Kartells genauso Probleme wie mit anderen Kartellen und vor allem gab es tatsächlich auch Bürgerkriegs-ähnliche Zustände im Konflikt mit der kolumbianischen Regierung (ein dritter Fokus der Serie). Die DEA war den Kartellen – mal mit mehr, mal mit weniger Unterstützung der US-Regierung – immer auf den Versen, die Serie wird aus der Sicht eines der Agenten erzählt, der sich an die damalige Zeit erinnert. Eine Serie, die nach dem Ansehen zum Nachlesen der Realität auf Wikipedia und Co. einlädt.

Die Produktion der Serie ist auf einem absoluten Top-Niveau. Die Authentizität stimmt, die Action ist gut inszeniert, auch Spannungs- und Thrillerelemente werden von einer überwiegend guten Regie gekonnt verbaut. Das veranschlagte Tempo ist manchmal etwas gemächlich und die Serie generell dialoglastig, jedoch bringen immer wieder krasse Gespräche oder Action-Sequenzen das notwendige Salz in der Suppe. Ich war nach kurzer Zeit von dieser sehr spannenden Geschichtsepoche gefangen, wollte immer mehr.

Die großen Stars sind allerdings die Darsteller. Wie der bisher vor allem in Südamerika für Telenovelas bekannte Wagner Moura den Pablo Escobar mimt, ist ein wahrer Augenschmaus. Dieser eigentlich unscheinbare, dickliche Herr, manchmal liebevoller Vater, der so unfassbar brutal und konsequent sein Imperium leitet. Pedro Pascal, damals noch vor seiner riesigen Popularität von heute, spielt den Agent Pena, der durch seine Sprachkenntnisse und dem Wissen um die lokale Kultur die Verbindung zwischen dem Zuschauer (und der DEA aus den USA) und den absurden Geschehnissen vor Ort herstellt. Auch Boyd Holbrook überzeugt in der Rolle als Steve Murphy, der wie ein Fisch ins kalte Wasser geschmissen wird. Nicht umsonst haben nach der Serie alle drei Hauptdarsteller noch weiter Karriere machen können und in Hollywood Fuß gefasst. Pedro Pascal am stärksten, aber ich freue mich auch heute noch, wenn ich Wagner Moura in anderen Rollen sehe, wie beispielsweise in „Civil War”.

Insgesamt verzichte ich auf eine genauere Analyse der einzelnen Staffeln, weil das Ansehen der Serie bei mir nun auch schon einige Jahre her ist. Die ersten beiden Staffeln bieten allerdings eine Haupthandlung, sie sind daher auf einem ähnlichen Niveau. Die dritte Staffel wirkt schon etwas nachgeschoben, das Cali-Kartell war nicht mehr so spannend, wie das Medellin-Kartell. Dennoch weiterhin sehenswert, war Staffel 3 damals dennoch eine leichte Enttäuschung, die jedoch den Maßstab für die Qualität der Spinoff-Serie „Narcos: Mexico“ setzte.

Staffel 3 zieht die Gesamtbewertung leicht hinunter, aber „Narcos” sollte in seiner Gesamtheit kein Serien-Enthusiast aussparen, die Untertitel sollten keine Hürde sein.

90/100
Total Score
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