Reacher – Die Bücher endlich gut verfilmt? Review Staffeln 1&2

Einige können sich vielleicht noch an die Filmumsetzung mit Tom Cruise erinnern, die damals überwiegend schlecht weggekommen ist. Nun hat sich Amazon gedacht: Hey, das Ausgangsmaterial ist doch immer noch gut, also starten wir einen neuen Versuch. Und das klappt – zunächst.

Ich nehme an, es könnte jetzt gut die neue Amazon „Bosch“ Krimiserie werden, wo man entweder Buch für Buch vorgeht, oder mal mehrere Bücher miteinander verknüpft.

Staffel 1: Reacher, der große, kantige, recht schweigsame Ex Special Agent kommt in eine amerikanische Kleinstadt und untersucht dort auf eigene Faust einen Mord. Dabei wird er gleich mal wegen Mordes verhaftet. Im weiteren Verlauf hilft er der Polizei bei der Aufklärung des Mordes und begegnet noch größeren Verschwörungen. Nach dem interessanten Einstieg läuft die 1. Staffel recht klassisch ab. Gerade in den ersten Folgen wird noch recht viel Zeit auf die Charakterisierung Reachers verwendet, was manchmal gut funktioniert, manchmal ein bisschen seltsam wirkt. In den ersten Folgen gibt es häufiger mal die Szenen, dass Reacher von einer Überzahl von Feinden angegriffen wird, die er dann wegmachen muss, man kann Folge für Folge fast die Uhr danach stellen. Vielleicht wichtige Szenen in den Büchern, aber naja, okay, ich habs verstanden. Ansonsten ist das aber solide bis gut produziert, die Darsteller erfüllen ihre Aufgaben gut und auch das Pacing ist stimmig. Ist es so überragend, wie die imdb-Note es in den ersten paar Wochen nach der Veröffentlichung suggeriert hat? Nein, aber man erhält klassische, harte, unterhaltsame, teilweise an 80s erinnernde Action mit ihren Onelinern, aber mit etwas mehr dahinter. Reicht.

Staffel 2: Meine positive Grundeinstellung zur Serie hat sich mittlerweile etwas verflüchtigt. Reacher muss nun nicht mehr charakterisiert werden (viel Charakter ist ohnehin nicht), sondern bekommt diesmal ein ganzes Team zur Seite gestellt. Aus seiner damaligen Militäreinheit werden die Leute nacheinander ermordet. Mit den verbleibenden Mitgliedern versucht er den Gründen auf die Spur zu kommen und das zu stoppen. Reacher goes Navy CIS. Das ganze einsame und melancholische der Vorstaffel wird komplett über Bord geworfen: Für ein altbackenes Team, das auch nicht mit guten Darstellern gespickt ist. Männer und Frauen hart, Frauen, die häufiger mal von Männern angegraben werden und dann schlagfertig sein können, Männer, die noch nie eine Frau im Kleid gesehen haben und starren müssen: Es ist „funny”. Dazu kommen zahlreiche Klischee-Figuren und Klischee-Handlungssträngen, gerade alles mit den „Gamern” war großartig 90er Jahre. Generell fühlt es sich an wie eine Zeitreise hinzu prozeduralen Militärkrimiserien. Irgendwas passiert, das Team versammelt sich, bisschen suchen und ermitteln, Verfolgungsjagd, bisschen Geballer und Hauen. Hier kommt Blut und Mord noch obendrauf.

Die Action-Sequenzen sind ganz gut inszeniert, das CGI hätte in einer so großen Amazon-Serie etwas besser sein dürfen. Inhaltlich kommt noch eine ordentliche Portion Selbstjustiz obendrauf. Denn Regierung, Polizei, Justizsystem und verweichlichte Gesellschaft haben ohnehin versagt und versagen weiter, so dass eben Reacher entscheidet wer leben darf und wer sterben muss. Ist vielleicht genau wie in den Büchern und deshalb eine gelungene Adaption, aber wirkt aus der Zeit gefallen. Als Vergleich nehme ich erneut Bosch heran: Bosch ist old school, aber die Zeit hat sich weitergedreht und er muss sich anpassen. In Staffel 2 gilt nur Reachers Zeit. Für alle top, die sich von der guten alten Zeit und dem Retter einlullen lassen und für die Navy CIS und Co. der Peak waren. Für den Rest solide Actionkost im Militärkontext, die mindestens angestaubt wirkt.

Ich hatte bisher noch keine Lust mit Staffel 3 weiterzumachen, vielleicht kommt das ja noch.

75/100
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