Scavengers Reign – Erkundung eines fantasievollen Planeten. Sci-Fi-Geheimtipp! Review Staffel 1

„Scavengers Reign” ist eine der kreativsten und fantasievollsten Serien, die ich je gesehen habe. Während andere Sci-Fi-Serien zwar auf anderen Planeten oder im Weltraum spielen, dort aber doch alles fast wie auf der Erde ist, ist „Scavengers Reign” das glühende Gegenbeispiel. Im Animations-Sci-Fi-Abenteuer Epos mit Actionelementen ist der fremde Planet die Hauptattraktion, ein lebender, glaubwürdiger Organismus voller origineller und erinnerungswürdiger Pflanzen und Tiere, wovon viele den Hauptpersonen auf ihrer Mission im Wege stehen.

Die Serie verzichtet auf große Exposition und im Verlauf auf viele Erklärungen, stattdessen entdeckt man die Welt gemeinsam mit drei Teams Überlebender, die nach dem Absturz ihres Weltraumfrachters auf einem fremden Planeten stranden. Die Schiffbrüchigen wollen zurück zum Frachter gelangen, um darin den Rest der Crew im Kryoschlaf aufzuwecken und final von diesem Planeten zu fliehen. Inhaltlich gewinnt die Serie oberflächlich keine Preise, stattdessen fühlt sich die Handlung eher wie ein Videogame an: Die Charaktere müssen von A nach B, lernen dabei die Welt kennen und müssen verschiedene, immer absurder und verrückter werdende Hindernisse überspringen. Die offensichtlichsten Referenzpunkte sind unter anderem die Videospiele „Sable” und „No Man’s Sky”, die beide die Exploration unbekannter Planeten in den Mittelpunkt stellen, auch der Film „Annihilation” teilt sich Plotpunkte mit „Scavengers Reign”. Doch zu dieser Erkundung, dem kindlichen Entdeckergeist, kommt auch ein wunderbarer, ideenreicher, bunter Animationsstil, der etwas an „Pantheon” erinnert. Die Serie ist hochkreativ und man muss aufmerksam zusehen, um alles zu verstehen, weil einiges auch nur über die visuelle Ebene erzählt wird.

Die Erzählung wechselt häufig zwischen den verschiedenen Teams mit Azi und ihrem Robotergefährten Levi, Sam und Ursula sowie dem isolierten und von Unzufriedenheit, Reue und Hass zerfressenen Kamen, der schnell auf das wohl ungewöhnlichste Lebewesen des Planeten trifft, dass sich von seiner Trauer zu ernähren scheint. Dabei springt die Handlung zwischen Gegenwart und Vergangenheit, um in Rückblenden etwas mehr von dem Leben auf der Demeter und den Ursachen des Absturzes zu ergründen. Die drei verschiedenen Gruppen sorgen auch für unterschiedliche Inhalte. Bei Azi und Levi geht es viel um klassische Roboter-Themen, die Frage nach dem Bewusstsein, nach Fehlprogrammierungen, nach dem eigenen Denken. Das wird im Finale von der Verschmelzung zwischen Roboter und Natur überragend auf die Spitze getrieben. Sam und Ursula müssen die schlimmsten und verrücktesten Organismen des Planeten überwinden, so gibt es beispielsweise eine Klonpflanze mit eigenem Kult und Ursula verliert sich als Botanikerin häufiger in ihrer Faszination für diesen fremden Planeten, in dem so viele Lebewesen miteinander interagieren.

Die Produktion der Serie ist sehr gut, der Soundtrack ist stimmig, visuell ist die Serie stark und auch das Pacing ist innerhalb der 12 Folgen à 25 Minuten nie zu langsam, weil an den richtigen Stellen Showdowns eingebaut werden. Man kann in „Scavengers Reign” die Liebe zum Detail an vielen Ecken spüren, beispielsweise in den Referenzen zu „Alien”, „2001” oder vielen weiteren Genreklassikern. Zudem ist die Geschichte vielseitig zu interpretieren, wenn man denn möchte. Kamens Figur und der Planet selbst könnten beispielsweise als Metapher für die Menschheitsgeschichte stehen, aber die Serie unterhält auch ohne große tiefgreifende Interpretation. Denn man kann sich auch einfach von der Geschichte mitreißen lassen und mit kindlicher Freude die neu entdeckten Lebewesen bestaunen. Im Kleinen passieren immer wieder unvorhersehbare Aktionen, die große Storyline ist hingegen etwas vorgeschrieben. Dennoch genießen die Figuren keinen übernatürlichen Schutz und „Scavengers Reign” freut sich auch darüber, manche Charaktere hinter sich zu lassen und neue einzuführen.

Leider ist die Serie, vor allem in Deutschland, kaum bekannt. Sie gibt es aktuell nur in einer englischen Synchronfassung und leider konnten weder HBO Max noch Netflix davon überzeugt werden, der Geschichte eine 2. Staffel zu spendieren. Das ist ultimativ bitter, weil dieses Universum mit der Kreativität der Schöpfer noch deutlich mehr zu bieten hat und die Vorzeichen sehr gut standen. Leider muss man wohl feststellen, dass Science Fiction Freunde in vielerlei Hinsicht doch den bekannten Einheitsbrei sehen wollen, statt sich auf eine einzigartige, kreative, entdeckungsfreudige und spannende neue Welt und neue Gesetze einzulassen. Schade, denn eigentlich ist die Handlung der Serie nicht so nischig, wie sie gemacht wird. 

Somit bleibt eine starke, mutige, manchmal schmerzhafte und etwas blutige Sci-Fi-Serie, deren Welt man mit großer Neugier entdecken kann. Auch wenn die übergeordnete Story mehr Mittel zum Zweck ist, sind die kleinen Geschichten überaus stimmig – und auch das Ende kann punkten. Wenn man die Gelegenheit hat, dann sollte man sich den Geheimtipp „Scavengers Reign” nicht entgehen lassen. Geht mit offenem Geist an die Serie und lasst euch von der Welt verzaubern.

85/100
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