Das Gift der Seele – Hat das Schwiegermonster recht? Review Miniserie

Die Miniserie „Das Gift der Seele” basiert auf dem gleichnamigen Roman und verknüpft eine klassische Romanze mit einer Schwiegermonster-Geschichte. Doch wie bereits die erste Szene (unnötigerweise) andeutet, wird dieser Streit komplett eskalieren. Es gibt allerdings einen Unterschied zu typischen Romanzen-Klischees: Vielleicht ist die „Schwiegermutter“ diesmal gar nicht die alleinige Böse, weil die neue Flamme tatsächlich problematisch sein könnte?

Diese Frage wird final in der letzten Folge geklärt, bis dahin zeigt die Geschichte, wie es zum Höhepunkt des Streits kommen konnte. Dabei nutzt die Miniserie den Kunstgriff der Erzählung aus zwei verschiedenen Perspektiven, wie man es beispielsweise aus „The Affair” kennt. Teilweise erzählt die überbehütende Mutter Laura (Robin Wright, auch Regie in einigen Folgen), teilweise die Immobilienmaklerin und soziale Aufsteigerin Cherry (Olivia Cooke). Manchmal werden so dieselben Szenen anders aus den unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt. Dies führt immer wieder zu Abblenden an Höhepunkten, weil die Story bis dahin eben noch aus der anderen Perspektive erzählt werden muss, bis man dann am spannenden Punkt fortfahren kann. Doch welche Geschichte wird hier eigentlich erzählt? 

Eine altbekannte in neuem Anstrich. Lauren lebt mit ihrem Mann und Ende 20er Sohn Daniel (Laurie Davidson) in London, die Familie ist aufgrund des Ehemanns reich und verkehrt in der Oberschicht. Sie verhätschelt ihr Söhnchen komplett, was auf einen Todesfall seiner Schwester in der Vergangenheit zurückgeführt wird. Nun tritt Cherry in das Leben des Sohnes und die beiden verlieben sich sofort und sehr schnell scheinbar unsterblich ineinander. Vor allem die große sexuelle Spannung, die stets ausgelebt wird und leicht in Richtung Soft-Erotik abdriftet, scheint die beiden zu verbinden. Aus der Beobachterperspektive ist es zunächst schwierig zu verstehen, wie Cherry sich in diesen dauergeilen, kaum intelligenten Wuschelkopf eines Muttersöhnchens mit zahlreichen roten Flaggen in der Familie verlieben kann – außer seinem Reichtum, der aber eben von der Familie stammt. Dennoch bleibt diese Chemie weitgehend unklar, weil der Sohn wirklich überhaupt keine Aura außer „Muttersöhnchen” versprüht. Mutter Lauren ist ein kompletter Kontrollfreak, der ihren Sohn nicht teilen und loslassen möchte, ein paar fremdschämige Mutter-Sohn Sequenzen – auch im sexuellen/ödipalen Bereich – gibt es natürlich auch. Nachdem die beiden seltsamen Rivalinnen einen schlechten Start hatten, an dem beide nicht unschuldig sind, deckt Lauren ein paar Lügen auf und schon bald entbrennt ein Kampf der beiden Frauen um das Nesthäkchen, bei dem es schnell nur noch ums Gewinnen geht – wobei ich mich wirklich frage, was der Typ für ein Preis sein soll…

Das Setting wirkt fast wie eine Parallelwelt zu unserer existierenden Welt. Vor allem, weil man viele Charakterentscheidungen nicht versteht, die Figuren weder um die Ecke noch in einer Geraden denken können und weil die Handlung wahnsinnig konstruiert wirkt. „Oh die neue Freundin meines Sohnes wird gleich durch die Tür kommen, lass uns mal lautstark Witze über ihren Namen machen” ist ein frühes Beispiel, doch die Krone aufgesetzt, bekommt die absurde Idee der Mutter etwas Bedeutendes zu vertuschen. Ich möchte das nicht spoilern, aber im Grunde ist der große, durchaus überraschende Plotpoint in der Mitte wirklich komplett quatschig, absurd aufgelöst und in seinen Auswirkungen so erwartbar dumm, dass man sich an den Kopf fassen muss. Das Vorab-Ende ist letztlich nochmal ziemlich doof, das finale Ende auch, aber immerhin gelungen.

Das klingt alles etwas negativer, als es eigentlich ist. Die Produktion der Serie ist solide, die beiden Hauptdarstellerinnen sind ganz gut, es gibt auch einige interessante Bilder und Kameraideen, die Spannungskulisse wird vernünftig aufgebaut (es wäre besser gewesen, wenn man in Folge 1 nicht spoilert), die Eskalationsschraube gekonnt gedreht und auch die Ambivalenz, auf welcher Seite man als Zuschauer stehen möchte, hat mir gut gefallen. Ähnlich wie „You” bricht die Serie teilweise Romanzenklischees auf, weil man sich hier vorstellen kann, dass das Schwiegermonster vielleicht sogar einen Punkt hat und wirklich mehr hinter Cherry steckt. Wie die Frauen sich später gegenseitig attackieren und zerstören wollen, ist amüsant, doch logisch ist es häufig leider nicht (Stichwort Passwörter). Wie oft Kommissar Zufall mitspielen muss, damit sich Figuren zu diesem Zeitpunkt in diesem Moment sehen und diese Szene überhaupt ablaufen kann, ist wirklich verblüffend. Da muss man schon das Romance-Klischee des Schicksals vermuten, anders ist das alles nicht zu erklären (oder eben durch ein faules Drehbuch). 

Letztlich kann man sich bei „Das Gift der Seele” aber auch zurücklehnen, nichts hinterfragen und das sich entfaltende Romanzen-Familiendrama mit Thrillerelementen genießen, stilistisch und auch in ihrem Tempo kann die 6-teilige Miniserie überzeugen. Doch mir fehlt die Substanz und das Verständnis für die Figuren. Auch das Ende konnte mich nicht versöhnen, sondern ließ mich kopfschüttelnd zurück. Schade.

72/100
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