Tote Mädchen lügen nicht – Oder doch? Die skandalöse Selbstmord-Serie im Review von Staffel 1&2

„13 Reasons why” – wie der deutlich schlauere englische Titel lautet – war mit der 1. Staffel eine skandalöse Serie über Selbstmord, die in den USA eine Reihe von Debatten ausgelöste. In Zentrum steht eine US-Highschool-Geschichte, allerdings mit einem Twist: Die Hauptfigur Hannah (Katherine Langford) begang Suizid. Als „Abschiedsgeschenk“ gibt es für alle aus ihrer Sicht beteiligten Personen jeweils eine personalisierte Kassette, worauf sie aus ihrer Perspektive der jeweiligen Person eine Mitschuld an ihrem Selbstmord gibt. Ob sie dabei lügt oder nicht (danke deutscher Titel)? Wer weiß.

Ich werde mich vor allem auf die ersten beiden Staffeln der Serie fokussieren, die absurderweise (aufgrund des überraschenden Erfolgs) insgesamt 4 Staffeln umfasst. Jedoch wird es bereits ab Staffel 2 so dämlich, dass ich nur die 1. Staffel empfehle. Die interessante skizzierte Hauptgeschichte ist danach auch beendet. Großes Faustpfand der Serie ist ihre hochspannende Prämisse, die man auf vielen Ebenen hinterfragen kann. Wie moralisch ist es den eigenen Suizid so vielen anderen Personen in die Schuhe zu schieben? Wer hat wirklich Schuld? Wer hätte etwas ändern können? Doch im Zentrum steht natürlich die Frage, warum Hannah sich letztlich zu ihrem ultimativen Schritt entschloss, was der ausschlaggebende Grund war, dass sie symbolisch über die Kante gestoßen wurde. 

Die Handlung wird in – logischerweise – 13 Episoden durchaus gekonnt erzählt. Leider sind die Darsteller alle eher mittelmäßig bis unterdurchschnittlich (und zu alt für ihre Rollen) und generell hilft ein Interesse an klassischen Teenager-High School Geschichten. Dennoch ist die Serie wertvoll, weil sie typische Klischees anders erzählt, Geschehnisse aus einer anderen Perspektive betrachtet und dabei vor allem auch das Thema des Mobbings äußerst schmerzhaft und durchaus glaubhaft erzählt. Vielleicht kommen einem einige Erlebnisse aus der Vergangenheit bekannt vor und man sieht sich in der ein oder anderen Figur anteilig selbst wieder. Die 1. Staffel regt zum Nachdenken an und endet in überaus harten, bösen, aber auch sehr eindrucksvollen und starken Sequenzen. Kaum zu verstehen ist, dass die Serie im Nachhinein für den amerikanischen Markt zensiert werden musste, damit genau diese bitteren Szenen, die die Serie ausmachen, gestrichen werden. Unverständlich. Staffel 1 erhält aufgrund des Themas, dem Diskussionsanreiz und der durchaus gelungenen Inszenierung trotz einiger Makel eine Empfehlung.

Staffel 2 wirkt eher wie eine schnelle Gelddruckmaschine, die sich, nach der eigentlich abgeschlossenen Geschichte, fast zwanghaft an einer Fortsetzung versucht. Der Gerichtsprozess von Hannahs Mutter gegen die Schule steht im Mittelpunkt, wodurch dieselbe Geschichte erneut erzählt wird. Diesmal gibt es ein paar Polaroid-Fotos, die anstelle der Kassetten für Rückblicke sorgen. Staffel 2 ist wenig durchdacht, noch klischeebeladener, versucht am Ende irgendwie alle gesellschaftlichen Probleme für Jugendliche einzubauen und möchte dabei möglichst stark schockieren und konfrontieren – was nur plakativ wirkt. Die Besensequenz und die letzten Szenen am Schulball hätten es sicherlich nicht gebraucht, vor allem verharmlost das Ende mit seiner „Lösung” zahlreiche Probleme.

Ein Gesamtrating ist kaum angebracht, wenn man nur 2 Staffeln von insgesamt 4 sah. Ich lande bei 70%, die sich aus einer 77% und einer Empfehlung für Staffel 1 und einer 60% für eine deutlich schwächere 2. Staffel ergeben. Ich gewichte die 1. Staffel etwas höher, weil sie der Kernpunkt der Serie ist. Generell gilt: 1. Staffel anschauen und danach aufhören.

70/100
Total Score
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