Liebes Kind – Gelingt die düstere deutsche Kindesentführungs-Serie? Review Miniserie

„Liebes Kind” ist gewissermaßen die deutsche Antwort auf „Room“, in dem eine entführte Mutter mit ihrem Kind aus der Gefangenschaft freikommt und beide Probleme mit der Anpassung haben. In dieser 6-teiligen Miniserie, die überraschend auch international Anklang fand, wird das Thema rund um (Kindes)entführung, Gefangenschaft und Resozialisierung mit einer klassischen Polizeiperspektive, einigen Mysterykomponenten und einer twistreichen Handlung verbunden.

In „Liebes Kind“ flieht zu Beginn eine Frau (Kim Riedle) mit ihrer Tochter aus der Gefangenschaft. Offenbar wurden sie und der Bruder des Mädchens von einem Mann gegen ihren Willen festgehalten, den sie  „Papa” nennen. In dieser Nacht nutzt die Frau eine günstige Fluchtgelegenheit, doch der Junge bleibt zurück. Auf der Flucht wird die Frau angefahren und sie strandet gemeinsam mit Hannah (Naila Schuberth) in einem Krankenhaus. Schon bald entwickelt sich daraus eine deutlich komplexere Story, die zahlreiche Fragen aufwirft: Wo wird der Junge versteckt gehalten? Wer sind Frau und Kinder, sind sie wirklich ein Mutter-Tochter-Gespann? Handelt es sich bei der Vermissten um eine vor 13 Jahren verschwundene Frau? Wer ist der Täter? Dazu kommen Nordic Noir typische Polizei-Kommissare mit eigenen Problemen und viele weitere Fragezeichen. Soweit so klassisch. Wäre da nicht Hannah, die wohl in Gefangenschaft geboren wurde und sich nun sehr schwer damit tut, sich in die „normale” Gesellschaft zu integrieren, da sie „Heimweh” hat. Außerdem scheint sie eine eigene Agenda zu verfolgen…

Die recht ruhig erzählte deutsche Miniserie mit Thrillerelementen und nur wenigen Action-Momenten umfasst lediglich 6 Episoden à etwa 45 Minuten, die ich größtenteils überzeugend fand. Das Tempo ist gut, manchmal wirkt der Plot etwas vorhersehbar, aber ab und an weiß die Handlung doch zu überraschen. Die Darsteller, vor allem die Kinder, sind überwiegend gut. Einzig die ein oder andere Rolle bekommt einen „typisch deutschen“ Dialog spendiert, aber weitestgehend wirken die Charaktere authentisch und glaubwürdig. Was ich besonders schön finde, ist das Setting. Die Geschichte spielt im Gegenwarts-Deutschland, doch es handelt sich weder um Berlin, noch um Bayern. Nicht mal um Hamburg. Die Haupthandlung spielt in der Region um Aachen und Düsseldorf, das ist persönlich ganz interessant, weil ich einiges wieder erkenne, aber es wirkt dadurch auch frisch und unverbraucht.

Problematisch sind einige Logiklöcher, einiges wirkt sehr zurechtgebogen, damit die Pointe auch funktioniert. Vor allem die falschen (oder falsch wirkenden) Abläufe im System und die Dummheit der Polizisten (vielleicht auch realistisch) trüben den guten Eindruck. Es gibt auch einige Momente, bei denen man die Charakterentscheidungen automatisch hinterfragt: „Passt das noch zum Charakter oder ist das Quatsch?” Es liegt im Auge des Betrachters, wie hoch man dies gewichtet und wie sehr es einen stört. Ich fand diese Momente aufgrund der gefälligen Regie mit eigener Handschrift, der gesamten beklemmenden Atmosphäre – mit ein bisschen Geigenmusik dazu – und der Spannung bis zum Ende nicht so ausschlaggebend. Insgesamt war ich 6 Folgen lang involviert, interessiert (leichte Abstriche bei Folgen 4&5) und auch mit dem Ende zufrieden. 

Dennoch ist „Liebes Kind” nicht der große Wurf geworden, den jeder gesehen haben muss. Doch gerade für den deutschen Serienmarkt ist diese Mystery-Miniserie mit vielen Drama und Krimielementen eine gelungene Addition – trotz ihrer offenkundigen Schwächen. Letztlich steht und fällt bei so einer Geschichte vieles mit dem Ende – ich mochte es.

78/100
Total Score
Nach oben scrollen