„Little Bird” ist eine fiese und teils schwer zu ertragende kanadische Miniserie, die auf wahren Ereignissen basiert. Behandelt wird der sogenannte „Sixties Scoop” in Kanada. Damals (etwa 1955-1980) war die Politik der kanadischen Kindesschutzbehörde, dass Kinder von Ureinwohnern ihren Familien weggenommen werden um die Kinder danach zur Adoption freizugeben oder in (christliche) Erziehungsheime zu stecken. Anhand von Hauptfigur Bezhig (Darla Contois), die ihre Vergangenheit untersucht, wird diese schreckliche Verfahrensweise etwa 20-30 Jahre später aufgerollt.
Vorab eine kleine Triggerwarnung: „Little Bird” erzählt keine nostalgisch-schönen Geschichten der Vergangenheit, sondern von dem Auseinanderreißen von Familien, dem Zerstören einer Kultur und spart dabei auch die Themen Rassismus, Sklaverei und sexuellen Missbrauch nicht aus. Wie man sich denken kann, war die Liste der Untaten während des damaligen „Sixties Scoop” unendlich lang. Die Miniserie beschäftigt sich speziell mit einer Familie, die 1968 komplett auseinandergerissen wird. Der Mutter werden 3 ihrer 4 Kinder weggenommen, die in der Folge voneinander getrennt in unterschiedlichen Familien aufwachsen. Bezhig heißt in der gegenwärtigen Erzählzeit „Esther”, weil sie damals von einer jüdischen Frau (Lisa Edelstein) adoptiert wurde, sie praktiziert auch den jüdischen Glauben. Die junge Frau steht auf der Schwelle zur Heirat ihres Verlobten. Doch dessen Mutter – die ganze Familie ist tief verwurzelt im jüdischen Glauben – verkündet auf der Verlobungsparty, dass sie „Esther” aufgrund ihrer „Herkunft” nie wirklich akzeptieren können wird. Das schickt Bezhig in eine Spirale der Selbstfindung, was sie dazu veranlasst endlich nach ihren Geschwistern zu suchen. Doch das macht ihr das Jugendamt alles andere als leicht, weil die (damals) vorherrschende menschenverachtende und grauenvolle Praxis mit allen Mitteln vertuscht werden soll.
„Little Bird” bietet einen spannenden und hochgradig bitteren Einblick in ein Thema, von dem ich vorher keine Ahnung hatte. Es geht um Familie, Entfremdung, Unmenschlichkeit, Selbstfindung, Religion, aber die Serie erzählt auch davon, dass man selbst die Möglichkeit hat, wie man mit dieser grauenvollen Situation umgeht und wie man sich seine „Familie” zusammenstellen möchte. Gerade Bezhigs Wandel zwischen den Welten, ihre innere Zerrissenheit wird stark dargestellt und gipfelt in einer überwiegend großartigen letzten Folge. Bemerkenswert ist, dass sowohl die leitenden Positionen hinter der Kamera als auch davor entweder aus jüdischer oder Ureinwohner-Herkunft stammen, was für eine gewisse Authentizität und stimmige Atmosphäre sorgt. Inszenatorisch ist die Miniserie solide und zweckmäßig gestaltet, der Inhalt steht klar im Vordergrund, auch das Tempo könnte an einigen Stellen etwas höher sein. Doch das fällt letztlich kaum ins Gewicht.
Die Miniserie ist letztlich absolut gelungen und behandelt ein wichtiges Thema. Allerdings auch kein leicht verträgliches.



