Apple Cider Vinegar – Wenn social media und „Alternativmedizin“ töten. Review Miniserie

„Apple Cider Vinegar” ist eine gelungene Miniserie über zwei australische medizinische Influencerinnen, die gefährliche „Alternativmedizin“ (besser Fakemedizin) propagieren, wobei eine wirklich an Krebs erkrankt, während die andere dies nur behauptet, um Mitleid und Berühmtheit zu erlangen. Die unglaubliche Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten und rückt sehr viele Probleme von social media und der Abkehr von Medizin ins Rampenlicht.

Die Serie wird (unnötigerweise) verschachtelt auf verschiedenen Zeitebenen dargestellt, die teilweise wild durcheinander wechseln. Erzählt wird zunächst die Story um die reale Belle Gibson (Kaitlyn Dever, „Dopesick”, „The Last of Us”, „Unbelievable”), die eine Erkrankung vortäuscht und in der Influencer-Anfangszeit bei Instagram (2013) mit ihrer Essen und Trinken-App „The Whole Pantry“ Bekanntheit erlangte. Dafür arbeitete sie sogar später mit Apple zusammen. Doch dachte sie sich vielleicht ein Darmprobleme aus? Nein, sie nutzte als ihre Erkrankung zahlreiche ausgedachte Krebsdiagnosen. Die zweite Hauptfigur ist Milla (Alycia Debnam-Carey, „The Lost Flowers of Alice Hart”), sie basiert auf einer realen Figur, die allerdings nicht namentlich genannt wird. Milla hat tatsächlich Krebs in ihrem Arm, entscheidet sich aber statt einer Armamputation zu Quatschalternativen mit Säften und Einläufen, die natürlich ihren Krebs nicht behandeln. Dennoch wurde sie zur Influencerin gegen normale Medizin und für alternativen Schwachsinn, sie schreibt ein Buch und hält Vorträge vor Krebspatienten. Damit man als Zuschauer die Situation besser versteht und etwas mitfühlen kann, wird die Figur der krebserkrankten Lucy (Tilda Cobham-Hervey) erfunden, die ein großer Fan von Belle ist. Sie ist eine naive Followerin, die sich aufgrund des Einflusses aus dem social media Kosmos herkömmlichen Behandlungsmethoden mehr und mehr verschließt. Dazu wird ihr der Journalisten-Mann (Mark Coles Smith) gebastelt, der letztlich gemeinsam mit der Freundin beider Influencerinnen, Chanelle (Aisha Dee), am Downfall von Belle arbeitet, während Milla ihrem Untergang anderweitig immer näher kommt.

Die Story ist unnötig überfrachtet in ihren ganzen Zeitebenen und hätte etwas weniger als die knapp 6 Stunden Laufzeit (6 Folgen) vertragen können. Dennoch empfand ich die Serie nicht als langweilig, sondern habe auf den Absturz beider Protagonistinnen gehofft, die beide wirklich hassenswert gespielt werden, gerade der großartigen Kaitlyn Dever gelingt dies überzeugend. Ich habe generell ein Problem mit „Alternativmedizin“ und halte „medizinische“ Influencer von unwirksamen Präparaten bis hin zur Ablehnung von realer Medizin für ein großes Risiko gerade für leichtgläubige, naive, (junge) Menschen. Diese Gefahr illustriert die Serie konsequent. Letztlich fehlt „Apple Cider Vinegar“ leider ein Sympathieankerpunkt, an den man sich als Zuschauer klammern kann, da die dargestellte Welt so fake, künstlich, fies und gefährlich ist.

Die Miniserie wirkt manchmal fast etwas überproduziert, wenn man es negativ sehen will, ich empfand die visuellen Spielereien aber als gelungen und auflockernd. Leider bleibt die Serie – unterstützt durch den poppigen Stil – etwas oberflächlich und geht nicht ganz in die Tiefe, gerade bei Belle Gibson (Antivax-Themen werden beispielsweise ausgespart, zu „kontrovers“?). Der Soundtrack aus bekannten Liedern, die mal schön abgewandelt werden (Toxic Geigenversion) ist treibend und stimmig für die dargestellte Welt.

Insgesamt ist „Apple Cider Vinegar” eine sehenswerte Serie, die die Gefahren von unwissenden Influencern, die Alternativquatsch propagieren, im medizinischen Bereich gelungen präsentiert. Obwohl sie etwas zu lang und zu oberflächlich ist, können die guten Darstellerinnen und die teilweise sehr fiese, eindringliche Geschichte die Makel weitgehend überdecken, so dass eine sowohl informative als auch unterhaltsame Serie bleibt. Selten habe ich mehr auf den Fall einer Hauptfigur hingefiebert.

79/100
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