The Tunnel – Lohnt sich das britisch-französische Remake zu „Die Brücke“? Review Staffel 1

„The Tunnel” ist eine schwierig zu beurteilende Krimiserie, weil es das schwedisch-dänische Original „Die Brücke” gibt. Denn die 1. Staffel von „The Tunnel” ist ein waschechtes Remake, dass sich eng am Original entlang hangelt, sowohl in seiner Hauptgeschichte rund um die Identität und die Handlungen des Täters, als auch in seinen Hauptcharakteren, die nur leicht vom Altbekannten abweichen. Wie bewertet man ein Remake, dass in allen Belangen dem Original unterlegen ist, aber dennoch mit seiner Story brillieren kann, weil das Original eben so gut war?

Vorab ein kleiner Disclaimer: Ich sah bislang nur Staffel 1 von „The Tunnel”, die der ersten Staffel von „Die Brücke” über weite Strecken auf Schritt und Tritt folgt. Ab der zweiten Staffel gibt es allerdings komplett neue Handlungsstränge und eigene Geschichten, was ich ausdrücklich begrüße. Es ist mittlerweile ein paar Jahre her, dass ich das schwedisch-dänische Original schaute und somit fühlte sich die 1. Staffel von „The Tunnel” wie ein Déjà Vue an, nur eben in der visuell und schauspielerisch schwächeren Variante. Doch worum geht es eigentlich?

Im Eurotunnel zwischen Calais (Frankreich) und Kent (England) wird mitten auf der Grenze eine Leiche entdeckt. Oder sind es sogar zwei? Schnell stellt sich heraus, dass Oberkörper und Unterkörper zu unterschiedlichen Menschen gehören, einmal einer Politikerin, einmal einer Prostituierten. Nun müssen die französischen und britischen Behörden miteinander kooperieren, vor allem in Person der beiden Kommissare Karl (Stephen Dillane, „Game of Thrones”) und Elise (Clémence Poésy, „Harry Potter”). Bereits kurz nach dem Fund im Eurotunnel wendet sich der sogenannte Wahrheits-Terrorist an die Öffentlichkeit, er möchte auf 5 Missstände innerhalb der Gesellschaft aufmerksam machen, indem er fleißig weiter mordet. So geraten zunächst Senioren in sein Fadenkreuz, später wird der ganze Fall auch persönlicher und bedrohlich für die Hauptfiguren.

Nachdem die 1. Episode eine fast komplette Nacherzählung des Originals ist, nimmt sich die Serie danach ein paar wenige Freiheiten, die allerdings am großen Ganzen nichts ändern. Wenn man das Original kennt, kann die Serie der ganzen Geschichte wenig Neues oder Frisches hinzufügen, man bekommt eher nostalgische Gefühle. Leider können die beiden Darsteller, vor allem Stephen Dillane, für mich das Niveau von Kim Bodnia und Sofia Helin nicht erreichen, auch der Asperger von Elise wird deutlich schlechter herausgearbeitet. Die Verlegung des Settings nach Großbritannien und Frankreich wird von ein paar Frotzeleien und Klischees, die ausgetauscht werden, bestimmt, bleibt aber kaum mehr als Kulisse. Auch der düstere Nordic-Noir Flair kommt nicht auf und kann nicht sonderlich gut adaptiert werden, so dass „The Tunnel” atmosphärisch recht beliebig bleibt. Zudem ist der Eurotunnel deutlich schlechter und langweiliger zu bebildern, als die Öresundbrücke. Das klingt alles relativ schwach, aber das liegt nur daran, dass die Vergleichsserie so unfassbar gut. Denn die Handlung der 1. Staffel kann trotzdem von vorne bis hinten überzeugen, sie ist immer noch unglaublich fies, legt ein paar falsche Fährten und kann in ihrem Abschluss voll in Mark und Bein treffen. Es ist immer noch ein zeitloser Krimi-Klassiker, den Hans Rosenfeldt damals ablieferte, dass allerdings besser funktioniert, wenn man das Ende noch nicht kennt.

Die 1. Staffel von „The Tunnel” muss man sich nicht zwingend anschauen, wenn man das Original gesehen und noch alles gut im Kopf hat. Als kleine Nostalgiereise mit leicht anderen Facetten taugt es allerdings, wenn man großer Fan des Originals ist – wie ich. Darüber hinaus bietet Staffel 1 vielleicht auch ein gelungenes Setup für weitere Staffeln mit eigenem Drehbuch und eigener Geschichte. Vielleicht werde ich dem irgendwann nochmal eine Chance geben. Wer das Original noch nicht kennt, kann besser (zuerst) das schauen.

80/100
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