„Psycho-Pass” ist eine dystopische Anime-Krimiserie, die in ihrer ersten Staffel mit ihrer cyberpunkigen Welt, ihren moralischen Fragen rund um ein KI-System, das alles steuert und seinen Action-, Mystery- und Thriller-Komponenten stark überzeugen kann. Die zweite, daran anschließende Staffel ist leider etwas schwächer, die als am schwächsten geltende 3. Staffel sah ich bislang noch nicht.
In rund 100 Jahren ist die uns bekannte gegenwärtige Gesetzgebung in Japan schon lange Vergangenheit. Stattdessen herrscht ein System, das in Echtzeit berechnen kann, ob jemand kriminelle Absichten hegt oder psychisch instabil ist, der „Psycho-Pass“. Jeder muss diesen „Psycho-Pass” stets mit sich führen, er funktioniert wie ein Personalausweis, der jederzeit von der Polizei in diesem autoritären Regime gescannt werden kann. Die Polizei ist nun für die Eliminierung oder das Paralysieren (danach Besserungsanstalt) der „Abweichler” zuständig, deren Psyche laut dem titelgebenden Pass nicht stabil wirkt. Die Serie ist ein feiner Mix aus „1984”, „Zodiac”, „Blade Runner” und vielen Thriller-Krimivarianten mit einigen psychologischen Zwischentönen und der nötigen Härte.
Die starke 1. Staffel umfasst insgesamt 22 Episoden (à 25 Minuten). Im Zentrum der Handlung steht Akane Tsunemori, eine junge Leiterin einer Kripo-Einheit. Dabei muss sie sofort in ihrem ersten Einsatz einen ihrer Untergebenen, Shinya Kogami, davon abhalten einen Verdächtigen zu ermorden, weil dessen Psycho-Pass auch andere Schlussfolgerungen zuließ. Nachdem dies zunächst zu Problemen innerhalb der Einheit führt, arbeiten die beiden später besser zusammen. Das Pacing ist zu Beginn gut, man wird direkt in diese hochspannende Welt hineingeworfen und lernt gemeinsam mit den Figuren schrittweise mehr über die Welt und darüber, dass rund um den Psycho-Pass doch vielleicht nicht alles so mit rechten Dingen zugeht… Nach dem Piloten wirkt der Anfang noch etwas ziellos, allerdings nimmt das Tempo spätestens ab dem Beginn des Serienkiller-Handlungsstrangs etwa ab Folge 7/8 Fahrt auf. Danach bietet die Staffel einige Highlight-Episoden (z.B. Folge 16) und umfasst nur wenige „Fillerepisoden“. Insgesamt ist Psycho-Pass in seiner ersten Staffel auch durch seinen starken Abschluss eine sehr runde Serie, die mit ihrer Krimi-Dystopie-Mischung genau meinen Geschmack traf.
Staffel 2 fehlt leider ein wichtiger Charakter, dessen Fehlen nicht aufgefangen werden kann. Außerdem ist das Handeln der Hauptfigur nach den Erkenntnissen aus der 1. Staffel nicht ganz nachvollziehbar. Insgesamt wird es in der 2. Staffel, die nur noch 11 Episoden beinhaltet, komplexer und komplizierter, so dass deutlich häufiger Fragezeichen im Raum stehen. Diese werden nach ruhigerem Beginn in der Mitte etwas weniger, weil endlich Antworten gegeben werden. Zunächst war ich mit einigen der Erklärungen nicht ganz zufrieden, weil sie mir zu absurd erschienen, aber letztlich funktionieren sie, sobald sie unterfüttert und in die Zusammenhänge eingefügt werden. Leider werden am Ende der Staffel einige Fragen gar nicht beantwortet und ich verstehe das große Finale nicht vollumfänglich, vielleicht auch, weil ich den anschließenden Film dafür hätte schauen müssen. Insgesamt ist die 2. Staffel leider deutlich schwächer als Staffel 1, aber auch kein Reinfall. Es ist durchgängig spannend und gut inszeniert, die Handlung verfängt sich aber an einigen Stellen.
„Psycho-Pass” kann mit seiner interessanten Prämisse punkten, die in Staffel 1 sehr gekonnt bespielt wird. Die Animation ist dabei zweckmäßig, die Inszenierung ist gelungen. Leider fehlt ab und an etwas der rote Faden und Staffel 2 konnte das hohe Niveau der 1. Staffel nicht mehr halten. Dennoch möchte ich die Serie für Fans von Krimis empfehlen, die sich für ein Setting mit einem dystopischen, autokratischen Regime interessieren. Staffel 1 ist ein kleiner Geheimtipp.



