„The Last of Us” ist „The Big One”, DIE Videospielverfilmung, deren 1. Staffel hoffentlich die Blaupause für sehr gute Videospieladaptionen liefern kann. „The Witcher” war zuvor anfangs noch ganz gut, „Fallout” war danach unterhaltsam, aber „The Last of Us” spielt qualitativ in einer anderen Liga. Dabei hilft, dass die Spiele schon unheimlich filmisch sind, so dass etliche Zwischensequenzen und gelungene Dialoge einfach übernommen werden können. Wer noch nie von der Reihe gehört hat: Im Kern ist die Serie eine Dramaserie, die sich allerdings vor dem Hintergrund einer Art Zombie-Apokalypse abspielt. Ein ungleiches Pseudo-Vater-Tochter-Gespann muss sich gemeinsam durch diese Welt kämpfen und wird dabei von „Zombies“ und vor allem anderen Menschen bedroht – bis auf den Tod.
Die Serie basiert auf den beiden gleichnamigen Videospielen, Teil 1 und Teil 2. Staffel 1 erzählt in insgesamt 9 Episoden die Handlung des gesamten ersten Videogames, das zweite Spiel wird in den Staffeln 2 und 3 erzählt. An der Seite von Neil Druckmann, dem Creative Director und Autor beider Videospiele, wurde als zweiter Showrunner & Drehbuchautor Craig Mazin verpflichtet, den man beispielsweise von der besten Miniserie aller Zeiten „Chernobyl” kennt. Als kleiner Disclaimer: Ich habe beide Videospiele zuvor gespielt und liebe den ersten Teil, den zweiten finde ich schwächer, aber immer noch gut, obwohl er wahnsinnig polarisierte. Um es vorwegzunehmen: Genauso geht es mir auch mit der Adaption, Staffel 1 ist unfassbar rund, eine hervorragende Staffel, die jeder gesehen haben sollte. Staffel 2 hat ihre Schwächen, aber auch weiterhin Stärken.
Worum geht es? Im Wesentlichen ist das Thema die Zombie-Apokalypse, aber in „The Last of Us” sind es Pilze. Der Cordyceps-Pilz befällt Menschen, sie können nicht mehr klar denken, werden von ihm gesteuert und auf andere Menschen gehetzt. Wenn diese gebissen oder manchmal auch nur besonders tief gekratzt werden und sich Sporen übertragen können, dann werden die Menschen zu Pilzzombies. Die Haupthandlung der Serie startet rund 14 Jahre nach dem Ausbruch der Pilzepidemie, die dystopische Welt ist komplett zerfallen und die Handlung spielt in einem von der Natur überwucherten Amerika. Regierungen gibt es in diesem Sinne nicht mehr, allerdings unterschiedliche Gruppierungen mit verschiedenen Zielen.
Staffel 1: Die Fireflies beauftragen den Schwarzmarkthändler und Schmuggler Joel (Pedro Pascal) die 14-jährige Ellie (Bella Ramsey) aus einer Quarantänezone zu einem Krankenhaus der Fireflies quer durchs ganze Land zu eskortieren. Denn Ellie scheint immun zu sein und die Fireflies hoffen mit Ellies Hilfe ein Heilmittel für die Epidemie herstellen zu können. Nach einem durchwachsenen Beginn beginnen die beiden eine Vater-Tochter-ähnliche Beziehung zu entwickeln, dabei müssen sie gemeinsam zahlreiche Gefahren von Pilzgegnern und menschlichen Widersachern überstehen.
Die erste Folge der Serie ist überragend. Die ersten 30 Minuten des ersten Videospiels waren damals mit das Beste, was es jemals gab, die Pilotfolge steht dem in wenig nach. Die Emotionalität, das Chaos, der Ausbruch: Das ist perfekt umgesetzt. Nach diesem hervorragenden Einstieg kann auch die Mitte überzeugen und die letzte Folge ist überragend. Das ist „Last of Us I”, das ist besser als alles, was „The Walking Dead” je geschafft hat (sogar besser als die 1. starke Staffel „Walking Dead”). Auch wenn man mit Zombies nichts am Hut hat, sollte man die erste Staffel schauen, weil einem ansonsten eine absolute Top Serie entgeht. Pedro Pascal und Bella Ramsay sind superb als Joel und Ellie, die Nebencharaktere alle mindestens solide. Visuell ist die Serie auf einem guten Niveau, man sieht ihr die hohen Produktionskosten durchaus an, obwohl der Weitblick nicht immer großartig aussieht. Generell kann ich alle beruhigen, die zu viel Angst vor Zombies haben oder zu schreckhaft sind: Mit Horror hat die Serie nichts zu tun, die Zombies sind mehr im Hintergrund als im Spiel, der Mensch ist die Bedrohung.
Bei Staffel 2 konnte man bereits vor der Ausstrahlung ahnen, dass sie schlechtere Karten beim Publikum haben wird. Ohne zu tief in die Videospiel-Debatte einzusteigen, musste der 2. Teil damals großes „Review Bombing” ertragen. Einige traurige-wütende Menschen wetterten kindisch gegen die „Woke”-Agenda des Spiels, weil es auch um Homosexualität und andere liberale Themen geht. Doch das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass das 2. Spiel auch zurecht schlechter aufgefasst wurde. Das liegt vor allem an einer polarisierenden, folgenschweren Entscheidung zu Beginn. Doch genug der Vorworte und hinein ins Geschehen: Die Handlung spielt rund vier Jahre nach den Geschehnissen des ersten Teils. Aus Spoilergründen werde ich inhaltlich nicht in die Tiefe gehen, jedoch beginnen Spiel 2 und Staffel 2 erstmal relativ ruhig, bis in Folge 2 der Scheidepunkt ansteht. Diese Episode ist ganz großartig, wunderbar inszeniert auf allen Ebenen, jedoch werden inhaltlich damit viele Zuschauer Probleme haben. Doch alles geschieht wie im Ausgangsmaterial.
Danach fokussiert sich die nur 7-teilige 2. Staffel noch etwas stärker als die vorherige Staffel auf das zwischenmenschliche Drama. Den Beziehungen untereinander und Dialogen wird deutlich mehr Zeit eingeräumt als im Spiel, die Bedrohungen durch die Pilzzombies wird erheblich zurückgeschraubt. Insgesamt sind diese lediglich in zwei Episoden als größere Horden zu sehen und sind ansonsten thematisch vollkommen irrelevant. Auch einige der bekannten Locations aus dem Spiel werden etwas zu schnell abgefrühstückt, beides ist etwas schade. Der starke Drama-Fokus ist überhaupt nicht falsch, nur leider wirkt der Rest anteilig etwas zu gehetzt, die Actionsequenzen zu kurz, die Bedrohung durch die Zombiepilze spürt man fast gar nicht mehr. Dennoch empfinde ich einige Sequenzen weiterhin als sehr gelungen und sehr schön umgesetzt. Das Pacing der Staffel ist schwächer, aber noch in Ordnung, man hätte vielleicht die neue Hauptfigur der 2. Staffel besser etablieren und die Erzählperspektiven besser miteinander verbinden können. Doch auch das Spiel trennt die Sichtweisen so auf, man wollte dem wohl treu bleiben, dieser Schnitt im Spiel wird in der Serie für den Cliffhanger zu Staffel 3 genutzt. Ich befürchte allerdings, dass die Zuschauer an Abby, die von Kaitlyn Dever stark gespielt wird, wenig Interesse haben werden. Im Spiel musste man sich damit anfreunden, hatte schon viel Zeit investiert und beginnt den finsteren Fokus der 2. Staffel langsam zu verstehen. Ich weiß nicht, ob das als passiver Konsum einer Serie so gut funktionieren wird, wie in einem immersiveren Videospiel.
„The Last of Us” Staffel 2 polarisiert inhaltlich genauso wie das zweite Videospiel. Jedoch ist die Umsetzung leider etwas schlechter gelungen als bei Staffel und Videospiel 1. Ich habe dennoch großes Interesse, wie die restliche Geschichte noch umgesetzt wird und hoffe auf Besserung. Die 2. Staffel ist nicht so schlecht, wie diverse Teile des Webs behaupten. Sie ist nicht mehr überragend großartig, sondern nur noch gut. Dennoch bleibe ich dabei, dass sich jeder – egal mit welcher Genrepräferenz – Staffel 1 anschauen sollte (93%). Ob man dann weiterschaut, bleibt jedem selbst überlassen, aus meiner Sicht bleibt es sehenswert, allerdings mit Abstrichen.



