Hinter dem etwas sperrigen Titel „Counterpart” verbirgt sich oberflächlich ein relativ typischer Drama-Spionage-Verschwörungsthriller mit J.K. Simmons in der Hauptrolle. Allerdings mit einem dystopischen Kniff: Parallelwelten. 1987 entwickelten ostdeutsche Wissenschaftler eine Parallelwelt, die auch 30 Jahre später in der Gegenwart noch existiert und sich anders als die „normale” Welt weiterentwickelte.
Howard Silk (Simmons) arbeitet in Berlin innerhalb einer mysteriösen UN-Behörde, seine Sicherheitsfreigabe ist nicht hoch genug, um genau zu wissen, was seine Arbeit beinhaltet. Doch eines Tages wird er mit der Wahrheit konfrontiert: Es gibt seit Ende der 80er Jahre eine Parallelwelt und auch einen Übergang zwischen den Welten („Alpha” und „Prime”), den seine Behörde überwacht und reguliert. Überraschenderweise werden auch ab und an Visa ausgestellt für Kurzbesuche der anderen Welt, aber grundsätzlich ist dieser Übergang der Öffentlichkeit nicht bekannt. Eigentlich wollten die Wissenschaftler vor allem überwachen, wie sich die beiden Welten mit leicht unterschiedlichen Voraussetzungen zueinander entwickeln, doch 1996 kam es in der anderen Welt, der „Prime-Welt”, zu einer Pandemie, die hunderte Millionen Menschen tötete. Die Entscheidungsträger der „Prime”-Welt beschuldigten die „Alpha”-Welt für die Freisetzung des Virus, so dass eine Art Kalter Krieg zwischen den beiden Welten entstand und es viel Spionage, so wie Doppelagenten gibt. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, gibt es auch die Figuren jeweils zweimal, sie leben als unterschiedliche Charaktere in ihren Welten. So ist Howard in der normalen Welt ein kleines Zahnrad einer Behörde, während „Prime”-Howard ein kompromissloser Spion ist. Durch diesen Kunstgriff ist so ziemlich jeder Schauspieler in zwei Rollen zu sehen. Am besten macht das natürlich Hauptdarsteller J.K. Simmons. Durch Berlin als Kulisse, die inhaltlich nicht weiter relevant ist, sondern nur auf die DDR-Westen und Kalter Krieg-Hintergrundgeschichte einzahlt, sind auch einige deutsche Schauspieler (z.B. Liv Lisa Fries, „Babylon Berlin”) in Nebenrollen Teil des Ensembles. Die Beschreibung der Ausgangssituation ist diesmal etwas länger geraten, vielleicht spoilert sie auch ein klein wenig, aber ich empfinde den Kniff als hochgradig interessant und ansprechen als: „Langweilige Behördenarbeit trifft auf großes Mysterium”.
Insgesamt ist „Counterpart” in seinen 2 Staffeln mit jeweils 10 Episoden eine dramalastige Serie, die häufig die Beziehungen der Menschen zueinander und zu ihrem anderen Ich in den Vordergrund stellt. Vor allem die Treffen der beiden Howards sind dabei spannend. Auf diesem Fundament aufgebaut, entspinnen sich relativ klassische Spionageplots und auch Handlungsstränge rund um Terroristen sowie das Planen und Verhindern von Anschlägen. Durch die persönlichen Verflechtungen und weil es zwei von jeder Figur geben kann, wirkt dieser klassische „Kalter Krieg”-Plot aber doch recht frisch und interessant. Eigentlich gefiel mir die Grundstory der Serie sehr gut, vor allem die Idee der Parallelwelten fasziniert mich eigentlich immer.
Doch leider tritt man – vor allem in Staffel 1 – erzählerisch häufiger auf der Stelle, das Tempo ist recht gemächlich und leider wird die Parallelwelt zunächst nur angedeutet und maximal angeschnitten. Doch genau das ist doch das Spannende an einer solchen Serie. Somit ist aus meiner Sicht beim Worldbuilding einiges an Potenzial auf der Strecke geblieben. Auf der negativen Seite stehen darüber hinaus auch einige schwer nachvollziehbare Charakterhandlungen, so dass man die Logik ab und an hinterfragt. In Staffel 2 wird die Handlung absurder, größer und spannender, weil man auch Einblicke in die höheren Etagen der „Agency” und deren Entscheidungsprozesse bekommt. Rund um den Riss selbst und dessen Entstehung verspürte ich auch einige „Dark”-Vibes, was immer ein gutes Zeichen ist. Dahingehend schuldig ist vor allem die 6. Episode der zweiten Staffel, die zweifellos die beste Folge der ganzen Serie ist.
Die Produktion, die Machart und Inszenierung der Serie sind solide bis gut, leider fand „Counterpart” bereits nach zwei Staffeln ein frühzeitiges Ende, obwohl der Schöpfer noch mindestens eine weitere Staffel produzieren wollte. Das ist etwas schade, da auch die 2. Staffel ein spannendes Ende zu bieten hat, aber noch nicht komplett auserzählt wirkte. Insgesamt ist „Counterpart” eine interessante, sehenswerte Serie mit ihren Makeln, die aber mit gutem Schauspiel, einer spannenden Prämisse und dem Faustpfand des Doppelcharakters, die direkt miteinander interagieren, überzeugen kann.



